Ich fand die Frage @EdwinHubble im Panik-Thread sehr spannend und da hier ja auch Evotec für Long-Interessierte ganz grundsätzlich beleuchtet werden sollte, habe ich die Frage hier mal kopiert:
"Also mir leuchtet das jetzt ein, dass man Evotec nicht nach KGV oder KUV oder sonstigen Schemata bewerten kann, sondern dass man hier eine Forschungseinrichtung investiert, die es geschafft sich selbst zu finanzieren. Aber wie und wer kann jetzt beurteilen was diese Forschungsprojekte heute oder in 10 Jahren wert sind?" ...
Meine Antwort:
Das ist wirklich eine spannende Frage. Ganz ehrlich. Die gängigen Bilanzkennzahlen funktionieren bei einem Forschungslabor logischerweise nicht. Kein Mensch käme ja auf die Idee, mit nem KGV die Forschungsabteilung von beispielsweise BMW zu bewerten. Denn Forschung verbrennt Geld, kostet viel Zeit und kann natürlich auch mal ins Nichts führen und man muss dann und wann Projekte beerdigen oder stoppen. Und die meisten Biotechs sind eben genau das - Forschungseinrichtungen, die als AGs an der Börse gelistet sind und entweder aufgekauft werden oder unabhängig mit hoffnungsvollen Zukunftszahlen werben. Deswegen sind die Bewertungen bei Biotechs teilweise recht ambitioniert, stark schwankungsanfällig und die Aktien allgemein NICHT für Börsenneulinge geeignet...
Evotec ist keine kleine Klitsche mehr und es ist auch kein klassisches Biotech mehr, da es mittlerweile nicht mehr vom Forschungserfolg bei einigen wenigen Projekten abhängt, sondern seit einigen Jahren nun auch als Dienstleister in der Fremdforschung agiert und dort genug verdient, um die eigenen Kooperationen, die eigene Substanzbiobliothek, Zukäufe und zukünftig auch wieder eigene Projekte und mittelfristig auch eine Dividende zu bezahlen. Das alles ist für ein Forschungsunternehmen ganz und gar nicht normal. Und Evotec ist auch kein reiner Dienstleister für Fremdforschung. Evotec ist allerdings auch kein reiner Sammelplatz für wissenschaftliches Know-How und Substanzen, man will schon in der Zukunft Großes erreichen...
Was ist Evotec nun? Evotec ist ein Hybride. Nicht mehr ganz Biotech, nicht ganz Dienstleister, nicht ganz wissenschaftliche Einrichtung zum reinen Forschungszweck und Treff- bzw. Knotenpunkt für Wissenschaftler und deren Know-How.
Wie man diesen Hybriden bewerten soll? Eine reine Kennzahlen-Analyse auf Basis des Dienstleistungsgeschäfts springt zu kurz, da damit nur ein Teil der Aktivitäten Evotecs bewertet werden würde. Man würde die Aktie also unterbewerten.
Eine reine Biotechbewertung würde ebenfalls nicht adäquat sein, da die aktuelle Pipeline keine heißen Kandidaten vorweisen kann und damit hier die Phantasie für schnelle Kursgewinne in den nächsten Monaten fehlt. Würde also auch zu einer Unterbewertung führen.
Die wissenschaftliche Komponente mit dem Know-How der Wissenschaftler und dem Inhalt der Bibliothek bewerten?...- schwierig. Will sich ein Finanzanalyst deren wissenschaftliche Publikationen durchlesen und dann einschätzen, was die draufhaben? Und die Substanzen kann man erst einschätzen, wenn man weiß, worauf die Substanzen eigentlich getestet werden sollen - sprich was die überhaupt leisten könenn sollten. Ist ja logischerweise schwierig jetzt zu sagen, was die Substanzen in der Zukunft mal leisten sollen... Kann man also nicht bewerten bzw. wir können das hier nicht adäquat. (Lasse mich da gern belehren). Also kann es nicht einfließen oder man setzt eine Phantasiebewertung an...
Ergebnis: Unterbewertung+Unterbewertung+0 (oder Phantasiewert)= Unterbewertung+x
Wer also jetzt versucht hier rein mit den Geschäftszahlen zu agieren, wird Evotec immer unterbewerten und würde dann in einem Bullenmarkt oder bei besser informierten Marktteilnehmern immer dem Kurs hinterherlaufen. Wer das also versucht, wird fast immer der Meinung sein, dass Evotec überbewertet sei, weil eben seine inadäquate Analyse der Einzelteile Evotecs zu einer strukturellen Unterbewertung von Evotec führen würde.
Ich weiß nicht, wie ich die zahlenaffinen Anleger von dem Gesamtbild des Konzern überzeugen können sollte. Ich glaube, da muss man selbst etwas Phantasie und den "Blick für das große Ganze" mitbringen,- und natürlich Vertrauen in das Management. Wer diese Sachen so nicht hat, der muss weiter den harten Zahlen vertrauen, dann wird er aber mit Evotec nie den großen Gewinn machen, weil er entweder nie wirklich reinkommt oder dann immer wieder zu früh verkauft. Sorry. Mehr fällt mir dazu nicht ein.
... Hat hier noch jemand Anmerkungen zu einem möglichen mathematischen Bewertungsmodell von einem Forschungsunternehmen wie Evotec?
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