Der dänische Fall Rushdie Mohammed-Karikaturen führen zu Todesdrohungen von Hanspeter Born
Berlin - Es begann harmlos. Der dänische Jugendbuchautor Kore Bluitgen, der in einem Einwandererviertel von Kopenhagen wohnt und muslimische Freunde hat, wollte ein Buch über das Leben des Propheten Mohammed illustrieren lassen. Drei Zeichner, die er anfragte, lehnten ab, weil der Islam es untersagt, den Propheten abzubilden. Auch war ihnen die Ermordung des holländischen Filmemachers Theo van Gogh, der einen Film über den Islam gedreht hatte, frisch in Erinnerung.
Auf einer Party erzählte Bluitgen von den Bedenken der Illustratoren und ein anwesender Journalist schrieb später einen Artikel darüber. Darauf meldete sich die Redaktion von Dänemarks auflagestärkster Zeitung "Jyllands-Posten" beim Jugendbuchautor. "Sie glaubten die Geschichte zuerst nicht" erzählt Bluitgen, "und wollten, daß ich ihnen die Namen der Illustratoren nenne - was ich nicht tun konnte." Darauf beschloß das Blatt, die Probe aufs Exempel zu machen, und fragte die Vereinigung der dänischen Zeitungskarikaturisten an, ob ihre Mitglieder bereit wären, Zeichnungen des Propheten zu entwerfen. Zwölf griffen zum Stift und am 30. September veröffentlichte "Jyllands-Posten" die braven Karikaturen.
Ein Imam in Arhus empörte sich und bald machten dänische Sympathisanten von "Jamaat-e-Islami" diese in Pakistan ansässige, mächtige Islamistenorganisation auf die Karikaturen aufmerksam. 3000 der auf 170 000 geschätzten in Dänemark lebenden Muslime (Gesamtbevölkerung 5,4 Millionen) gingen auf die Straße, in Kaschmir legte ein Streik die Stadt Srinagar lahm und Botschafter von elf muslimischen Staaten beschwerten sich bei Premier Anders Fogh Rasmussen. Dieser lehnte es ab, sie zu empfangen und schrieb ihnen: "Die Redefreiheit ist die eigentliche Grundlage der dänischen Demokratie." Die Regierung habe keine Möglichkeit, die Presse zu beeinflussen. Wenn die Botschafter das Gefühl hätten, Jyllands-Posten hätten gegen Gesetze verstoßen, könnten sie die Sache ja vor Gericht ziehen. Darauf kritisierte der türkische Premier Erdogan die Haltung der dänischen Regierung scharf. Die "Organisation der Islamischen Konferenz" (OIC) und die "Arabische Liga" meldeten sich mit Protesterklärungen zu Wort.
Kurz vor Weihnachten erklärte der Vizepräsident der EU-Kommission, Franco Frattini der Jyllands-Posten, die Karikaturen trügen zur "wachsenden Islamophobie" in Europa bei: "Ich bin selber Katholik und wenn jemand eine Zeichnung eines heiligen christlichen Symbols mit einer Bombe und einer Todesbotschaft produzierte, würde ich dies als persönliche Beleidigung empfinden."
Für den ägyptischen Gelehrten Fadel Soliman von der "Bridges Foundation", die für interkonfessionellen Dialog eintritt, sind die Karikaturen "sehr aufhetzend und sehr beleidigend". Er erklärt, daß die Muslime alle Propheten - auch Jesus, Moses und Abraham - als heilig ansehen und daß sie bewußt keine Bilder oder Statuen von ihnen machen, weil eine Darstellung der Botschafter von der Botschaft ablenke. Fadel Soliman vergleicht die Publikation der Mohammed-Karikaturen mit der Leugnung des Holocausts: "Es gibt Dinge, die man nicht diskutieren darf, weil man sonst die Gefühle von Millionen von Menschen verletzt."
Die Argumente der aufgebrachten Muslime finden bei einem Teil der dänischen Öffentlichkeit Verständnis. 22 ehemalige Diplomaten rügten Premier Rasmussen für seine Weigerung, die muslimischen Botschafter zu empfangen. Rasmussen Parteikollege, der ehemalige Außenminister Uffe Ellemann Jensen kritisierte Jyllands-Postens Aktion: "Dies ist eine pubertäre Demonstration der Ausdrucksfreiheit, die bewußt auf den Gefühlen vieler Menschen herumtrampelt."
Die Debatte um die Karikaturen hat durch Todesdrohungen eine zusätzliche Dimension erhalten. Im November setzte die Jugendabteilung von "Jamaat-e-Islami" ein Kopfgeld von umgerechnet etwa 6500 Euro für die Ermordung "des Karikaturisten" aus. Kurz vor Weihnachten veröffentlichte nun aber das Blatt der Journalistengewerkschaft einen Leitartikel über "das Kopfgeld, das verschwand." Der Präsident der Jugendorganisation von Jamaat-e-Islami, Shaba-e-Milli, dem man die Todesdrohung nachgesagt habe, habe "klar gemacht, daß kein Kopfgeld ausgesetzt worden ist." Dem widerspricht Dänemarks Botschafter in Pakistan, Bent Wigorski, der uns am Telefon erklärte: "Es gibt keinen Zweifel, daß die Jugendorganisation eine Belohnung aussetzte. Ich weiß dies sicher. Sie hatten nicht erwartet, daß jemand im Westen dies erfahren würde. Jetzt versuchen sie zurückzukrebsen." Die dänische Botschaft in Islamabad steht unter Sonderbewachung und dänischen Bürgern werden Reisen nach Pakistan und nach Kaschmir abgeraten.
Die Mohammed-Karikaturen, meint die Journalistin Helle Merete Brix, überschatten seit drei Monaten alle andern Themen in Dänemark. Sie hat nach der Ermordung von Theo van Gogh eine Anthologie von Beiträgen über die Redefreiheit veröffentlicht und ist besorgt darüber, daß Schriftsteller und Journalisten für die verletzten Gefühle der Muslime allzu viel Verständnis aufbringen. Dadurch unterstütze man die Fundamentalisten und schade den liberalen Muslimen, die sich für Redefreiheit einsetzten: "Man hat die Erklärung von 80 aus dem Iran und dem Irak stammenden Einwanderern, die sich für Jyllands-Posten eingesetzt haben, wenig Beachtung geschenkt." Was hier geschieht, hat für Brix Ähnlichkeiten mit dem Fall Rushdie. Wenn man Bürger einer westlichen Demokratie ist, müsse man in Kauf nehmen, daß seine Religion kritisiert wird. "Ein Grundwert Europas steht da auf dem Spiel."
Hanspeter Born ist Autor der Zürcher "Weltwoche".
Artikel erschienen am Fr, 13. Januar 2006 Quelle: http://www.welt.de/data/2006/01/13/830519.html
Ciao!
PS Wäre mal interessant gewesen, die Karikaturen gesehen zu haben, finde jedoch nichts auf http://www.jp.dk/erhverv/artikel:aid=3524578/" target="_new" rel="nofollow">Jyllands-Posten Online.
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KITA ARIVA!
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