Notleidende Kredite waren lang ein Mühlstein für heimische Banken. Nun gibt es Entwarnung – auch dank des blockweisen Verkaufs von Firmenschulden. Wien. Sie bedrohten sogar die Kreditwürdigkeit Österreichs: faule Kredite in Osteuropa. Im schlimmsten Fall muss ein Staat nämlich ihretwegen Banken auffangen und sich dafür weiter verschulden. Damit erklärte etwa die Ratingagentur Standard & Poor's ihren negativen Ausblick 2012. Seit Jahren hingen Non Performing Loans wie ein Damoklesschwert über den stark in Osteuropa engagierten heimischen Instituten. Diese Kredite waren in der Zeit des Booms oft leichtfertig vergeben worden und konnten nun nicht mehr zurückgezahlt werden. Sie sorgten für regelmäßige Abschreibungen – zum Teil in Milliardenhöhe. Die operativen Gewinne der Banken wurden dadurch vielfach aufgezehrt. Nicht wenige Investoren an den Börsen haben ihr Vertrauen in die heimische Bankenwelt dabei verloren. Wie aber sieht es heute aus? Die Situation der Länder hat sich in Summe sogar weiter verschlechtert (siehe Grafik). Allerdings liegt das an Russland und der Ukraine. Bei den näher gelegenen Staaten, in denen heimische Institute meist stärker tätig sind, gibt es eine leichte Verbesserung. Für Bernhard Engel, Experte beim Berater PwC, ist damit „die Talsohle durchschritten“. Entscheidend ist: Österreichs Banken haben ihre Bilanzen besser gesäubert als die Branche im Allgemeinen. Die dunklen Jahre sind vorbeiIn den dunklen Jahren, von 2011 bis 2013, lag bei ihnen der Anteil an notleidenden Krediten in Osteuropa im Schnitt bei 15 Prozent. Seitdem ist er auf 11,5 Prozent gesunken. Damit hat das Thema „eindeutig den Schrecken verloren“, sagt Engel. (Freilich: Deutlich zu hoch ist die Quote immer noch. In Westeuropa liegt sie meist bei rund fünf Prozent – und erst damit außerhalb des Gefahrenbereichs.) Die Entspannung lässt sich an den Neunmonatsergebnissen ablesen: Trotz gesunkener operativer Erträge konnten die Institute unterm Strich zulegen, weil sie weniger vorsorgen mussten. Was sind die Gründe? Viele notleidende Ostkredite sind einfach schon abgeschrieben. In der Bilanz für sie vorgesorgt hat die Bank Austria zu 56 Prozent, die Erste Bank zu 64 Prozent, Raiffeisen Bank International (RBI) sogar zu 71 Prozent. Der Branchenschnitt in Osteuropa liegt bei 62 Prozent – üblicherweise „ein ausreichendes Niveau“, findet Daniel Mitteregger. Er leitet bei der RBI die Abteilung, die sich um die Restrukturierung bei Firmenkunden kümmert. Rund zwei Drittel der faulen Kredite kommen im Osten von Unternehmen. Die haben besondere Tücken. „Das klassische Instrument wäre, den Kredit zu strecken“, erklärt Mitteregger, also mit dem Kunden über einige Jahre „durch das Tal der Tränen zu gehen“. Dann muss aber „das Geschäftsmodell fundamental gut genug sein, dass wir das hinkriegen“. Bei einer Insolvenz verliert die Bank die Kontrolle. „In sehr vielen Fällen in Osteuropa endet das mit der Zerschlagung.“ Mehr noch: Die Sicherheiten werden oft angefochten, „da streitet man sich dann jahrelang“, weiß Florian Klimscha, Partner bei Freshfields, der Banken juristisch begleitet. Ein Geschäft für GeierAlles ziemlich langwierig also. Dabei drängen die Regulatoren darauf, faule Kredite möglichst rasch abzubauen. Und dafür gibt es nun eine Alternative, die Banken dankbar aufgreifen: Sie werden ihre faulen Kredite „en bloc“ los, indem sie sie an darauf spezialisierte Investoren verkaufen. So ein Forderungsverkauf ist im Prinzip „ein ganz altes Instrument“, sagt Klimscha. Raffinierter ist es schon, ganze Portfolios abzustoßen. Für Privatkundenkredite gibt es das schon länger, die Transaktionen haben einen Umfang von 50 bis 60 Mio. Euro. Bei Firmenkrediten ist es aber ein neues Thema: „Seit 2014 gibt es hier einen extremen Anstieg“, weiß Mitteregger von der RBI – und bei diesen Deals sind große Summen im Spiel, jeweils Hunderte Millionen. Los ging es in Eurokrisenländern: in Irland, Portugal und vor allem Spanien mit seiner geplatzten Immobilienblase. „Auf die Idee sind Investoren aus den USA und Großbritannien gekommen. Sie wurden angezogen von billiger Liquidität, die im Übermaß vorhanden war“, erinnert sich Mitteregger. „Als der Markt gesättigt und die Werte verkauft waren, zog die Karawane weiter nach Osteuropa.“ Besonders gut funktioniert das Geschäft in Rumänien, Bulgarien, Polen und Kroatien. In der Ukraine hingegen dominieren regionale Anbieter, das Land ist „zu exotisch für einen fremden Investor“. Mehr Tempo beim RückzugDie Bank kommt die rasche Erleichterung aber teuer zu stehen. Der Käufer will ja eine gute Rendite erwirtschaften, umso mehr, als er meist Eigenkapital einsetzt. Im Geschäft sind hier spezialisierte Fonds, aber auch andere Banken, oft mit Inkassobüros als Partner vor Ort. Die großen Player sind aktuell die B2 Holding aus Norwegen, die deutsche Eos-Gruppe (gehört zu Otto) und die Deutsche Bank, die vor allem in Rumänien aktiv ist. Besonders attraktiv ist dieses Angebot für Institute, die sich aus einem Land zurückziehen wollen, weil das Risiko zu groß wurde. In genau dieser Lage befinden sich heimische Banken in einigen Ostländern seit der Krise. Entsprechend begeistert bieten sie ihre Leichen im Keller zum Verkauf an. Mitteregger formuliert es eleganter: „Wenn eine Bank sagt: Diesen Markt wollen wir nicht mehr – dann ist die Aktivität des Portfolioverkaufs sehr verstärkt zu beobachten.“ Freilich: Für die Unternehmen bedeutet diese Abtretung „in der Regel“ die Liquidation: „Der Investor will ja meist möglichst schnell seine Rendite erzielen.“ Im besten Fall bündelt der Käufer ähnliche Assets und findet dafür noch einen Interessenten, etwa einen Immobilieninvestor für mehrere insolvente Einkaufszentren. Auch bei Privatkrediten funktioniert das Modell. Hier kann sich der Kreditkunde freuen: Er muss etwa nur noch die Hälfte seiner Schulden zurückzahlen. „Die Bank selbst kann so etwas oft nicht anbieten“, sagt PwC-Experte Engel. Denn wenn sich das herumspreche, würden auch die noch laufend bedienten Kredite schnell notleidend werden. ("Die Presse")
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