Liebe Leser,
ist das nicht absolut wunderbar? Noch vor wenigen Monaten mussten zahlreiche große Banken vor der unmittelbar drohenden Pleite gerettet werden und nun, nahezu mit einem sprichwörtlichen Fingerschnipsen, ist alles wieder gut!
Die Gewinne schießen in den Himmel, als habe man manch einer Bank schnell ein Dutzend Saturn-V-Raketen unter die Bilanz gebunden. Das Schlimmste ist nun vorbei (sagt man, mal wieder...) und alles ist jetzt wieder im Lot. Doch bevor Sie in einen ungezügelten Freudentanz ausbrechen:
Was passiert, wenn die Triebwerk plötzlich ausfallen bzw. im Flug erst festgestellt wird, dass die Raketen vom stark betrunkenen Rampenpersonal im (Zahlen-)Delirium nur mit 1% statt der benötigten 100% Treibstoff aufgetankt wurden (und nun schon aber fliegen und dieser Treibstoff bald verbraucht ist)?
Haben wir vielleicht doch keine soliden Gewinne, sondern eher "Luftnummern"?
Nicht nur ich rechne sehr stark mit dem Letztgenannten. Das Handelsblatt nannte die Dinge erst kürzlich beim Namen und berichtete über die legale Bilanzfrisierung (böse Zungen sprechen vor diesem Hintergrund gar von legaler Bilanzfälschung). Auch die ARD hielt sich mit entsprechenden Berichten nicht zurück, um nur zwei Vertreter der Massenmedien zu nennen...
Doch die neuen Bilanzvorschriften in den USA sind sicherlich nicht alles. Viele "Gewinne" der Banken kommen auch durch Einmaleffekte zustande. Ein gutes Beispiel hierfür findet sich etwa bei Goldman Sachs. Nachdem der amerikanische Versicherer AIG massive Staatshilfen erhalten hatte, wurden hiervon direkt große Teile weitergeleitet, wovon Goldman Sachs besonders stark profitiert hat. Auch profitiert Goldman Sachs lt. dem Ökonomen Prof. Joseph Stiglitz von Staatsgarantieren, welche die US Regierung auf einige Anleihen gibt.
Von der TARP-Staatshilfe, die man mit aller Gewalt zurückzahlen möchte - um sich de facto wieder deutlich höhere Bonuszahlungen in die Taschen stopfen zu können und nicht mehr den bösen staatlichen Restriktionen zu unterliegen - fange ich hier besser gar nicht im Detail an. Nur so viel sei gestattet: Goldman Sachs hätte mit diesem Geld eine sehr günstige und attraktive Finanzquelle (Goldman Sachs zahlt nur 5% pro Jahr für diese Gelder). Stattdessen gibt man lieber neue Aktien aus, bestraft die bestehenden Aktionäre und siehe da: Weg mit den staatlichen Restriktionen, die mit dem TARP-Geld kommen und endlich können wieder die saftigen Boni für die furchtbar verarmte Bankerkaste fließen. Die Interessen der eigenen Aktionäre lässt man hierbei völlig kaltschnäuzig aus. Wäre das Geld für die Rückzahlung tatsächlich vorhanden gewesen, ok. Aber warum auf Kosten der bestehenden Aktionäre, indem weitere Aktien in Umlauf gebracht werden? Warum gerade jetzt? Nicht nur ich kann hier nur die Verbindung zum Bonus sehen (Es geht mir hier übrigens keineswegs nur um GS; andere Firmen handhaben dies oft relativ ähnlich. Schnell die Phase des aufkeimenden Optimismus in der Bärenmarkt-Rallye nutzen und zu aufgeblasenen Preisen weitere eigene Aktien verkaufen. Dies ist nicht selten eine wunderbare Finanzierungsmöglichkeit. Nachdem die Aktienpreise dann wieder kollabieren, kaufen Insider diese Aktien billig zurück und der nichts ahnende Investor ist wieder einmal von der Wall Street kräftig abgezockt, sein Geld los und als zusätzlicher, schöner Nebeneffekt kann, wie z.B. im Falle von Goldman Sachs, endlich wieder so richtig schön hemmungslos "gebonust" werden...Natürlich auf Kosten der Aktionäre...).
Doch machen all diese Dinge (neue Bilanzregeln, Einmaleffekte, etc.) Banken wirklich gesund? Warum spricht z.B. auch niemand darüber, dass die Umwandlung von Investmentbanken in Geschäftsbanken wie etwa im Falle von Goldman Sachs die Möglichkeit bot, eine ganze Reihe von Verlusten in den Dezember letzten Jahres zu packen, über die nicht großartig berichtet werden musste? Stattdessen werden die jetzigen "Profite" massiv medial verkündet? Mir fällt bereits seit Wochen fast schon eine Art "Gute-Laune"-Kartell in manchen Medien auf...
Um es kurz zu machen: Für mich hat dies eher den Anschein, als befiehlt hier der Kapitän der Titanic der Musikkapelle doch einfach etwas lauter zu spielen, denn die Probleme würden sich dann ja schon von selbst lösen, wenn nur alle Passagiere beherzt genug tanzen...
Kommen wir nochmals auf Goldman Sachs und AIG zurück
Die Verbindung zwischen den beiden ist übrigens eine ganz besondere. Seit September letzten Jahres ist Edward M. Liddy Chef des beständig US-Steuergelder vernichtenden, schwarzen Finanzlochs AIG. Für seine dortige Tätigkeit, welche sicherlich nicht gerade prestigeträchtig ist, kassiert er einen US-Dollar pro Jahr (zzgl. Performance Bonus im Jahr 2010 und sog. "equity grants" - dies wird in der Propaganda mancher, v.a. amerikanischer Massenmedien auch gerne unterschlagen...). Nun könnte man angesichts des einen Dollars sicherlich denken, welch eine positive Überraschung an Bescheidenheit, denn Herr Liddy betonte ja stets, dass er nur aus seinem Ruhestand gekommen sei, um Amerika bzw. dem amerikanischen Steuerzahler treu zu dienen. Doch dieses substanzlose Gerede würde dem gesamten Sachverhalt kaum gerecht:
Bevor Edward Liddy seine Tätigkeit vergangenen Herbst bei AIG begann, arbeitete er im Aufsichtsrat bei, wer hätte es gedacht, Goldman Sachs. Seine Tätigkeit bei GS begann im Jahre 2003. Eingestellt wurde er von Hank Paulson, der ihn auch in seiner neuen Funktion als damaliger Finanzminister an die Spitze von AIG berufen hat.
Als ehemaliger Aufsichtsrat ist er auch Aktionär von Goldman Sachs im Gegenwert von über 3 Millionen US$. Da Goldman Sachs nun am meisten von AIG-Zahlungen profitiert hat (auf denen Herr Liddy übrigens vehement bestand...), würden sicherlich nur böse Zungen und zynische Zeitgenossen denken, dass Herr Liddy nicht völlig unabhängig im Interesse des amerikanischen Steuerzahlers und nur für diesen arbeitet... Wie sollte es denn auch anders sein? Immer diese bösen "Verschwörungstheorien"...
Dies nur als ein kleines, eher noch harmloses Beispiel, wie Politik und Wall Street in den USA gerne immer wieder ungeniert unter einer Decke liegen (Auch die Obama-Administration hat hier durchaus ihre, um es höflich zu formulieren, sehr zahlreichen "Überschneidungspunkte". Und zu glauben, bei uns in der Bundesrepublik ginge alles sauber und ordentlich zu, kann ich auch nicht empfehlen. Dies würde aber den Umfang des heutigen Artikels sprengen, wenn ich hierüber auch noch berichten würde).
Aber all diese Dinge lese ich eher selten in den Massenmedien. Ob es nur daran liegt, dass es einfacher ist, gewisse Meldungen einfach ohne eigenes Nachdenken wiederzugeben, statt deren tatsächlichen HIntergrund gründlich auszuleuchten? Oder gibt es da vielleicht sogar noch mehr? Verflechtungen zwischen Medien und Finanzwelt?
Beste Grüße
Alexander Hahn
http://www.investor-verlag.de/boersenwissen/...der-luftnummern/?64475
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