HINTERGRUND: Berichtssaison kann Realitätssinn schärfen und Kursrallye bremsen
FRANKFURT (dpa-AFX) - Mit dem Start der neuen Berichtssaison muss der Optimismus der Börsianer der vergangenen Monate nun der Realität Stand halten. Sollten die Unternehmensergebnisse enttäuschen, erwarten die Marktteilnehmer eine ziemliche Ernüchterung - und sinkende Kurse an den Märkten. Derzeit steigen die Kurse fast täglich. Zuversicht heißt das Zauberwort, das seit Mitte März die Kurse treibt. Die Börse hat seitdem zu einer ordentlichen Rallye angesetzt, weil die meisten Anleger die meist durchwachsenen Konjunkturdaten ignorieren und auf gute Unternehmensberichte zum zweiten Quartal setzen. Der DAX hat bislang mehr als 1.100 Punkte (51 Prozent) an Boden gewonnen, der Dow Jones etwa 1.600 Zähler (22 Prozent).
Vor allem in Europa wird vor überzogener Hochstimmung gewarnt. "Schnallen Sie sich an und bereiten Sie sich auf den Sinkflug vor", riet Volker Borghoff, Marktbeobachter bei Trinkaus & Burkhardt. Der Markt werde sich nach der jüngsten Rallye wieder auf die Fundamentaldaten besinnen - und so spätestens im dritten Quartal den Aufwärtstrend an der Börse korrigieren. Begründung des Experten: Die Erwartungen an die Unternehmensgewinne seien "unrealistisch hoch" und die Bewertungen "nicht mehr gerechtfertigt". Bis zum Oktober könnte der DAX im Sog von Rezessions- und Deflationsbefürchtungen sogar unter 2.600 Punkte fallen.
"SPEKULATIVE RALLYE" SORGT MARKTBEOBACHTER
Der "spekulative Charakter" der jüngsten Rallye sorgt auch Charles L. Hill, Marktexperte bei First Call, nach wie vor. Vor allem die Tech-Titel rangierten in Höhen, die absolut nicht gerechtfertigt seien - zumal noch niemand abschätzen könne, wie das zweite Halbjahr laufen wird. Die "Warning season", die Zeit vor der Berichtssaison, in der die Unternehmen schon Hinweise geben, wohin die Reise geht, sei aber weitgehend ruhig geblieben.
Die Vorankündigungen der Unternehmen seien mehr oder weniger nicht schlechter als üblich ausgefallen, sagte Hill. 52 Prozent hätten Skepsis verbreitet und Ergebnisse unter den Erwartungen in Aussicht gestellt. Im ersten Quartal waren es 58 Prozent gewesen. Zudem hätten weniger Unternehmen als erwartet ihre Gewinnerwartungen drastisch korrigiert. Genau deshalb behält bei anderen Marktteilnehmern der Optimismus die Überhand.
HOFFNUNG AUF POSITIVES 2. QUARTAL BLEIBT
"Bislang hat es in den USA für das zweite Quartal kaum dramatische Gewinnwarnungen gegeben. Wenn es dabei bleibt, könnten sich die Hoffnungen auf ein positives zweites Quartal erfüllen", sagte ein Börsianer. Für den S& P 500 liegen nach Aussage von M.M.Warburg-Volkswirt Christian Jasperneite die durchschnittlichen Wachstumsschätzungen für die Unternehmensgewinne im laufenden Geschäftsjahr bei 13 Prozent, während die Bank selbst mit rund 6 Prozent rechnet. Charles Hill erwartet für das zweite Quartal Plus von 8 bis 10 Prozent.
In den USA geht zunächst der Aluminium-Hersteller Alcoa Inc. (8. Juli) ins Rennen. Der Internet-Dienstleister Yahoo (9. Juli) und der Netzwerkausrüster Juniper Networks 10. Juli setzen die Trend für die Tech-Werte. In Deutschland wird das Software-Unternehmen SAP den Anfang machen und am 17. Juli Quartalsbilanz ziehen./ak/tw/she --- Von Antje Kasper, dpa-AFX ---
Quelle: DPA-AFX
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