Gerster verweigert Offenlegung des PR-Vertrags
Der Chef der Bundesanstalt für Arbeit, Florian Gerster, hat sich im Wirtschaftsausschuss des Bundestages geweigert, den umstrittenen Beratervertrag offen zu legen. Die Opposition ließ im Vorfeld offen, ob sie einen Untersuchungsausschuss einsetzen wird.
Gerster habe darauf verwiesen, dass dies ein Vertrag mit einem privaten Dritten sei und er ihn deswegen nicht öffentlich machen könne, sagte der CSU-Politiker Johannes Singhammer am Freitag am Rande der Ausschusssitzung in Berlin. Dies sei nicht nachzuvollziehen, da der Ausschuss nicht die Öffentlichkeit sei. "Gerster erklärt wortreich, dass alles rechtlich in Ordnung sei", sagte Singhammer. Für Rücktrittsforderungen sehe er momentan allerdings keinen Grund.
Gerster sagte nach der Anhörung, es sei notwendig gewesen, den Vertrag mit WMP ohne Ausschreibung zu vergeben, weil Anfang des Jahres ein desaströses Meinungsbild über die BA in der Öffentlichkeit bestanden habe. Wäre der Auftrag öffentlich ausgeschrieben worden, hätte es zu lange gedauert, bis die BA professionelle Hilfe von außen in Anspruch hätte nehmen können. Gerster sprach von einer öffentlichen Kampagne gegen ihn und seine Behörde.
Gerster sehr auskunftsfreudig
Singhammer sagte, Gerster habe sich in der Befragung sehr auskunftsfreudig gezeigt. Es zeichnet sich ab, dass die Befragung Gersters, die gegen 08.00 Uhr begonnen hatte, weit länger als die geplante Zeit von zweieinhalb Stunden dauern wird. Für die kommende Sitzung des Ausschusses, die voraussichtlich am 10. Dezember stattfinden soll, sollten sowohl Wirtschaftsminister Wolfgang Clement als auch die Präsidiumsmitglieder der Bundesanstalt für Arbeit für Fragen zur Verfügung stehen.
Gerster wird vorgeworfen, den mit 1,3 Mio. Euro dotierten Vertrag ohne Ausschreibung an die PR-Firma WMP Eurocom vergeben zu haben. Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Krista Sager begrüßte, dass der Vertrag zwischen der Bundesanstalt und der Agentur aufgehoben werden soll. "Das ist ein richtiger Schritt", sagte sie der "Sächsischen Zeitung". "Es geht schließlich um eine Imageverbesserung. Und die ist unter den jetzigen Bedingungen mit demselben Partner nicht mehr möglich."
Gerster sieht Beratervertrag als Fehler
Nach Brandners Eindruck werte es der BA-Chef inzwischen selber als Fehler, den Beratervertrag mit WMP ohne Ausschreibung vergeben zu haben. Gerster räumte ein, dass er mit dem heutigen Wissen den Vertrag nicht mehr freihändig vergeben würde. "Ich würde die Vergabe heute nicht noch einmal so machen", sagte er. FDP-Politiker Dirk Niebel sagte nach der ersten Befragungsrunde, Gerster habe die Rechtmäßigkeit des mit 1,3 Mio. Euro dotierten Vertrages "offenkundig sehr falsch eingeschätzt". SPD-Politiker Klaus Brandner sagte, er habe sich in dieser Angelegenheit etwas mehr Fingerspitzengefühl Gersters gewünscht. Erstes Ziel bleibe, Aufklärung über das Vertragsverhalten der Bundesanstalt für Arbeit zu bekommen.
Der PDS-Vorsitzende Lothar Bisky kritisierte Gerster heftig. "Ich finde es unerträglich, wie sich gewisse Schichten gegenseitig die Millionen in die Tasche schieben und dem sozial Schwachen noch Eintrittsgeld beim Arzt verordnet wird", sagte Bisky am Freitag der dpa. Der Vertrag zeige im Kern: "In diesem Land ist Geld da, es wird nur falsch verteilt". Es sei unaufrichtig, wenn auf der anderen Seite "der Bevölkerung eingeredet wird, der Gürtel müsse enger geschnallt werden".
1,3 Mio. Euro "sogar sehr günstig"
Nach Ansicht des Mannheimer Marketing-Experten Hans H. Bauer hat sich Gerster nichts vorzuwerfen. "Für die vereinbarten Leistungen sind 1,3 Mio. Euro sogar sehr günstig", sagte Bauer dem "Mannheimer Morgen". Auch der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Ludwig Georg Braun, verteidigte Gerster in der aktuellen Affäre. Gleichzeitig ließ er aber Zweifel erkennen, ob die Bundesanstalt in ihrer heutigen Form überhaupt reformierbar sei.
"Ich glaube am besten würde der Bundesanstalt für Arbeit geholfen, wenn man sie wirklich zu dem und auf das zurückführt, was sie eigentlich ist oder ursprünglich war: eine Art Versicherungsinstrument im Falle der Arbeitslosigkeit", sagte Braun der Financial Times Deutschland. Deshalb müssten die Aufgaben auch auf die Arbeitslosenversicherung konzentriert werden.
Nach Informationen des "Tagesspiegels" kommt heute auch das Präsidium des BA-Verwaltungsrates zu Beratungen zusammen. Der Verwaltungsrat dränge weiterhin auf eine genaue Aufklärung der Auftragsvergabe, schreibt das Blatt.
© 2003 Financial Times Deutschland , © Illustration: AP .
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