"Grüne" Stahlhelm-Pazifisten/ WÖLFE im Schafspelz
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neuester Beitrag: 28.05.05 20:17
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eröffnet am: | 15.06.04 18:47 von: | proxicomi | Anzahl Beiträge: | 9 |
neuester Beitrag: | 28.05.05 20:17 von: | PERMANEN. | Leser gesamt: | 1034 |
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Andreas Spannbauer in konkret
Es ist kein Jahr her, da wollten sie noch die Bundeswehr auflösen – heute sind die Grünen für jeden Krieg zu haben
„War is peace, freedom is slavery, ignorance is strength.“
George Orwell: 1984
„Deutsche Außenpolitik ist Friedenspolitik.“
Koalitionsvereinbarung zwischen der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands und Bündnis 90/Die Grünen, 20. Oktober 1998
Grüne Außenpolitik will Völkermorde künftig mit deutschen Kampftruppen auch völkerrechtswidrig verhindern. Die Vermutung, die grüne Zustimmung zum Kampfeinsatz im Kosovo habe ihre Ursache in der Teilhabe an der Macht, ist indes ein Trugschluss: Das militaristische Hurrageschrei war die Conditio sine qua non des rot-grünen Wahlsiegs. Von allen Versprechen, die Joseph Fischer je gegeben hat, dürfte er nur selten eines so ernst gemeint haben wie dasjenige, das als Leitmotiv über seinem Amtsantritt schwebt: „Kontinuität in der Außenpolitik“ hat der ehemals militante Linke angekündigt, und auf den ersten Blick scheint es, als würde sich Fischer von Kinkel nur durch die Frisur unterscheiden. Tatsächlich aber ist das Gerede von einer Kontinuität der deutschen Außenpolitik ein Euphemismus: Der erste Außenminister, der den sozialen Protestbewegungen entstammt, hat in den ersten drei Monaten seiner Amtszeit all diejenigen Maßnahmen zuverlässig durchgesetzt, die sein Vorgänger stets als heiße Eisen behandelte. Nato-Bomben auf den Irak ohne Mandat der Vereinten Nationen? Beteiligung der Bundeswehr an so genannten „friedenserzwingenden Maßnahmen“, die einen klaren Bruch des Völkerrechts darstellen? Wo Kinkel noch betroffen die Brille gerunzelt hätte, da tut Fischer, was getan werden muss.
Kontinuität der deutschen Außenpolitik bedeutet den steten Bruch mit früheren Grundsätzen der Partei. Noch vor neun Jahren glaubten die Grünen – mit Blick auf das Ende der „Blockkonfrontation“ – ein „günstiges Friedensklima“ zu erkennen, auch wenn, so konnte man im Programm zur Bundestagswahl 1990 erfahren, die „Anliegen der Friedensbewegung, denen die Grünen sich seit ihrer Gründung verpflichtet fühlen“, noch nicht durchgesetzt waren. Damals hatte die Partei noch Träume: von einer „Welt ohne Militärblöcke“ und einer „Gesellschaft ohne Waffen und Armeen“. Den Sieg der marktwirtschaftlichen Weltordnung, die mit dem Zusammenbruch des Warschauer Paktes global geworden, aber nicht etwa neu war, sondern aus dem letzten Jahrhundert stammt, priesen die Grünen als Chance für die „Verwirklichung einer neuen Friedensordnung“. Man sei, so gaben sie sich kämpferisch, „zum Bruch mit der Nato bereit“. Erstaunlich einsichtig erklärten sie: „Friedenspolitik kann nicht auf der Basis von Militärblöcken betrieben werden.“
Sämtliche Rüstungsausgaben streichen, die Bundeswehr auflösen, einen Verzicht auf Atomwaffen im Grundgesetz verankern, ein totales Manöververbot durchsetzen, die Wehrpflicht abschaffen – so lauteten die grünen Forderungen zu Beginn des Jahrzehntes. „Wir stehen für das Prinzip der Gewaltfreiheit bei der Bewältigung jeglicher Konflikte, also auch in der Politik.“ Eine Ausnahme machte das 1990er Wahlprogramm lediglich für den „aktionsreichen Widerstand gegen staatliche Maßnahmen“. Auch was die Rolle der Nato angeht, herrschte vor neun Jahren noch einige Klarheit: „Die Nato betreibt mehr und mehr auch die Absicherung ökonomischer Interessen der EG und der USA, um deren ‚vitale‘ Ausbeutungsinteressen in Ländern der ‚Dritten Welt‘ durchzusetzen.“ Klarheit, die mit dazu beigetragen haben mag, dass die Grünen mit ihrer Bewerbung um die Verwaltung der Staatsgeschäfte 1990 durchfielen – der Einzug in den ersten gesamtdeutschen Bundestag scheiterte an der Fünf-Prozent-Hürde.
Wenn man wissen wolle, wie die Kommunisten denken, soll Lenin einmal gesagt haben, müsse man auf ihre Hände und nicht auf ihren Mund schauen. Die Grünen scheuen wohl keinen Vorwurf mehr als den, Kommunisten zu sein. Dennoch ist man auch bei ihnen gut beraten, nicht auf den Mund, sondern auf die Finger zu sehen. „In unserem Programm“, so schrieben die Grünen vor der Bundestagswahl 1998, „sagen wir, was wir tun wollen. Wenn wir von den Wählerinnen und Wählern den Auftrag bekommen, werden wir tun, was wir gesagt haben.“ Drei Jahre, nachdem grüne Abgeordnete 1995 erstmals für einen Auslands-Einsatz der Bundeswehr votiert hatten, war die Rhetorik noch immer die gleiche: Unter dem Stichwort „Außenpolitischer Aufbruch ins 21. Jahrhundert“ hieß es nun im Wahlprogramm: „Bündnis 90/Die Grünen wenden sich ... gegen die Außenpolitik der konservativ-liberalen Regierung, in der Deutschland die traditionelle Rolle einer Großmacht in der internationalen Politik spielen soll.“ Man trete, ließen die Grünen das Publikum wissen, für „machtpolitische Selbstbeschränkung“ und „internationale Einbindung, für zivile Formen des internationalen Interessenausgleichs und der Streitbeilegung, für einen aktiven Einsatz für die Menschenrechte“ ein. „Wir wollen mit der Entmilitarisierung der internationalen Politik bei uns anfangen.“ Ein „peace enforcement“ durch Kampfeinsätze komme nicht in Frage. Nur das Zusammenwirken von wirtschaftlicher und politischer Integration, so war zu erfahren, könne eine dauerhafte Friedens-Perspektive schaffen. Und: „Bündnis 90/Die Grünen sind nicht bereit, militärische Friedenserzwingung und Kampfeinsätze mitzutragen.“
Bezüglich der Frage, ob denn die Nato das zentrale Organ beim Friedenschaffen mit Angriffswaffen sein dürfe, versprachen die Grünen noch vor knapp einem Jahr, der Welt ein Beispiel geben zu wollen: Die OSZE müsse gestärkt, die Nato zurückdrängt werden, war fettgedruckt zu lesen. „Für eine Politik der Friedenssicherung (‚peace-keeping‘) sind multinationale Einheiten zu schaffen, die der direkten Verfügungsgewalt der Vereinten Nationen und der OSZE unterstellt werden. ... Nur durch Entmilitarisierung und das Primat der Politik ist erreichbar, dass zivile Konfliktbearbeitung nicht mehr dem alten militärischen Denken untergeordnet wird.“ Friedenspolitik könne sich dabei „nicht hinter Bündniszwängen oder vermeintlichen internationalen Notwendigkeiten verstecken“. Das Ziel bleibe, so versprachen die Grünen, die „Entmilitarisierung der Politik – bis hin zur Abschaffung der Armeen und zur Auflösung der Nato“.
Die neue Bundesregierung war noch nicht im Amt, da war jede einzelne dieser Aussagen bereits obsolet geworden. Der Drohung der Nato, Serbien zu bombardieren, stimmten auch die Grünen im Oktober 1998 im Bundestag zu. Selbst die Tatsache, dass ein Mandat der Vereinten Nationen nicht existierte und bis heute nicht existiert, konnte die ehemaligen Pazifisten nicht davon abhalten, mit Volker Rühe und Klaus Kinkel ein Friendly takeover zu praktizieren: Joschka Fischer rechtfertigte damals die Unterstützung der noch amtierenden Kohl-Regierung lapidar: „Weil es in dieser Situation nicht anders ging.“ Man habe „eine humanitäre Katastrophe und Bedrohungen des Friedens in der Region abzuwenden“ gehabt.
Von einer „direkten Verfügungsgewalt der Vereinten Nationen und der OSZE“ (Wahlprogramm) war wenige Wochen nach der Bundestagswahl keine Rede mehr. Daran änderte auch die Tatsache nichts, dass die UN-Charta militärische Gewalt grundsätzlich verbietet und lediglich im Fall der Selbstverteidigung oder der Wiederherstellung des Friedens durch die UN zulässt. Den Terminus „humanitäre Intervention“ kennt das Völkerrecht nicht. Der Friedensforscher Reinhard Mutz bilanzierte: „Weder eine gültige Rechtsquelle noch ein Präzedenzfall bieten die rechtliche Grundlage für ein militärisches Vorgehen im Kosovo.“ US-Verteidigungsminister William Cohen sprach im Gegensatz zu den Grünen denn auch offenherzig von einem „Angriff gegen Jugoslawien“. Ein Angriffskrieg aber, das weiß das Grundgesetz im Gegensatz zu Außenminister Fischer, ist, weil verfassungswidrig, verboten.
Nicht minder verständnisvoll zeigten sich die grünen Machthaber, als Ende des Jahres 1998 die USA Bagdad bombardierte: Die „friedens“-politische Sprecherin der Partei, Angelika Beer, nannte den Militärschlag „riskant, aber verständlich“. Antje Radcke, dem linken Parteiflügel zugerechnete Vorstandssprecherin, sekundierte, der Angriff sei zwar „völkerrechtlich bedenklich“, aber „Saddam Hussein hat eine Reaktion provoziert“. Und der zuständige Minister selbst dekretierte: „Saddam Hussein trägt die Verantwortung für den Angriff.“ Einen Golfkrieg vorher, im Jahr 1991, hatte Fischer Helmut Kohl noch dazu aufgefordert, den USA die Gefolgschaft zu verweigern. Heute aber regiert der „Pazifismus unter den aktuellen Bedingungen“ (Fischer) bzw.: „Zu sagen: Militär ist blöd, damit will ich nichts zu tun haben“ (Angelika Beer).
Ende Februar stimmten 556 Abgeordnete aller Fraktionen dem Antrag der Bundesregierung zu, 6 000 Soldaten samt Leopard-II-Panzern ins Kosovo zu schicken – die PDS-Fraktion stimmte als einzige geschlossen dagegen. Zuvor hatte Außenminister Fischer seine Bereitschaft erklärt, zur Not auch ohne Mandat der vereinten Nationen zuzuschlagen – man dürfe „Bedenken nicht erst nach einer humanitären Katastrophe hintanstellen“. Dass auch die Grünen nun keine innerparteilichen Strömungen mehr, sondern nur noch einen Marschbefehl für die Bundeswehr kennen, verwundert nur auf den ersten Blick. Die ideologische Grundlage dafür, dass deutsches Militär jetzt Kampfeinsätze im Ausland absolvieren soll, haben die Grünen bereits vor vier Jahren erarbeitet.
Damals, im Juni 1995, stimmte der Bundestag einer Beteiligung deutscher Truppen am „Friedenseinsatz“ in Bosnien zu. Nur vier Vertreter der grünen Fraktion (Gerd Poppe, Marieluise Beck, Helmut Lippelt und Waltraud Schoppe) gaben der Intervention ihr Placet. Joschka Fischer dagegen äußerte damals noch die Befürchtung, „dass es weitergehen wird und die Selbstbeschränkung deutscher Außenpolitik ad acta gelegt wird“. Erst nach dem Fall von Srebrenica und den Berichten über Massaker serbischer Truppen im August 95 ergriff er die Gelegenheit und redete in einem Offenen Brief an die Partei ihrer noch immer zögerlichen Mehrheit ins Gewissen: „Können wir Prinzipien höher stellen als Menschenleben, und was wird aus unserem Prinzip der Gewaltfreiheit, wenn es sich vor der menschenverachtenden Gewalt beugt? Wie muss sich eine gewaltfreie Partei, die sich in ihrem Gründungsprogramm zum Notwehrrecht klar und eindeutig bekennt, in diesem Konflikt zwischen Notwehrrecht und Gewaltfreiheit verhalten?“ Dass auch die Sorge des Außenministers in spe um das Notwehrrecht der Bundesrepublik Deutschland gegen bosnische Kriegsflüchtlinge schon 1995 eine Rolle gespielt hat, darauf weist Fischers Argument, Europa könne sich gegenüber Bosnien nicht so verhalten „wie zum Beispiel (gegenüber) dem Sudan oder Afghanistan“. Aus der Nähe ergebe sich „ein wesentlich anderes Gefährdungspotential für die näheren und ferneren Nachbarn“.
Fischers erste Intervention zugunsten „friedensichernder“ Einsätze einer Armee, die noch 1999 37 ihrer Kasernen nach ehemaligen Hitlergenerälen benannt hat, schien ein öffentliches Bewerbungsschreiben an das Auswärtige Amt zu sein. Was folgte, war ein innerparteilicher Blitzkrieg der Bellizisten. Daniel Cohn-Bendit, grüner Europaabgeordneter und Frankfurter Multikulturdezernent, kritisierte im August 1995 im „Taz“-Interview die „Halbherzigkeiten“ der Grünen gegenüber den bosnischen Serben und nannte die Motivation für den außen- und militärpolitischen Paragdigmenwechsel der Grünen: „Eine Partei, die auf Bundesebene regierungsfähig werden will, muss in der Außenpolitik zu einer Linie finden, die von den Bündnispartnern der Bundesrepublik akzeptiert wird.“ Zu Fischers damaliger Ansicht, deutsche Soldaten sollten sich jedenfalls an „friedenerzwingenden“ Einsätzen auf dem Balkan nicht beteiligen, meinte Cohn-Bendit: „Wenn Fischer einmal Außenminister ist, wird er diese Haltung nicht beibehalten können.“
Auch die Parteilinke knickte nur acht Wochen später, im Oktober 1995, ein. Ludger Volmer forderte auf dem Strategiekongress der Grünen in Bonn/Bad Godesberg eine deutsche Beteiligung an bewaffneten internationalen Einheiten: „Nicht jede Gewalt ist militärische Gewalt“, räsonierte Volmer über den Einsatz so genannter „Konfliktschlichter-Einheiten“, die der OSZE unterstellt sein sollten. Fischer warf den Gegnern deutscher Militäreinsätze vor, seine Karriere zu gefährden: „Falls die Partei die fundamentale Absage an militärische Gewalt ernst meint und für eine Abschaffung der Bundeswehr und den Austritt aus der Nato Planungen vorlegt, wird sie für eine Regierungsbeteiligung im Bund weder einen Partner noch eine Mehrheit finden. Alle wissen es, aber keiner und keine sagt es.“
Es dauerte keine zwei Monate, da sprachen sich die Grünen im Dezember auf ihrem Parteitag in Bremen gegen Auslandseinsätze der Bundeswehr aus und befürworteten im gleichen Atemzug den Einsatz leicht bewaffneter deutscher „ziviler Kontingente“ im Rahmen von UN oder OSZE. Die Forderung, im Falle von „Völkermord“ auch Kampfeinsätze zuzulassen, erhielt schon damals 37 Prozent der Stimmen. Werner Schulz, Parlamentarischer Geschäftsführer, erklärte, warum er trotz eines entgegengesetzten Beschlusses des Parteitages für einen Einsatz der Bundeswehr in Bosnien stimmen werde: „Ich finde gegen den Antrag der Bundesregierung einfach keine überzeugenden Argumente.“ Dem haben sich seine Fraktionskollegen in der Folgezeit mehr oder weniger angeschlossen.
Seit Oktober vergangenen Jahres sind die Grünen nun selbst Teil der Regierung, was die Radikalisierung der deutschen Außenpolitik beschleunigte. 1999 ist Fischer offenbar schon in Deutsch-Südwest angekommen: Ende Februar erklärte er seinen grünen Parteifreunden aus ganz Europa mit Blick auf das Kosovo in klassischem Neusprech: „Es geht hier nicht um traditionelle nationale Politik, die auf Armeen und militärischer Stärke beruht; wir reden hier darüber, wie man einen Genozid vermeidet, nicht nur in Europa, es ist sehr wichtig, nach Afrika zu sehen.“ Am grünen Wesen soll die Welt genesen; und was ein Genozid ist, das bestimmt immer noch der deutsche Außenminister.
Der „Woche“ sagte der Außenminister Anfang des Jahres: „Die Regierungsbeteiligung hat uns alle verändert – alle, nicht nur mich. Wir haben andere Rollen übernommen, und das ist gut so“ – allerdings ist es auch nur zum Teil richtig. Fischer und Volmer, Beer und Trittin sind in Regierungsamt und -würden, weil sie sich längst verändert hatten. Nicht 1998, sondern im Juni 1995, als der deutsche Bundestag den Kriegseintritt in Bosnien beschloss, entdeckten die Grünen den diskreten Charme der Regierungsverantwortung und richteten Theorie und Praxis von diesem Moment an darauf aus. Die „FAZ“ lobte schon damals Fischers Realitätssinn: „Wer Außenminister werden will, der muss auch Gewalt als politische Option anerkennen.“ Das ist beinahe schon Brecht, der in der „Maßnahme“ verkündete, es sei „diese tötende Welt / Nur mit Gewalt zu verändern / Wie jeder Lebende weiß“. Was der Dichter als Lehrstück für Kommunisten formuliert hatte, macht der Außenminister heute, fast siebzig Jahre später, zum Credo seiner Amtsführung – aus dem „Revolutionären Kampf“ des Joseph Fischer ist ein deutscher Kampfeinsatz geworden.
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Die Bundesempörungsbeauftragte
Claudia Roth: Die Grünen-Chefin steht mit ihrer Ideologie, moralischen Entrüstung und intellektuellen Durchschnittlichkeit für das Profil der Partei
Doris Neujahr
Sandra Maischberger hatte die Nase voll. Normalerweise schafft sie es in ihrer nt-v-Sendung, auch Langweilern wie Roland Koch, Christian Wulff oder Guido Westerwelle interessante Nuancen zu entlocken, doch gegen den autistischen Redeschwall der Grünen-Chefin Claudia Roth kam sie nicht an. Sie war einfach zu höflich, um auf den groben Klotz den scharfen Keil zu setzen. Roth hatte Jörg Haiders „Taferl“-Methode übernommen und eine Papptafel mit Terminangaben ins Studio gebracht, die beweisen sollten, daß „der Joschka“ mit dem mutmaßlichen Import von Zwangsprostituierten aus der Ukraine nichts, aber auch gar nichts zu tun hat. „Der Joschka!“ sagte Claudia Roth immer wieder und wollte wohl ausdrücken: So menschlich, so familiär geht es bei den Grünen zu! Die Zuschauer dürften eher an den Satz von Karl Kraus gedacht haben, wonach das Wort „Familienbande“ den Beigeschmack von Wahrheit habe. „Wir müssen das jetzt abkürzen, denn gleich kommt Herr Glos“, sagte Sandra Maischberger. Man sah ihr an, daß sie sich auf den CSU-Mann freute.
Claudia Roth ist die Co-Vorsitzende einer Regierungspartei, sie nimmt an den Koalitionsrunden im Kanzleramt teil, sitzt im Außenpolitischen Ausschuß des Bundestags, redet im Plenum und verbreitet ihre Meinung in Talkshows und Interviews. Zwar ist sie nur die „Untervorsitzende“ unter Übervater Joschka, doch zugleich ist sie für dessen System eine unverzichtbare Stütze. Denn Joschka gilt selbst in den eigenen Reihen als Egomaniak, Claudia Roth aber ist eine Königin der Herzen. Die Attribute, die man ihr zuschreibt, lauten: authentisch, unmittelbar, unverbogen, emotional, mitfühlend, spontan. Selber nennt sie sich „menschlich, direkt und kompromißlos“ - das heißt, mit diesen Worten hat sie Jesus Christus charakterisiert, was aber praktisch auf dasselbe hinausläuft.
In der Partei und der Öffentlichkeit beansprucht sie den Platz, der seit dem Tod von Petra Kelly verwaist ist. Zwischen beiden liegen jedoch Welten: Kelly war hochintelligent, ihre Emotionalität enervierend, aber nie berechnend. Roth ist bauernschlau statt klug, ihre Stimme klingt absichtlich aufgeregter, als die Sache, über die sie spricht, das rechtfertigt. Sie profiliert sich als allseits betroffene Persönlichkeit. Der FAZ-Journalist Thomas Schmid, ein Kenner der grünen Pappenheimer, nannte sie eine „Quietschente“, was heißen soll: innen hohl, außen niedlich, im Grunde harmlos.
Doch harmlos ist es eben nicht, wenn eine Person wie Roth die deutsche Politik mitbestimmt. Sie wurde 1955 in Ulm geboren, studierte Theaterwissenschaften, war danach an kleinen Bühnen und später als Managerin der Rockband „Ton Steine Scherben“ tätig. Die Band ging 1985 pleite, Roth sagt, sie löste sich nach „demokratischen Beschluß“ auf. Danach war der Sänger Rio Reiser als „König von Deutschland“ erfolgreich - ohne Roth.
Unter dem taz-Artikel, der das Ende der Gruppe vermeldete, stand eine Anzeige der Grünen, die eine Pressesprecherin suchten. Da entschloß sich Claudia Roth, Politikerin zu werden. Ihre Karriere verlief steil: Von 1989 bis 1998 war sie Abgeordnete im Europa-Parlament, seit 1998 sitzt sie - mit Unterbrechung von März 2001 bis Dezember 2002 - im Bundestag. Sie war Menschenrechtsbeauftragte im Auswärtigen Amt, zweimal wurde sie zur Parteivorsitzenden gewählt. Seit zwanzig Jahren gehört sie zum politischen Apparat dieser Republik. Eine schöne Pension ist ihr damit schon einmal sicher.
Claudia Roth ist die deutsche Lisa Simpson
Wer in ihren Reden und Artikeln nach geistiger Substanz sucht, stößt auf Wortmüll wie „postmoderne Gesellschaften“ und „multikulturelle Demokratie“. Im übrigen befleißigt sie sich einer infantilen Bildersprache, die dem transportierten Inhalt adäquat ist. Ihren Traum einer Zukunftsgesellschaft stellte sie auf einem Parteitag folgendermaßen dar: Sie radelt mit dem Fahrrad über die Autobahn, links grüßen Windräder, rechts küßt sich ein Schwulenpärchen, dem sie zuwinkt, und das Ziel ist ein multikulturelles Straßenfest. Wer die Chose bezahlen soll, sagte sie nicht.
Lieber redet sie von „Betroffenen“, für die sie „permanent Druck“ macht und „eine Menge erreicht hat“. Sie schwärmt von der „frischen Politik“ und den „wahnsinnig tollen Programmen“ der Grünen und zürnt über diejenigen, die nicht begriffen, „wie sich die Gesellschaft verändert hat“. Am Aschermittwoch 2002 rief sie aus: „Für die Frau gilt nicht mehr Kirche, Küche und Kinder, wir Grünen wollen für die Frauen Karriere, Kinder und andere Kerle.“ Roth ist ledig und kinderlos. Einer türkischen Zeitung erklärte sie, daß sie nichts gegen die Heirat mit einen türkischen Mann hätte. Prompt trafen Heiratsanträge bei ihr ein, die aber nicht verfingen. Wie schade! Diesen Kampf der Kulturen hätte man gern erlebt.
So verbringt sie weiter ihre Zeit damit, Unsinn zu verbreiten. „Der Volmer-Erlaß war absolut richtig“, findet sie, denn er habe „Härtefälle“ bei „Familienzusammenführungen“ verhindert. „Die Verfahren, die mit großer krimineller Energie zu Schleusungen ausgenutzt wurden, waren nicht Teil des Volmer-Erlasses.“ So ist es immer bei Roth & Co.: Wir sind die Guten! Die Verantwortung für Risiken und Nebenwirkungen unserer Handlungen weisen wir daher schärfstens zurück!
Wenn sie in Talkshows sitzt und die Kamera auf sich gerichtet weiß, reißt sie die Augen weit auf: Die Augen, das hat sie beim Studium gelernt, sind der Spiegel der Seele - und Claudia will, daß alle ihre edle Seele sehen können. Ihr Mund ist halboffen, und zwar aus Zorn über die Ungerechtigkeit in der Welt. Es heißt, daß sie italienische Brecht-Inszenierungen mag. Noch mehr mag sie Fellinis Film „La strada“, was freilich ein riesiges Mißverständnis ist: In den angstvoll geweiteten Augen der kleinen Gelsomina (Giulietta Masina) wird ein Schmerz sichtbar, dessen existentielle Tiefe am Ende durch den Tod beglaubigt wird.
Roths Schmerzensausdruck ist dagegen ein kalkulierter. Sie will sich nicht opfern, sondern bloß Mehrheiten sammeln. Ihr Blick ist denn auch trübe und stumpf vor Berechnung, selbst wenn die Augen feucht werden - und sie werden oft feucht. Giulietta Masina hatte in ihrem Gesicht ein existentielles Drama zur Anschauung gebracht, Roth versucht ihre persönlichen Affekte künstlich zum Existenzdrama hochzustemmen. In Wahrheit steht sie in der Tradition von Maria Schell, dem verheulten „Seelchen“ des deutschen Nachkriegsfilms.
Wegen Roth postfeministischer Camouflage fällt das nicht weiter auf. Sie spielt die Frau, die sich ihre Weiblichkeit bewahrt, die aber „ihren eigenen Weg geht“, die sich „einmischt“, „engagiert“, die „aktiv“ ist, die ihre innere Bewegung nicht versteckt, sondern „einbringt“. Dieses Einbringen erfolgt - neben dem halboffenen Mund - durch ein konsequentes Wimpernklimpern, das ihren schrillen Wortkaskaden vorausgeht. Das ist der Moment der Wahrheit: Claudia Roth ist die deutsche Lisa Simpson, eine fleischgewordene Wiedergängerin der ewigen Nervensäge aus der amerikanischen Trickfilmserie.
Nur, die kleine Lisa ist erst acht und kann sich noch entwickeln. Claudia Roth wird bald fünfzig und spielt sich immer noch als frischverliebter Backfisch auf. Ob sie nun gutgelaunt durch eine Nostalgie-Show von RTL tänzelt oder an der Seite von SPD-Chef Franz Müntefering zur Pressekonferenz erscheint, macht keinen Unterschied. Winke-winke, pelzbesetzter Blazer, albernes Lachen hier, freudiges Wiedererkennen da, fehlt nur noch das Kußhändchen. Claudia Roth, eine Kindfrau mit erfahrungslosem Apfelwangengesicht, forever young, Petra Pan, eine Kitschfigur aus der Retorte der Popkultur.
Roth steht emblematisch für den diskursiven Alarmismus
Sie würde gut in einen naiven Märchenfilm passen. Statt dessen untersteht sie sich, bei Erwachsenenthemen mitzureden, unter anderem beim EU-Beitritt der Türkei. Man dürfe die Türkei nicht „ausgrenzen“, keift sie bei jeder Gelegenheit. Ausgrenzen - das gehört sich bloß bei Neonazis. Was ist das für ein primitiver, manichäischer Ansatz von Außenpolitik! Spätestens da beginnt das Versagen der anderen Politiker. Warum stürmt Angela Merkel nach einem Roth-Auftritt nicht an das Mikrophon des Bundestags und gibt ihr - frei nach Friedrich dem Großen - Bescheid: „Frau, lerne erst denken, bevor Du zu reden beginnst!“ Und Friedbert Pflüger könnte Wilhelm Busch zitieren: „Oft vereinigt ein Gemüte / Dämlichkeit mit Herzensgüte!“
Roths Aufstieg in der Politik ist Indikator einer politischen Regression, die in den achtziger Jahren einsetzte. Damals wurde die Bundesrepublik zum „Puppenhaus im Wohlstandstango, bevölkert von Märchenprinzen, Quotenfrauen und Peaceniks, in (dem) sich die notorisch von schlechtem Gewissen geplagte Mittelschicht auf der Suche nach Sinn in aberwitzige Zukunftsszenarien hineinsteigerte“ (Cora Stephan). Die deutsche Selbstthematisierung im Schatten des Dritten Reiches führte zu einem primitiven Moralismus und dieser zu einem politischen Manichäismus, dessen negativer Bezugspunkt die „deutsche Gefahr“ war. Deutsche Politik sollte jetzt „weich“ sein, wichtiger als Fachwissen wurde die „Glaubwürdigkeit“, und am „glaubwürdigsten“ erschien, wer „authentisch“ war, wer „Gefühle“, respektive „Betroffenheit“ zeigte. Das war die Chance einer mediokeren Figur wie Roth. Wohlwollende Beobachter sehen im Erfolg der Grünen die gelungene Resozialisierung eines halbintellektuellen Subproletatariats. In Wahrheit hat sich die Asozialisierung der deutschen Politik vollzogen.
Der diskursive Alarmismus, eine Abart des politischen Ausnahmezustandes, ist das Lebenselixier der Politikszene, für die Roth emblematisch steht. Sie kann gar nicht anders, als ihn immer weiter eskalieren zu lassen. Gegen Möllemann und Hohmann fuchtelte Roth mit dem Volksverhetzungsparagraphen herum und stellte Strafanzeige. Kardinal Meisner warf sie vor, er würde die „existentiellen Nöte“ der abtreibenden Frauen ignorieren. Der Schwangerschaftsabbruch ist für die Frauen ernst, existentiell ist er hingegen für den Fötus - ein Unterschied, den Roth nicht begreifen kann. Natürlich schwant ihr, daß, würde man Meisners Verstand gleichmäßig auf fünf Personen verteilen, jede einzelne ihr intellektuell immer noch überlegen wäre. Auf eine Diskussion, die den Namen verdiente, kann sie sich also nicht einlassen.
Die Maischberger-Sendung war in dieser Hinsicht aufschlußreicher, als es der Moderatorin bewußt war. Maischbergers unerschütterliches, spöttisches Lächeln zeigte Roth, daß ihre gutmenschelnde Frauenpower ins Leere ging. Das war für sie neu, für diese Situation stand ihr weder ein verbales noch mimisches Repertoire zur Verfügung. Ihre Rede lief Amok, und das penetrant naive Apfelwangengesicht zerfloß ins Konturenlose. Übergangslos war aus Petra Pan eine keifende Vettel geworden. Politisch ist Claudia Roth eine Frucht, die nie reif, sondern vor der Reife faul geworden ist. Wohin faule Früchte gehören, ist bekannt.
Stichwort: Grünen-Vorstand
Das politische Tagesgeschäft von Bündnis 90 / Die Grünen wird durch den sechsköpfigen Bundesvorstand bestritten, der aus einer Doppelspitze, der politischen Geschäftsführerin (Steffi Lemke), dem Bundesschatzmeister (Dietmar Strehl) und zwei Beisitzern besteht. Bei der Neuwahl des Vorstandes im Dezember 2002 konnten die damaligen Vorsitzenden Claudia Roth und Fritz Kuhn nicht mehr antreten, nachdem die Parteibasis einen Antrag auf Abschaffung der Trennung von Amt und Mandat abgelehnt hatte und beide auf ihr Bundestagsmandat nicht verzichten wollten. Erst eine Urabstimmung lockerte die strikte Regelung und ermöglichte auch Parlamentariern die Wahrnehmung von Vorstandsämtern. Roth konnte so im Oktober 2004 erneut, dieses Mal zusammen mit Reinhard Bütikofer, den grünen Parteivorsitz übernehmen.
Foto: Grünen-Vorsitzende Claudia Roth: „Wie eine ‘Quietschente’ - innen hohl, außen niedlich, im Grunde harmlos“
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