Ärger um den Öko-Sprit (EurAmS) Sonntag 11. Dezember 2005, 12:46 Uhr Die neue Regierung will Biokraftstoffe wieder besteuern. Die Branche würde das hart treffen, die Aktien haben schon entsprechend reagiert. Warum vielleicht doch noch alles gut wird Willie Nelson gilt nicht als Anhänger von George W. Bush. In einem Punkt aber liegen der Präsident und der populäre Country-Sänger auf einer Linie: beim Treibstoff.
Nelson ist der bekannteste Lobbyist für den grünen Kraftstoff in den Vereinigten Staaten. Mit seiner Firma Bio Willi verkauft er den Biosprit. Und Bush hat im August ein Gesetz erlassen, nach dem 2006 mindestens vier Milliarden Gallonen (eine Gallone sind 3,785 Liter) Biokraftstoff in den USA ANZEIGE produziert werden müssen. Bis 2012 soll die jährliche Menge sogar auf 7,5 Milliarden Gallonen ansteigen. Um sich unabhängiger vom Ölmarkt zu machen, fördern die USA Energie aus Biomasse und Biokraftstoffen jährlich mit 360 Millionen Dollar. Ausgerechnet das in Umweltfragen so ignorante Amerika ist Deutschland da einen Schritt voraus.
In den Staaten wird der Sprit überwiegend aus Getreide hergestellt, hierzulande aus Raps oder Zuckerrüben. Und so entspannt wie in den USA sind die hiesigen Hersteller des grünen Benzins auch nicht. Über eine Gallionsfigur wie Willie Nelson würden sie sich derzeit sehr freuen. Denn deutsche Politiker diskutieren das Ende der Steuerbefreiung für Öko-Treibstoff.
Bis 2010 sollen 5,75 Prozent des gesamten Kraftstoffverbrauchs in den EU-Staaten von Bioanbietern kommen. Um dieses Ziel zu fördern, war Biokraftstoff deshalb in Deutschland bisher von der Steuer befreit. Auf Grund der extrem hohen Benzinpreise in den vergangenen Monaten wechselten viele Autofahrer zumgünstigeren Öko-Treibstoff. Was kaum jemand weiß: Auch im normalen Diesel und Benzin darf Biodiesel oder Ethanol drinsein. Das Gesetz erlaubt es, daß bis zu 5,75 Prozent beigemischt werden können. Für die großen Mineralölgesellschaften ist dies natürlich eine Einladung, ihre Erträge zu maximieren. Die Raffinerien mischten den steuerfreien Kraftstoff bei, gaben den Steuervorteil jedoch nicht an die Endverbraucher weiter. Branchenkenner gehen davon aus, daß in Deutschland bisher rund zwei Prozent hinzugemixt wurden. Da der neue Finanzminister Peer Steinbrück nun seinen maroden Haushalt sanieren will, plant er, die Steuerfreiheit wieder abzuschaffen. Rund 1,7 Milliarden Euro will Steinbrück 2007 durch diese Maßnahme mehr einnehmen. Vor allem für Investoren der beiden Börsendebütanten EOP Biodiesel (Xetra: A0DP37 - Nachrichten) und Biopetrol ist die aktuelle Diskussion schmerzhaft. EOP hat mittlerweile rund 50 Prozent von seinem Höchstkurs eingebüßt.
Die Frage ist nun, wie Steinbrück die Besteuerung gestaltet. "Wenn alles so bliebe wie bisher und der Biokraftstoff ganz normal versteuert würde, steht die gesamte Branche vor dem Aus", prophezeit Karin Retzlaff, stellvertretende Geschäftsführerin des Verbands der Deutschen Biokraftstoffindustrie. Wie aus Regierungskreisen jetzt durchsickerte, soll es so weit nicht kommen. Fest steht: Das Steuerprivileg wird im Juli 2006 abgeschafft. In der Diskussion ist jetzt aber eine Lösung, mit der sich der Schaden in Grenzen hält. Dabei sollen die Mineralölkonzerne zur Beimischung gezwungen werden. Der verwendete Öko-Sprit würde ganz normal mit 47 Cent je Liter Diesel und 65 Cent je Liter Benzin besteuert. Dies soll aber nicht für den reinen Biodiesel an der Zapfsäule gelten. Da er in der Herstellung bisher noch viel teurer ist, soll der Treibstoff nur so besteuert werden, daß er gegenüber dem normalen Diesel konkurrenzfähig bleibt. "Ab (ABHG.OB - Nachrichten) einem Ölpreis von 100 Dollar pro Faß wäre Biotreibstoff schon mit heutiger Technologie konkurrenzfähig", erklärt Engergie-Experte Josef Auern von der Deutschen Bank (Xetra: 514000 - Nachrichten) .
In Berlin wird derzeit über eine Besteuerung bei reinem Biodiesel von zehn Cent je Liter diskutiert. "Ohne finanziellen Anreiz tankt kein Mensch mehr reinen Biodiesel", so Karin Retzlaff. "Der Markt wäre sofort tot. Eine Besteuerung von zehn Cent ist schon hart an der Grenze, zumindest was den Verkauf an den Tankstellen angeht."
Die Hersteller von Biodiesel und Ethanol könnten dennoch mit dieser Vorgabe leben. Sollte die Beimischungspflicht kommen, bräuchten sich die Biokraftstoff-Produzenten keine Sorgen zu machen, daß sie auf dem Sprit sitzenbleiben. Durch die steigende Nachfrage der Ölkonzerne würde der geringere Verkauf an den Tankstellen mehr als kompensiert werden. Derzeit entfallen 20 Prozent der Biodiesel-Umsätze auf die Zapfsäulen. Die 30000 Jobs, die direkt und indirekt am Biokraftstoff hängen, wären so nicht gefährdet. Verlierer gibt es trotzdem: Für Spediteure, die ihre Fahrzeuge umgerüstet haben, rechnet sich die Investition künftig nicht mehr. Betroffen wären auch die 1900 Tankstellenbetreiber, die eine Zapfsäule für Biodiesel besitzen. "Wenn die Preisdifferenz zwischen Biodiesel und Diesel weiter abnimmt, wird der Biodiesel-Absatz einbrechen", erklärt der westfälische Mineralölgroßhändler Robert Friederichs. Da bleibt nur der neidvolle Blick in die USA.
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