Ein Hurra für Angela Merkels Aussenpolitik Jubelrufe für die deutsche Kanzlerin: Den «Spiegel» erinnert Angela Merkels Aussenpolitik an die «Kühnheit» Willy Brandts. Und «Die Welt» meint, die deutsche Kanzlerin setze «aussen- politische Massstäbe». VON Fritz Dinkelmann Berlin «Staunen - dreimal», titelte der «Spiegel» in einem Kommentar über den Auftritt «einer Aussenpolitikerin, mit der so nicht zu rechnen war». Angetreten sei Angela Merkel, «das Land im Innern zu reformieren. Nun packt sie unversehens weltweit an.» Zu besichtigen sei «eine Instinktpolitikerin, die ihre fehlende Erfahrung ganz offensichtlich durch Talent zu ersetzen vermag». Und dann kommt der Kommentator auf den für ihn springenden Punkt: «Das Erstaunen über Merkel fällt umso grösser aus, als sie nicht nur unfallfrei über die roten Teppiche stapft, sondern in der bisherigen Kürze ihrer Kanzlerschaft das Land wieder dorthin geführt hat, wo es hingehört - an die Seite Amerikas. Die Russen werden dabei nicht verprellt, wohl aber zurückgestuft ...»Auch «Die Welt» gratuliert Angela Merkel dafür, dass sie die Beziehungen zwischen der EU und den USA «substanziell vertiefen» wolle - das sei «unverzichtbar für die Zukunftsfähigkeit des Westens». Ihr Besuch zum EU-USA-Gipfel in Washington habe «aussenpolitische Massstäbe» gesetzt. Es spreche für die Kanzlerin, so «Die Welt», dass «sie sich von der konjunkturellen irrationalen Antistimmung gegen die USA nicht beeindrucken lässt». Merkels Vorstoss, transatlantische Handels- und Wirtschaftshemmnisse zu beseitigen und eine gemeinsame Wirtschaftszone anzupeilen, sei «klug und weitsichtig», weil man einem Konkurrenten wie China nicht isoliert begegnen könne, sondern nur mit einem gemeinsam agierenden Westen. Und der Osten? «Die heutigen Sozialdemokraten», so «Die Welt», «träumen davon, durch eine enge strategische Partnerschaft mit Russland Abstand von den USA und Spielraum für eine Art von weltpolitischem drittem Weg zu gewinnen», doch Putins jüngstes Verhalten «störe diesen Traum «empfindlich». Auch der «Stern» attestiert Angela Merkel, eine richtige Politik richtig gut umzusetzen. Ihr «Harmoniekurs» gegenüber den USA sei inhaltlich berechtigt und funktioniere prima, und dass sie die transatlantische Wirtschaftspartnerschaft vorantreibe, verdiene ein «Hurra!». Und wenn die Kanzlerin beim G-8-Gipfel «dem wütenden Putin» gegenübertrete, könne sie «mit Bush auf dem Gipfel demonstrativ den Schulterschluss üben». Dies werde Merkel auch nicht schwer fallen, weil sie «die frappierende Nachsichtigkeit ihres Vorgängers Schröder gegenüber dem Russen» aufgegeben habe. Diesem Vorgänger Gerhard Schröder wird von der «Berliner Zeitung» immerhin attestiert, dass sein «lautes Nein zum Irakkrieg» Deutschland «aus dem Vasallentum gegenüber den USA» befreit habe, und «Angela Merkel profitiert nun von dieser neuen Freiheit».In den Fussstapfen von Brandt?Angesichts der «Zumutungen der Globalisierung», so der «Spiegel», «probiere Merkel derzeit etwas, «was in dieser Kühnheit zuletzt Willy Brandt» gewagt habe, als er die Entspannungspolitik gegenüber dem Ostblock praktizierte - nach dem Prinzip «Wandel durch Handel». Merkel, und das sei die Parallele, «entwickelte aus eigenem Antrieb die Grobskizze einer Globalisierungspolitik, die auf eine Kooperation von Europäern und Amerikanern setzt».
Und was meint die «Bild»-Zeitung? Das Boulevardblatt zitierte gestern Ségolène Royal, die im TV-Duell mit Rival Nicolas Sarkozy Angela Merkel «nachgemacht» habe, sich auf sie berufen und sie sogar zitiert habe mit dem Satz «Ich will Frankreich dienen». Mit dem Satz «Ich will Deutschland dienen» zog Merkel vor knapp zwei Jahren in den Wahlkampf.Doch wo sind Antworten zur EU?Laut dem jüngsten ARD-Deutschlandtrend sind 65 Prozent der Bevölkerung mit der grossen Koalition zwar nicht sehr zufrieden, aber mit der Arbeit der Kanzlerin sind 70 Prozent «sehr zufrieden». Deutlich zurückhaltender als andere deutsche Medien beurteilt die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» die Aussenpolitikerin Merkel. Dies hauptsächlich darum, weil «das Zutrauen zur Führungsfähigkeit Deutschlands» zwar «zweifellos schmeichelhaft» sei, dieses Zutrauen aber «schnell in Enttäuschung umschlagen» könne. «Merkel wird zwar in Europa viel zugetraut, und von ihrer Führungsfähigkeit wird noch mehr erwartet», aber für wesentliche Fragen Europas habe Merkel noch keine Antworten, etwa: «Welche politische Gestalt soll die Union in zehn, zwanzig oder dreissig Jahren haben und welche nicht?», «Wo sollen die Grenzen verlaufen, mit wie viel Macht soll - vielleicht sogar: muss - die Union im 21. Jahrhundert ausgestattet werden?».Angela Merkel wird von den Medien in den höchsten Tönen gelobt. http://www.shn.ch/pages/artikel.cfm?id=185371
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