Sehr einfühlsamer Artikel und vielleicht bekommt ja der eine oder andere nach der Lektüre eine etwas diffrenziertere Sichtweise!!
An vielen Schulen sind sie fast unter sich: Migranten aus Unterschichtfamilien. Ohne Bezug zu anderen Nationalitäten, ohne Chance. Lehrer erzählen im Tagesspiegel.
Vor 20 Jahren war das anders, da waren in den Klassen häufig noch 50 Prozent deutsche Kinder, und die aus Einwandererfamilien kamen aus verschiedenen Kulturen. Viel wichtiger aber war, dass die Kinder aus unterschiedlichen sozialen Schichten stammten. Alle haben gut Deutsch gesprochen und hatten andere Einblicke ins Leben, weil sie eben auch mal bei einem Mitschüler zu Hause waren, wo der Vater Physiker war oder Gerüstbauer. Heute wissen sie nicht, was ein Maurer ist. Einfach, weil es in ihrem Umkreis keine Männer gibt, die Maurer sind. Vor 20 Jahren konnten selbst Schüler aus hoch problematischen Familien ihren Weg gehen und haben gute Ausbildungen gemacht. Die hätten heute keine Chance mehr. Viele sagen: Wir haben keine Probleme mit deutschen Kindern. Sie haben ja auch gar keinen Kontakt zu deutschen Kindern. Und auch nicht mit türkischen oder arabischen Kindern aus der Mittelschicht. Denn die sind auch längst weggezogen. Die zurückgebliebenen Familien leben wie auf einer Insel mitten in Berlin. Deutschland kennen die Kinder nur von ihren Lehrern und aus den Privatsendern des Fernsehens.
Kinder aus Mittelschichtfamilien können ihren Namen schreiben, wenn sie eingeschult werden, sie sind in der Motorik weiter, weil die Väter mit ihnen Fußball spielen oder mal einen Ausflug in den Wald machen. Unsere Schüler kommen kaum raus aus ihrem Kiez. Der Vorsprung, den Mittelschichtkinder haben, mit denen sie später um die Arbeitsplätze konkurrieren müssen, ist so gewaltig, dass sie ihn nie aufholen können. Wir versuchen, den Horizont der Kinder zu erweitern, indem wir viel mit ihnen aus dem Kiez rausgehen, Museen besuchen, ins Theater gehen, Klassenfahrten machen. Dennoch können wir Lehrer die Benachteiligung allein nicht ausgleichen. Auch wenn die Kinder ab dem dritten Lebensjahr in die Kita gehen oder später in eine Ganztagsschule, ändert das nur wenig, solange sie dort den ganzen Tag nur mit anderen Kindern aus dem gleichen Milieu zusammen sind. Dann lernen sie auch kein Deutsch und sprechen Ghetto-Slang: „Ich geh Aldi“, „Frau Wilhelm, haben wir heute mit Sie?“ Auch wenn sie es richtig können, reden viele so, weil die Kiezsprache als cool gilt und ihnen ein Stück Identität und Zugehörigkeit gibt.
www.tagesspiegel.de/berlin/Integration-Schule;art270,2518192
|