Von Philip Faigle | © ZEIT ONLINE 29.4.2009 - 13:57 Uhr
* Schlagworte: * Wirtschaft und Konjunktur * Konjunktur * Volkswirtschaft * Krankheit
Krankheiten wie die Amerikanische Grippe können die Weltwirtschaft kurz und hart treffen. Wie gravierend der Schaden diesmal sein wird, ist noch ungewiss Zwei Mitarbeiter einer Basilika in Mexiko City
Zwei Mitarbeiter einer Basilika in Mexiko City
© Luis Acosta/AFP/Getty Images
Es mag zynisch klingen, über die Auswirkungen einer Grippewelle auf die Weltwirtschaft zu spekulieren, während Menschen sterben. Dennoch geht eine Angst an den Börsen der Welt um: Könnte eine Grippe-Pandemie, ausgelöst durch das Influenza-Virus A/H1N1, die ohnehin von der Finanzkrise getroffene Weltwirtschaft weiter hinabziehen?
Eine These lautet: Sie kann, wenn auch nur kurz. "Pandemien können erhebliche Auswirkungen auf die Wirtschaft haben – aber nicht auf Dauer", sagt Boris Augurzky, Gesundheitsfachmann des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung in Essen. Der Ökonom hat untersucht, wie groß die wirtschaftlichen Schäden waren, die vergangene Pandemien verursacht haben. Sein Fazit: Zwar kann eine Pandemie das Wachstum der Weltwirtschaft kurzfristig um ein bis fünf Prozent drücken. Die Kraft, einen längeren Abschwung herbei zu führen, hat sie aber nicht. Anzeige
Als Beleg führt Augurzky unter anderem die Seuche Sars an. Die Lungenkrankheit brach 2003 in Südostasien aus. Rund 1000, vor allem ältere Menschen starben, bis die Seuche nach vier Monaten eingedämmt wurde. Zwar rutschten kurz darauf Singapur und Hongkong in eine Rezession. Das Tourismusgeschäft in den betroffenen Regionen brach zeitweise um 70 Prozent ein, der Einzelhandel um 30 Prozent. Am Ende kostete die Lungenkrankheit die Länder im Osten und Südosten Asiens nach Schätzungen der Asiatischen Entwicklungsbank rund 18 Milliarden Dollar. Nach einem Jahr jedoch hatten sich die betroffenen Volkswirtschaften wieder erholt, die Weltkonjunktur blieb weitgehend verschont.
Eine Erklärung hierfür geht so: Die Menschen schränken ihren Konsum wegen einer Pandemie nicht ein, sondern verschieben ihn nur auf später, wenn die akute Gefahr gebannt ist. Anders als bei Naturkatastrophen bleiben die Fabriken, Maschinen und Infrastruktur erhalten. Ist die Krankheit eingedämmt, können die Menschen wieder zur Arbeit gehen. Tatsächlich, sagt Rolf Langhammer, Vizepräsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, wuchs die globale Wirtschaft bis 2007 "fantastisch – trotz Vogelgrippe und Sars".
Das tröstet keinesfalls über die kurzen ökonomischen Leiden hinweg. Die Angst vor der neuen Virus-Variante von H1N1 hat die Wirtschaft erfasst. China, der größte Konsument von Schweinefleisch, untersagt mittlerweile die Einfuhr von lebenden Tieren. Ebenso wie Russland verbietet das Land auch den Import von Schweinefleisch aus Mexiko und Teilen der USA – und das, obwohl der Erreger bisher bei keinem Tier nachgewiesen wurde. Das lähmt den Welthandel weiter. Touristikunternehmen – auch die deutsche TUI und Thomas Cook – streichen Flüge nach Mexiko-Stadt und müssen andere Flieger umleiten.
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