Bilanzfehler in Millionenhöhe: Was wird aus dem Imperium von Medienmogul Georg Kofler? Das Berliner Unternehmen The Social Chain AG hat fälschlicherweise eine positive Bilanz ausgewiesen. Der Börsenkurs ist im Keller. Aktionäre könnten Schadensersatz geltend machen.
Georg Kofler bei einer Benefizgala im ZDF im Dezember letzten Jahres.Ervin Monn/Imago Ist es das unrühmliche Karriereende eines Medienmoguls? Georg Kofler, einst Chef von ProSieben sowie Gründer etlicher Fernsehsender und TV-Formate, hat den Zorn von Aktionären auf sich gezogen.
Denn die Finanzaufsicht Bafin hat millionenschwere Fehlbuchungen in der Bilanz für 2021 von Koflers Unternehmens The Social Chain AG festgestellt. Die E-Commerce-Firma hat laut Bafin den operativen Cashflow deutlich zu hoch ausgewiesen. Bereinigt um die von der Bafin angemahnten Fehlbuchungen liegt der operative Cashflow plötzlich bei minus 38 Millionen Euro. Es steht der Verdacht im Raum, dass sich das Unternehmen gesundgerechnet hat: Denn aufgrund der Fehlbuchungen hatte The Social Chain AG für 2021 einen positiven operativen Cashflow von 22,9 Millionen Euro ausweisen können. Der operative Cashflow gilt als wichtige Kennziffer zur Beurteilung von E-Commerce-Unternehmen. Aktionäre richten ihre Kaufentscheidung daran aus.
• Aktionärsvertreter: „Jeder Student weiß, wie man Bilanzen aufstellt“ Die sind aufgebracht: „Der operative Cashflow eines Unternehmens ist eine der wichtigsten Kennziffern für Investoren, da er ein wichtiger Indikator für die operative Leistungsfähigkeit ist“, erklärt Daniel Bauer, Vorstandsvorsitzender der Schutzgemeinschaft für Kapitalanleger (SdK), im Gespräch mit der Berliner Zeitung. „Das man anscheinend Einnahmen aus Aktienverkäufen und aus der Aufnahme fälschlicherweise in den operativen Cashflow bucht, obwohl jeder Student der Wirtschaftswissenschaften nach dem dritten Semester wissen sollte, dass diese dem Cashflow aus Finanzierungstätigkeit zuzuordnen sind, erschreckt.“ Durch die Fehlbuchung habe man die wirtschaftliche Situation des Unternehmens deutlich besser erscheinen lassen, als diese tatsächlich gewesen sei. „Für mich ist so ein Fehler nicht nachvollziehbar, und dieser lässt sich aus meiner Sicht mit Fahrlässigkeit nicht erklären“, erklärt Bauer. Für das Unternehmen könne es gravierende Folgen haben, sicher würden einige Aktionäre über die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen nachdenken. „Das dies gerade bei einer Unternehmung von Herrn Kofler geschieht, hinterlässt einen faden Beigeschmack“, sagt Bauer. „Schon zu seiner Zeit bei der Premiere AG gab es aus unserer Sicht zweifelhafte Darstellungen in Bezug auf die Anzahl der Abonnenten.“ Kofler hatte sein Vermögen damit gemacht, den in die Jahre gekommenen Pay-TV-Sender Premiere 2005 an die Börse zu bringen. Beim Börsengang war der 2,5 Milliarden Euro wert. Später stürzte der Kurs um 50 Prozent ab, als der Sender einräumen musste, die Abozahlen zu hoch ausgewiesen zu haben. Doch da hatte Kofler seine Anteile im Wert von rund 200 Millionen Euro schon verkauft. Bei der Gründung des Unternehmens The Social Chain AG hatte Kofler mehr als 100 Millionen Euro von Investoren eingeworben. Er wollte zusammen mit Ralf Dümmel, mit dem er zusammen als Juror in der Vox-TV-Show „Die Höhle der Löwen“ auftrat, eine Kombination von Social Media und Onlinehandel ein Milliardenunternehmen im Stile einer „Kombination aus Facebook und Amazon“ schaffen. Wie das Manager Magazin in einem ausführlichen Bericht darstellte, ist von Koflers und Dümmels geplantes Firmenimperium „bald nicht mal mehr der Firmenname übrig“. Das Geschäft gründe auf einem defizitären und schrumpfenden Handelsgeschäft, die Mehrheit des Umsatzes werde nicht digital, sondern profan im stationären Handel erwirtschaftet. Im Juni war die Firma keine 40 Millionen Euro mehr wert, der Aktienkurs ist von seinem Höhepunkt im November 2021 von 54 Euro auf 1,75 Euro gerauscht. Ab Herbst soll es dann Schwamm drüber heißen. The Social Chain AG wird dann in Tomorrow Now Group umbenannt.
|