Ausgewählte Werte am Neuen Markt versprechen mittelfristig Kursaufschläge
Experten setzen auf Solidität statt Phantasie
Die Indizes am Neuen Markt haben seit den Tiefstständen im September rund 60 Prozent zugelegt. Rückschläge gelten als wahrscheinlich. Um so wichtiger ist es, auf die richtigen Werte zu setzen. Doch welche sind das? Manche Namen fallen bei Umfragen unter den Experten immer wieder.
JOSEF HOFMANN HANDELSBLATT, 29.10.2001
FRANKFURT/M. Stock Picking heißt neudeutsch die einfachste Strategie, an der Börse Gewinne zu machen. Denn es bedeutet nichts anderes, als die richtigen Werte zu finden und auf sie zu setzen. Dass die Umsetzung dieser Strategie jedoch weitaus schwieriger ist, zeigt eine Umfrage des Handelsblattes bei Banken und Research-Häusern. Denn nur bei rund zehn Werten des Neuen Marktes glauben mindestens zwei der befragten Institute daran, dass mit diesen Aktien mittelfristig überdurchschnittliche Gewinne zu erzielen sind. In vielen anderen Fällen dagegen ist die Favoritenrolle eines Wertes auf lediglich ein Expertenteam beschränkt.
Auffällig ist, dass sich unter den Empfehlungen, auf die sich mehrere Analysten einigen können, bis auf die beiden Biotech-Werte Eurofins und Rhein Biotech nur Gesellschaften finden, die auch im Auswahlindex Nemax 50 vertreten sind. Ein Grund für die Konzentration auf die großen Titel ist, dass diese über eine Marktkapitalisierung und Handelsvolumina verfügen, die auch für institutionelle Investoren interessant ist: „Liquidität ist ein entscheidender Punkt. Von der Nasdaq wissen wir, dass die 30 größten Werte einen Bewertungsaufschlag bekommen“, sagt Dieter Schwarz von Consors. Die meisten Experten setzen zusätzlich auf Gesellschaften, die entweder bereits in der Gewinnzone sind oder zumindest „einen nachvollziehbaren Weg dahin aufzeigen können“, erläutert Robert Suckel von SES Research. Solidität vor Phantasie lautet anscheinend das Motto nach dem Kurseinbruch bis Mitte September.
Auf den meisten Empfehlungslisten befindet sich Qiagen. Die Aktie des Biotech-Unternehmens war im September nach einer Gewinnwarnung auf unter 14 Euro gestürzt – nach dem Geschmack von Julius-Bär-Experte Ingo Queiser ging der Absturz zu weit. Mittlerweile notiert das Papier wieder bei rund 20 Euro, als Zielkurs nennt Julius Bär 30 Euro. Gelobt werden bei dem Wert die guten Wachstumsaussichten und die „ausgezeichnete Marktstellung“, so die Experten von Equinet.
Auf Position zwei findet sich auch ein Wert, der mit Sicherheit zu den solideren am Neuen Markt gehört: Thiel Logistik. Das in Luxemburg ansässige Unternehmen hat in der Vergangenheit stets durch Verlässlichkeit geglänzt, die zusammen mit der hohen Profitabilität auch Maximilian Schoeller von Merck, Finck & Co. überzeugt. Die Aktie notiert mit fast 20 Euro zurzeit fast wieder auf Jahresanfangsniveau. Dagegen empfiehlt Thilo Hasler von der Hypovereinsbank den Thiel-Konkurrenten Microlog und stellt die Vorteile der kundengetriebenen internationalen Expansion und die starke Fokussierung heraus.
Zu den Lieblingen der Experten gehören auch der Medienwert IM Internationalmedia und der Marketingdienstleister Medion. Für IM spricht nach Meinung von Michael Geiger, der den Markt für die CSFB analysiert, die hohen Liquiditätsreserven des Unternehmens: „Da kann so schnell nichts anbrennen“, ist er sich sicher. Außerdem erwartet er im vierten Quartal einen Ergebnisschub, wenn einige große Produktionen sich in den Zahlen niederschlagen werden. Für Medion – das Unternehmen beliefert große Handelsketten mit technischen Produkten und managt Verkaufsaktionen – spricht nach Meinung von Christian Kahler von der DZ Bank die ausgezeichnete Marktstellung und die Profitabilität.
Auch der Singulus-Aktie wird trotz der Erholung im vergangenen Monat noch Potenzial zugetraut. Der Anbieter von Anlagen zur Herstellung von optischen Speichermedien wie CD und DVD habe seine Prognosen bereits nach unten korrigiert, so dass die Analysten von Merck, Finck & Co. die Gefahr weiterer negativer Überraschungen als begrenzt ansehen. Außerdem sei der Wert im Vergleich zum Wettbewerb beim aktuellen Kursniveau eher günstig bewertet.
Nachholbedarf sieht beispielsweise die WestLB auch bei Eurofins. Andreas Hürkamp glaubt, dass sich die hohen Investitionen des Unternehmens, die die Ertragssituation und damit auch die Kurse belastet haben, bald auszahlen werden. Er rechnet mit einer Gewinnverdoppelung in den kommenden Jahren und in der Folge mit einer guten Performance.
Außer Eurofins befindet sich nur noch Rhein Biotech als Nicht-Nemax-50-Wert auf mindestens zwei Empfehlungslisten. Die Hypovereinsbank begründet dies damit, dass das Unternehmen als eines der wenigen Biotech-Werte bereits einen positiven Cash-Flow generiert und ein etabliertes Geschäft im Bereich Impfstoffe habe.
HANDELSBLATT, Montag, 29. Oktober 2001
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