Ziege steht vor dem Karriereaus. DROHENDES KARRIEREENDE
Zieges Feind ist der eigene Körper
Von Felix Seidel
Nach einer erneuten Verletzung am Sprunggelenk steht Christian Ziege vor einer ungewissen Zukunft. In drei Wochen soll entschieden werden, wie es für den 72-fachen Nationalspieler weitergeht. Mönchengladbachs Mannschaftsarzt macht Ziege nicht allzu große Hoffnung auf ein Comeback.
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Hamburg - "Es macht jedenfalls keinen Sinn, so weiterzumachen wie zuletzt. So kann ich der Mannschaft nicht helfen", ließ Ziege per Pressemitteilung seines Arbeitgebers verlauten. Mit ihm persönlich zu sprechen, gestaltet sich in diesen Tagen schwierig. Nach Interviews ist ihm nicht zu Mute, da der Borussen-Kapitän momentan selbst nicht weiß, wie es weitergehen soll. Seine erneute Verletzung am Sprunggelenk könnte das Ende seiner Laufbahn bedeuten, die 1996 mit dem Gewinn der Europameisterschaft ihren Höhepunkt fand.
Vor zehn Tagen, während des Trainingslagers der Gladbacher im spanischen Marbella, waren sie wieder da, die Schmerzen im linken Knöchel. Ziege kennt sie genau. Allzu häufig bereitete ihm der lädierte Fuß Probleme. Erst vor vier Monaten musste er am Sprunggelenk operiert werden und fiel mehrere Wochen aus. "Es ist zum Verrücktwerden. Irgendeine fremde Macht scheint verhindern zu wollen, dass ich mal eine vernünftige Vorbereitung habe", klagt Ziege, der umgehend aus Marbella abreiste, um sich in Deutschland genauestens untersuchen zu lassen. Die fremde Macht aber, von der er auf seiner Homepage spricht, wird ihn niemals loslassen. Der Feind ist sein eigener Körper, der den 32-Jährigen erneut ausgebremst hat. So wie schon 21-mal zuvor.
Dabei ist die 22. Verletzung keineswegs die Schlimmste seiner Karriere. Die liegt rund zwei Jahre zurück. Im Dezember 2002 stand Ziege kurz vor der Amputation seines linken Beines. Nach einem scheinbar harmlosen Pferdekuss erlitt der 72-fache Nationalspieler ein so genanntes Compartment-Syndrom, das seinen Oberschenkel aufgrund eines Blut-Staus bis auf doppelte Größe anschwellen ließ. In einer Notoperation konnte das Bein gerettet werden, nach einer einjährigen Pause schaffte Ziege, der zu dieser Zeit das Trikot des englischen Erstligisten Tottenham Hotspur trug, das Comeback.
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Schon damals hatte der Linksfuß vor dem Karriere-Aus gestanden. Doch Ziege, der zuvor auch beim FC Middlesbrough und dem FC Liverpool in der Premier League spielte, bewies in Tottenham, dass er etwas von der britischen Mentalität verinnerlicht hatte. Aufgeben scheint für ihn ein Fremdwort zu sein. "Natürlich ist der neuerliche Rückschlag hart für mich. Denn der Rückrundenstart ist vermasselt. Und es ist schwer, eine verpatzte Vorbereitung in der Saison aufzuholen. Aber was nützt das Jammern?! Rückschläge sind dazu da, wieder aufgeholt zu werden", schreibt Ziege.
Den Optimismus des 32-Jährigen bewundert Mannschaftsarzt Stefan Hertl: "Es ist schon erstaunlich, wie oft Christian zurückgekommen ist", sagte der Orthopäde im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE. Allerdings bremst er die Erwartungen seines Patienten. Die hohe Anzahl der Vorverletzungen ist es, was Hertl große Sorgen macht: "Auch wenn er wieder richtig fit werden sollte, ist die Gefahr einer erneuten Verletzung natürlich immens. Es ist zwar möglich, dass Christian wieder 100 Prozent seiner ursprünglichen Leistungsfähigkeit erreicht, ein Karriereende halte ich aber für genauso wahrscheinlich. Die jetzige Verletzung ist keinesfalls harmlos."
Ziege weiß, was auf ihn zukommt. "Die nächsten drei Wochen werden hart für mich. Selbst Lauftraining oder Fahrradfahren kommen nicht in Frage." Wie es weitergeht, weiß der dreifache Familienvater nicht: "Ich bekomme eine Behandlung mit Spritzen. Wir müssen sehen, ob und wie diese Therapie anschlägt", so der jüngste Eintrag auf seiner Homepage. Momentan steht nur fest, dass Ziege in den ersten drei Spielen der Rückrunde nicht auflaufen wird. "Erst nach dem individuellen Reha-Programm für Christian können wir verlässlich über seine sportliche Zukunft sprechen. An eine erneute Operation denken wir dabei aber nicht", sagte Hertl SPIEGEL ONLINE.
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"Vielleicht war ich zu ehrgeizig, wollte zu früh wieder zurück ins Team", sucht Ziege derweil nach eigenen Fehlern. Nach insgesamt sieben Jahren als Profi im Ausland war er im vergangenen Sommer in die Bundesliga zurückgekehrt, um in seinem Heimatland die eigene - ihm so oft abgesprochene - Führungsqualität unter Beweis zu stellen.
Mit der Kapitänsbinde bekam Ziege, der zweimal mit dem FC Bayern Deutscher Meister wurde, in Gladbach die Gelegenheit dazu. Erfolgserlebnisse jedoch blieben Ziege beim Tabellen-15. verwehrt. Im Gegenteil: Das Karriereende scheint jetzt erschreckend nah zu sein. spiegel
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