Rot-grüne Gesetze dürften künftig nur noch eine Chance auf Mehrheiten haben, wenn sie ins Konzept der Union passen
von Hans-Jürgen Leersch, Die Welt
Ab Montag, freut sich bereits ein Minister eines unionsregierten Landes, „wird es für Kanzler Gerhard Schröder im Bundesrat richtig schwer“. Da mag viel Vorfreude angesichts der guten Umfrageergebnisse für die Union bei den Wahlen in Hessen und Niedersachsen im Spiele sein. Aber wenn Niedersachsen an die CDU fallen sollte, hätte der bürgerliche Block in der Länderkammer eine erdrückende Mehrheit von 41 der 69 Stimmen.
Der Kanzler solle nicht glauben, dass der Vermittlungsausschuss ein Konsenskaffeekränzchen werden, warnt der Unionsstratege. Das soll bedeuten: Die rot-grüne Koalition wird künftig bei zustimmungspflichtigen Gesetzentwürfen nur noch dann eine Chance auf Mehrheit bekommen, wenn die Maßnahmen in das Konzept der Union passen. Der alte Schröder-Trick, sich Mehrheiten zusammenzukaufen oder wie im Fall des Zuwanderungsgesetzes mit einem vom Verfassungsgericht später verworfenen Abstimmungstrick zu arbeiten, funktioniert nicht mehr, weil die Mehrheitsverhältnisse zu eindeutig sind.
Derzeit haben die unionsgeführten Länder Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg, Hessen, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen 35 Stimmen. Wenn die hessischen Wähler die CDU/FDP-Regierung bestätigen (wofür alle Umfragen sprechen) und das bisher von der SPD allein regierte Niedersachsen von CDU und FDP übernommen wird (wonach es in den Umfragen aussieht), würde sich die Mehrheit der Union um sechs auf 41 Stimmen erhöhen.
Dünn würde es dann in Reihen der SPD-Länder. Die Sozialdemokraten würden mit Niedersachsen das letzte Land verlieren, in dem sie mit absoluter Mehrheit regieren. Rot-Grün regiert werden noch Nordrhein-Westfalen (sechs Stimmen) und Schleswig-Holstein (vier Stimmen). „Das rot-grüne Projekt“, freut sich der niedersächsische FDP-Bundestagsabgeordnete Carl- Ludwig Thiele, „ist eine Dame ohne Unterleib.“ Außerdem verbleiben der SPD noch die beiden Koalitionsregierungen mit der PDS in Berlin (vier Stimmen) und Mecklenburg-Vorpommern (drei). Bei einem Wahlsieg der CDU in Hannover würde der SPD-Anteil im Bundesrat von 23 auf 17 Stimmen sinken. Bedingt hinzugerechnet werden kann das vom letzten sozialliberalen Bündnis regierte Rheinland-Pfalz (vier Stimmen). Allerdings drängt die in Mainz mitregierende FDP in strittigen bundespolitischen Fragen auf Enthaltung. Zumeist Enthaltung üben in diesen Fragen die beiden Großen Koalitionen in Brandenburg (vier Stimmen) und Bremen (drei).
Besonders wichtig für die Union ist die veränderte Zusammensetzung des Vermittlungsausschusses zwischen Bund und Ländern nach einem Sieg in Niedersachsen. Die rot- grüne Koalition hatte sich mit einer Änderung des Zusammensetzungsverfahrens, die vom Verfassungsgericht auch gebilligt wurde, eine Mehrheit verschafft. Daraus würde jetzt ein Patt zwischen beiden Lagern werden. Als Beschlüsse dieses Ausschusses könnten nur noch echte Vermittlungsergebnisse infrage kommen. Die bisherige Möglichkeit, rot-grüne Gesetze in Reinform als Vermittlungsvorschlag („unechtes Vermittlungsergebnis“) zu präsentieren, wäre ausgeschlossen.
Artikel erschienen am 1. Feb 2003
Gruß Trader
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