Schöngerechnete Ergebnisse
Ein Kommentar von w:o-Redakteur Björn Junker
Es ist nichts Neues, dass die Gewinne der US-Unternehmen dieses Jahr bislang überaus schwach ausgefallen sind. Überraschend dürfte allerdings sein, dass es in Wirklichkeit noch düsterer aussieht, als es bislang den Anschein hat.
Das zeigt sich an den unterschiedlichen Ergebnissen der zwei Firmen, die die Gewinnentwicklung in den Vereinigten Staaten verfolgen. So hat der Marktforscher Thomson Financial/First Call für das erste Quartal 2001 einen durchschnittlichen Gewinnrückgang der im S&P 500-Index notierten Firmen von 9,5% errechnet. Standard & Poor’s hingegen kommt auf rund 23%.
Das ist kein Wunder, bezieht sich First Call doch auf die Ergebnisbeobachtungen der Analysten-Gemeinde, die mit so genannten Pro-forma-Zahlen arbeiten, während Standard & Poor’s eine wesentlich engere Definition des Begriffs operativer Gewinn benutzt.
In der aktuellen Börsenlage ist es verständlich, dass sich die Unternehmen so positiv wie möglich präsentieren wollen wie irgend möglich. Bereits ein Ergebnis, das minimal schwächer ausfällt als die Erwartungen, kann Millionen Dollar an Marktkapitalisierung vernichten. Also werden alle möglichen Kosten als außergewöhnliche Einmalkosten deklariert, die nicht auf den operativen Gewinn angerechnet werden, und schon steht man wieder gut da.
Und wie die Zahlen von First Call zeigen, machen viele Analysten dieses Spielchen mit. Nun rechnet aber S&P einen Großteil dieser Posten wieder hinein – und hoppla, das sieht doch gleich ganz anders aus. Offenbar liegt auch in den USA, deren Börsenregeln häufig als positives Beispiel für die deutschen Märkte herangezogen werden, einiges im Argen. Hoffentlich aber nicht mehr lange. Die mächtige US-Börsenaufsicht SEC hat sich dieses Problems bereits angenommen.
Autor: Björn Junker, 18:46 19.07.01
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