...über Scania/MAN/VW/Piech geschrieben und gemutmaßt. Dieser Artikel hier ist somit das Interessanteste und Aufschlußreichste, was erschienen ist:
VW will einen neuen Truck-Riesen schmieden Von Marco Dalan, Jens Hartmann und Jan Hildebrand Seit drei Jahren wird nun schon über eine Lkw-Allianz zwischen den Konkurrenten MAN, Scania und Volkswagen spekuliert. Nun könnte die Absatzflaute bei den Nutzfahrzeugen den entscheidenden Impuls für ein Zusammenrücken geben. Das deutet zumindest Ferdinand Piëch an, der die Fäden in der Hand hält. Volkswagen will die Konkurrenten in ein Dreierbündnis einbinden. Auf den ersten Blick war es eine Binsenweisheit, die Ferdinand Piëch kürzlich fallen ließ. „In der Not geht alles schneller.“ Doch der Satz treibt seither Hundertschaften von Analysten, Managern und Investmentbankern um. Der Auto-Patriarch und VW-Aufsichtsratschef bezog sich auf die seit langem diskutierte Lkw-Allianz zwischen MAN, Scania und VW. Und bei den drei Konzernen weiß man genau: Nur so etwas Dahinsagen, ohne Hintergedanken, das macht Piëch für gewöhnlich nicht.
VW-Konzernvertriebschef Detlef Wittig träumt schon von einem „integrierten Mehr-Marken-Nutzfahrzeugbereich“. Und der Chef der MAN-Nutzfahrzeugsparte, Anton Weinmann, bekräftigte vor wenigen Tagen: „Wir stehen extrem positiv zu einer Kooperation mit Scania.“ Auf die Frage, ob aktuell schon Gespräche geführt werden, wollte er nicht eingehen.
Lkw-Hersteller MAN brechen die Aufträge weg Piëch (72) dürfte vor allem einen alten Traum verfolgen: Er will den weltgrößten Fahrzeugproduzenten aufbauen, der – vom Polo über Porsche bis zum 44-Tonner von MAN – alles anbietet, was fährt. Und der Einbruch auf den weltweiten Lkw-Märkten könnte die Umsetzung seines Planes beschleunigen. MAN und Scania leiden unter der Absatzflaute. Den Schweden brach im ersten Halbjahr der Absatz um fast die Hälfte auf 20.667 Fahrzeuge weg. Beim Münchner Konkurrenten sieht es noch schlechter aus: MAN schrieb operativ einen Verlust.
„Die Nutzfahrzeughersteller sind geplagt von eklatanten Marktrückgängen“, sagt Jost Kamenik von der Beratungsgesellschaft PA Consulting Group. „Gleichzeitig müssen sie Milliarden investieren.“ Die Entwicklung von neuen Motoren und Lkw-Modellen verschlingt enorme Summen. Zusammen ließen sich die Investitionen leichter stemmen – oder zumindest Kosten sparen. Deshalb könnte die missliche Lage tatsächlich eine Kooperation voranbringen, wie Piëch sagt.
Bei MAN ist schon länger die Erkenntnis gereift, dass man alleine zu klein ist, um auf dem Weltmarkt zu bestehen. Geht es nach der Anzahl verkaufter Lastwagen, kam der Konzern im Boomjahr 2008 auf einen Weltmarktanteil von 3,8 Prozent. Das ist Rang neun. Scania landet mit 2,8 Prozent sogar nur auf Platz 13. Wenn es nach Umsatz geht, schneiden zwar beide Konzerne besser ab, da sie vor allem große, teure Lastwagen verkaufen. Eine Fusion würde sie bei den Absatzzahlen immerhin auf Platz sechs katapultieren.
Ein noch größeres Imperium entstünde, wenn die Nutzfahrzeugsparte von VW mit ihren Kleintransportern einbezogen würde. Vom Caddy für den Blumenhändler um die Ecke bis zum Fernlaster für den Großspediteur würde das Angebot reichen. Summiert man VW Nutzfahrzeuge, MAN und Scania, entstünde ein Nutzfahrzeug-Riese mit mehr als 80.000 Mitarbeitern, einem Gesamtumsatz 2008 von 28,4 Milliarden Euro und einem operativen Ergebnis von 2,6 Milliarden Euro. Und das bei mehr als 600.000 verkauften Fahrzeugen.
Doch wie lässt sich ein so bunter Anbieter formen? Die WELT zeigt die Varianten, die derzeit diskutiert werden. Die Schlüsselfrage lautet: Kooperation im losen Verbund, oder Fusion unter einem Dach?
Kooperation: Dieser Weg wäre recht zügig zu gehen. Scania und MAN könnten Kräfte bündeln, etwa beim Einkauf von Stahl. „Die großen Sprünge wären möglich bei der gemeinsamen Entwicklung von neuen Plattformen, Motoren und Getriebe“, sagt Christian Aust, Analyst bei der Bank Unicredit. 2014 soll eine neue Lkw-Generation auf den Markt kommen, die Entwickler-Teams sitzen an den ersten Blaupausen. Eine Zusammenarbeit im Anfangsstadium wäre da am effektivsten. „Da müssten wir allerdings in spätestens ein bis zwei Jahren zusammenkommen“, sagt ein hochrangiger MAN-Manager.
Die Experten der Bank J.P. Morgan nennen in einer Studie für das Lkw-Bündnis kurzfristig ein Einsparpotenzial von 500 Millionen Euro und mittelfristig von einer Milliarde Euro. Viel Geld in Zeiten, da die Lkw-Produzenten nur mit Sparrunden tiefrote Zahlen vermeiden oder bereits Verluste schreiben. Um tatsächlich sparen zu können, stellt sich allerdings die Frage, ob MAN und Scania nicht über eine lose Kooperation hinausgehen und unter dem Dach von VW zusammenrücken müssten. ?
Fusion: Hier machen Verflechtungen die Sache spannend. So hält VW an MAN einen Stimmrechtsanteil von 29,9 Prozent und an Scania von mehr als 70 Prozent. MAN seinerseits hält rund 17 Prozent der Stimmrechte an Scania. Wollte VW MAN komplett übernehmen, müssten die Wolfsburger rund sechs Milliarden Euro in die Hand nehmen. Da VW das Thema Porsche noch nicht abgearbeitet hat und die negativen Folgen der Abwrackprämie im kommenden Jahr spürbar werden, ist das eine Menge Geld. Wenn VW die 30-Prozent-Schwelle bei MAN überspringt, wäre ein Pflichtangebot fällig. Das könnte VW wenig attraktiv gestalten und darauf hoffen, dass nur wenige Aktionäre ihre MAN-Papiere andienen. Danach könnte VW Schritt für Schritt die Mehrheit bei MAN übernehmen. Das Risiko: Sollte die Annahmequote höher ausfallen als VW recht sein kann, würde es teuer. Familienunternehmerin Maria-Elisabeth Schaeffler suchte mit einem ähnlichen Trick, die Mehrheit bei Conti zu sichern. Eine hohe Annahmequote brachte ihren Konzern jedoch in finanzielle Schieflage. Insofern ist bei Branchenexperten schon von einem „Risiko à la Schaeffler“ für VW die Rede.
Als Kapital schonend gilt dagegen eine andere Variante: VW bringt seinen Scania-Anteil als Sacheinlage bei MAN ein – und käme auf diesem Weg auf über 50 Prozent. Aber auch dann müsste VW den MAN-Aktionären ein Pflichtangebot machen. Auch möglich wäre, dass MAN seine Aktionäre bittet, mittels einer Kapitalerhöhung genügend Geld aufzunehmen, um Scania zu kaufen. Wenn die Anteilseigner eine Wachstumsstory hinter einem Zusammenschluss von MAN und Scania sehen, könnte das sogar realistisch sein.
Volkswagen präsentiert die aktuelle Modellpalette
Doch so intensiv Piëchs Manager die Synergien errechnen, so wenig begeistert ist ein Mann in der Kleinstadt Södertälje bei Stockholm. Leif Östling ist seit 37 Jahren beim schwedischen Lkw-Bauer Scania und noch bis 2012 zum Vorstandschef bestellt. Dann ist er 67. Die Idee, sein Unternehmen irgendwo einzugliedern, trifft bei ihm auf nordisch kühle Ablehnung. „Wenn man einen Wettbewerber übernimmt, verursacht man beim Kunden Konfusion“, sagte er jüngst der schwedischen Wirtschaftszeitung „Dagens Industri“. „Vielleicht rechnet sich das mathematisch, aber darum geht es doch nicht nur: Es geht um die Mitarbeiter im Unternehmen und um die Kunden.“
Und auch bei MAN gibt es Stimmen, die etwa vor einer überstürzten Zusammenarbeit bei Service und Vertrieb warnen. „Man muss aufpassen, dass man die Marken nicht beschädigt“, sagt ein Manager. „Wichtig für Piëch dürfte es vor allem sein, Friktionen bei einem Zusammenschluss von Scania und MAN, wie sie 2006 vorherrschten, zu vermeiden“, sagt Unicredit-Analyst Aust.
Vor drei Jahren hatte MAN-Chef Håkan Samuelsson (58) einen feindlichen Übernahmeversuch von Scania gestartet. Rund zehn Milliarden Euro boten die Münchner. Samuelsson, selbst ein Schwede, der lange in Diensten von Scania war, warf sich ins Zeug, doch er unterschätzte den Widerstand Östlings, der auch antideutsche Vorurteile schürte. Schließlich stoppte Piëch die Übernahme. Er erachtete es für wenig opportun, gegen den Willen des Scania-Managements den Konzern zu kaufen.
Doch seitdem hat sich viel getan. Nicht nur, dass nun VW Herr im Hause Scania ist. Samuelsson scheint auch das Vertrauen von Piëch zurück gewonnen zu haben. Er hat den Gemischtwarenladen MAN entrümpelt. Anfang des Jahres folgte schließlich ein Coup, der bereits als erster Schritt auf dem Weg zur Lkw-Allianz gesehen wird: MAN übernahm das südamerikanische Nutzfahrzeuggeschäft „Truck & Bus“ von VW. Zudem beteiligte sich MAN an dem chinesischen Hersteller Sinotruk.
MAN ist heute also international stärker als noch beim Übernahmeversuch von Scania. Allerdings müssen die neuen Geschäfte in China und Brasilien nun integriert werden. Eine Aufgabe, die viele Kapazitäten bindet. „Wir haben alle Hände voll zu tun“, sagt ein MAN-Manager. Und auch bei VW ist das Management mit der Porsche-Übernahme gut ausgelastet.
Einer scheint jedoch noch Luft für neue Aufgaben zu haben: Ferdinand Piëch. Zu den bestehenden zehn VW-Marken, Scania inklusive, sollten noch zwei hinzukommen, sagte er. Ob MAN zu den Kandidaten zählt, verriet er nicht.
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