Zunächst mal herzlichen Dank für die vielen Blumen :-)
Meine Teilnahme an der Diskussion sehe ich nicht als IR-Arbeit. Wenn Ihr auf Datum und Uhrzeit meiner Postings seht, wird sicher klar, daß ich den Besuch dieses Forums als Hobby betrachte. Ich weiß nicht genau, was andere VVs in ihrer Freizeit machen, ich finde aber die Diskussion hier interessanter als Gespräche an der Bar des Golf-Clubs, bei langweiligen Partys oder stumm vor der Glotze zu sitzen.
Zurück zur Sache und zu den Fragen von Fluffy und Luis:
Scoring ist ein Punktebewertungsverfahren. Offensichtlich gibt es ja Merkmale eines anfragenden Unternehmens, die auf dessen Bonität hinweisen: die Branche (Extrembeispiele: Banken einerseits; Discotheken andererseits), das Alter eines Unternehmens (Start-Up; älter als 10 Jahre), Rechtsform (GmbH; AG), Haftkapital (negatives Kapital; mehr als 10 Mio.), Hintergrund der handelnden Personen (Akademische Ausbildung; Branchenfremder) u. a. Die Ausgestaltung der Merkmale, das was beispielhaft hier in Klammern steht, wird übrigens Ausprägung genannt.
Die Mitarbeiter in den Kreditabteilungen der Banken haben diese Merkmale und Ausprägungen schon immer in ihre Kreditentscheidung mit einbezogen. Mehr oder weniger bewußt. Da dabei aber auch persönliche Neigungen des Entscheiders offensichtlich eine große Rolle spielen, haben Bankmanager in den 70er und 80er Jahren begonnen, nach Maßnahme zu Objektivierung dieser Entscheidungen zu suchen. Durchgesetzt hat sich bei Banken das Scoring aber nur im Privatkunden-Kreditgeschäft. Der Grund: Voraussetzung für ein wirksames Scoring ist eine große Menge gleichartiger Datenprofile. Nicht nur jedes Merkmal, auch jede Ausprägung muß mit einer größeren Anzahl von guten und (was problematischer ist) mit schlechten Erfahrungen unterlegt sein. Auch ist bei der Kreditvergabe an Unternehmen - zumal bei höheren Beträgen - eine Schwankungsbreite der Treffergenauigkeit von ca. 1 % den Banken zu ungenau (und kann aufgrund der Konkurrenzsituation nicht eingepreist werden), sie verlassen sich dann lieber auf Sicherheiten (das aber wohl auch nicht so richtig erfolgreich).
Unser Scoringsystem ist im Verkaufsprospekt auf S. 24 (kann downgeloaded werden unter www.grenkeleasing.de) kurz dargestellt. Es basiert auf dem mathematischen-statistischen Modell einer "Multivariaten Diskriminanzanalyse". Es würde zu weit gehen, dies hier ausgiebig zu erläutern. Wen es interessiert: dazu gibt es hinreichend wissenschaftliche Literatur.
Wir haben bereits 1993 mit Analysen für ein Scoringmodell begonnen, da uns klargeworden war, daß unsere Geschäftsstruktur (viele kleine Leasingverträge mit damals durchschnittlich 8 TDM) sich durchaus für solch ein mathematisch-statistisches Entscheidungsmodell eignet. 1994 haben wir dieses Verfahren dann eingeführt und seitdem schrittweise verbessert. Heute verfügen wir über einen Bestand von ca. 70.000 Datenprofilen.
Auch die Beurteilungen durch den Schufa-Score oder das Rating von Verein Creditreform (Zugriff Online, Auswertung automatisch) geht in unser Scoringmodell ein, wird aber durch unsere eigenen Datenprofile weiter verfeinert und damit verbessert.
Wir überprüfen die Wirksamkeit unseres Scoringverfahrens (Kündigungen durch uns wegen Zahlungsrückstand - im Verhältnis zur Scorenote) halbjährlich (da wir überwiegend vierteljährliche Leasingraten-Fälligkeiten haben, ist eine häufigere Überprüfung nicht sinnvoll). Die Ausfallquote ist in unseren Leasingsätzen eingepreist und damit auch in unserem Planungsmodell (und dem der Analysten) enthalten.
Eine andere wichtige Stellgröße für die Qualität unseres Vertragsbestandes ist unsere Erfolgszulage für die Vertriebsmitarbeiter. In erheblichem Umfang hängt diese Zulage vom Deckungsbeitrag pro abgerechnetem Leasingvertrag ab. Dieser DB beinhaltet auch eine Rückstellung für den Ausfall. Die Höhe der Rückstellung hängt von der Scorenote ab. D. h. je schlechter die Qualität unserer Neuverträge ist, desto weniger verdienen die Mitarbeiter. Verbessern kann man die Bonität der Anfragen damit natürlich nicht. Aber man kann schlechte Bonitäten konsequent ablehnen. Da die Erfolgszulage immer nur für das Team insgesamt gewährt wird, findet zudem eine kollektive Selbstkontrolle statt.
Bei der Verwirklichung unseres strategischen Ziels, uns möglichst unabhängig von Banken zu refinanzieren, ist es uns im letzten Jahr gelungen, eine Asset-Backed-Security-Finanzierung zu realisieren. Für einen direkten Zugang zum Geld- bzw Kapitalmarkt war unser Volumen bislang noch zu klein. Bei der ABS-Finanzierung wird eine Zweckgesellschaft dazwischengeschaltet, die auch noch für einige wenige andere Gesellschaften zur Verfügung steht. Diese emittiert dann direkt am Geld- oder Kapitalmarkt. Für die Aufnahme in dieses ABS-Programm mußen wir uns sowohl von Standard&Poors wie auch von Moody's prüfen lassen. Die Prüfung bezog sich natürlich vor allem auf die hier diskutierten Fragen der Forderungsrealisierung. Im Ergebnis wurden wir in ein ABS-Programm mit dem höchstmöglichen Rating (P1 bzw. A1+ - dies entspricht bei langfristigen Anleihen AAA) aufgenommen. Dies ist natürlich kein direktes Rating für unsere Gesellschaft aber ein deutlicher Hinweis.
Wie aus unserem Verkaufsprospekt auf Seite 62 ersehen werden kann, beträgt unsere Ausfallquote ca. 3,5 %. Sie ist in den letzten Jahren konstant geblieben.
Eine Absicherung unserer Leasingforderungen ist nicht zweckmäßig, da wir durch die große Zahl der Verträge eine hinreichende Risiko-Streuung haben. Die Prämie einer Kreditversicherung wäre aufgrund der Verwaltungskosten der Versicherungsgesellschaft höher als unsere Ausfallquote.
Fluffy:
Sonderkonditionen sind leider nicht drin. Der Grund: wir verstehen unseren Preis (die in den Leasingsätzen enthaltene Nettorendite) als Belohnung des Marktes für unsere Leistung. Und wer will schon auf eine verdiente Belohnung verzichten? Aber - falls Du unsere Konditionen schon kennst und sie für zu hoch hältst - hast Du einen Vorschlag, wie wir unsere Leistung verbessern können?
Auch bei dem Fuhr- und Baumaschinenpark kommen wir wohl kaum ins Geschäft. Unsere Kunden profitieren vor allem von unserer günstigen Kostenstruktur und unseren guten Verwertungsmöglichkeiten für IT-Produkte. Bei großen Vertragswerten spielen die Verwaltungskosten des Vertrages für die Kalkulation eine untergeordnete Rolle. Dort kommt es mehr auf die Zinsmarge an, wo wir gegenüber unseren dortigen Wettbewerbern (Bankentöchter) nur einen geringen Vorteil hätten. Daher bleiben wir bei Small-Ticket-IT-Leasing. Ausnahmen machen wir nur bei Altkunden in äußerst beschränktem Umfang. Und wenn wir mal eine Leasinggesellschaft akquirieren sollten, die auch solche Verträge in ihrem Portfolio hat, so werden wir diesen Teil des Geschäfts wohl bald wieder aussondern. Ohne konkreten Kundennutzen (Added Value im Vergleich zum Wettbewerb) gibt es kein dauerhaft erfolgreiches Geschäft.
Den Fuhr- und Baumaschinenpark kannst Du ja Deinem Bekannten bei der großen Hamburger Leasinggesellschaft anbieten. Wenn der seine angestrebten Wachstumszahlen bislang nur halten konnte, indem er schlechtere Kunden-Bonitäten akzeptierte, wird er sich über einen solchen Zugang doch sicher freuen!
Huch - jetzt ist das Posting doch wohl sehr lang geworden. Frei nach Goethe: ich hatte keine Zeit ein kürzeres zu schreiben. Damit ich die eingesetzte Zeit aber auch noch etwas für Grenkeleasing nutze, werde ich den Text jetzt ausschneiden, unter Word abspeichern und bei Gelegenheit (vielleicht in einem Geschäftsbericht) wieder verwenden. Die Fragen waren halt auch gut.
Zu unserem Kurs und der künftigen Entwicklung kann ich natürlich überhaupt nichts sagen. Da seid Ihr mehr Spezialist als ich. Ich habe keine Ahnung, welcher Aktionär oder Fondsmanager welche Informationen über unsere Unternehmen bereits berücksichtigt hat. Ich fühle mich nur für die fundamentals zuständig.
Ich würde jetzt auch gerne eine Pause mit meinen Diskussionsbeiträgen machen. Sollten noch Fragen an mich gestellt werden, will ich sie erst im Verlauf der Woche beantworten. Vorher würde ich mich nur einschalten, wenn sich irgendwelche Mißverständnisse ergeben hätten.
Gruß Wolfgang Grenke
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