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Yang Yuanqing
Er machte Lenovo zu einem der führenden Computerhersteller. Dann zog sich Yang Yuanqing zurück und lernte Sprachen - um in der Krise wieder das Ruder zu übernehmen. Nun soll der Sprung an die Weltspitze folgen.
Von Stephan Finsterbusch
Jede Zeit braucht ihre Taktik: Yang Yuanqing16. August 2010
Sternzeichen: Drachen; Spitzname: Tiger. Yang Yuanqing spitzt den Mund, legt die Hände flach auf den Tisch, holt tief Luft und sagt dann Sätze wie: "Wir wollen der Stärkste sein." Warum? "Weil der Stärkste der Größte ist." Der Größte? "Ja, der Größte ist immer auch der Beste." Yang hat hohe Ziele. Dabei ist der Sohn eines chinesischen Landarztpaares schon heute einer der mächtigsten Manager der IT-Industrie. Er hat aus dem Nichts eine der großen Computermarken mit aufgebaut und eine Riesenfusion gemeistert. Jetzt will er an die Spitze der Branche. Der Drache, heißt es in China, weiß sich zu verteidigen, der Tiger anzugreifen. Yang kann beides. Mit einem gut verteidigten Heimatmarkt in China und einer klaren Wachstumsstrategie im Ausland will er Lenovo zum Branchenführer machen. Die Zeit sei reif, meint er, die Vorzeichen gut. Er ist ein Mann klarer Ansagen.
Yang Yuanqing sitzt am runden Holztisch eines karg eingerichteten Besprechungsraums in einem feinen Wiener Hotel. Gestern noch war er in den Vereinigten Staaten, morgen wird er in China sein, übermorgen wieder in den Amerika. Von hier aus lenkt er den viertgrößten Computerhersteller der Welt - ein Unternehmen aus China mit Wurzeln in Amerika. Seit Lenovo vor sechs Jahren die PC-Sparte von IBM gekauft und seinen Hauptsitz vom Norden Pekings nach North-Carolina verlegte, hat die Leitung einen "guten Job gemacht", urteilt Meike Escherich vom Analystenhaus Gartner. "Wir machten zwei Kulturen zu einer", sagt Yang. Rory Read, Lenovos zweiter Mann, meint: "Yang ist sehr fordernd, doch mit ihm spielen wir auf Angriff." Yang sagt: "Man darf nur nie aufhören, lernen zu wollen." Anzeige „Ich war schon als Kind vorsichtig“
Der IT-Manager machte Lenovo zur Nummer eins in ChinaDer IT-Manager machte Lenovo zur Nummer eins in China
Unten im Konferenzsaal wartet eine Hundertschaft Manager auf seinen Auftritt. Oben vor dem Besprechungsraum haben sie große und kleine, flache und wuchtige, bunte, schwarze und weiße Computer auf Präsentiertischen aufgebaut. "Lenovo ist allgegenwärtig", wird Yang wenig später vor seiner zweiten Managergarde sagen. Jetzt nimmt er erst einmal die Fragen mit ausdrucksloser Miene entgegen. Bevor er eine Antwort gibt, prüft er jedes Wort. Er ist vorsichtig. "Das war ich schon als Kind", sagt er. Als er Mitten in der Weltwirtschaftskrise im vergangenen Jahr die Führung von Lenovo wieder übernahm, war die Branche in Aufruhr. Kunden blieben aus, Verkaufszahlen und Umsätze fielen. Yang blieb ruhig. Er analysierte die Lage, entwarf einen Plan, dann ging er los. Seitdem hat er Lenovo von Grund auf umgebaut, hat die Produktpalette aufgemischt und die Absatzzahlen so stark gesteigert wie keiner der Konkurrenten. Die jüngsten Erfolge stehen ihm ins Gesicht geschrieben. Die Falten auf der Stirn sind binnen eines Jahres ein wenig tiefer, die Ringe unter den Augen ein wenig dunkler geworden. Weiße Haare hat er sich weggefärbt. Um den Mund spielt ein Lächeln. Lenovo war ihm über zwei Jahrzehnte eine "Zeit der Reife".
Als sich Yang 1988 auf eine Anzeige bewarb, war die in der Akademie der Wissenschaften bei Peking gegründete Firma noch keine vier Jahre alt. Sie hatte 300 Angestellte, sollte in Hongkong bald als "Legend", in Peking als "Lianxiang" und im Rest der Welt als "Lenovo" bekannt werden. Sie verdiente ihr Geld mit Schaltplatinen, der Wartung importierter Rechner und hatte ein Verfahren für das computertechnische Erfassen chinesischer Schriftzeichen in der Hinterhand. Eine Milliarde Chinesen standen vor dem Eintritt ins Computerzeitalter, Yang war einer von ihnen. Eine Lektion in Sachen Marktwirtschaft Zum Thema
* Ich über mich: Yang Yuanqing
Dabei hatte der im Jahr des Drachen geborene junge Mann eigentlich Schriftsteller werden wollen. Doch auf Geheiß der Mutter studierte er an der Jiaoting-Universität in Xiang Computerwissenschaften - weil, wie die Mutter später sagen wird, "das die Zukunft ist". Yang gehorchte, machte einen zweiten Abschluss an der Universität in Anhui und ging in die Privatwirtschaft. "Ich studierte ein Fach an zwei Schulen mit zwei verschiedenen Philosophien", sagt er. Jiaoting war streng und auf Logik, Anhui offen und auf Kreativität konzentriert. Beides brachte Yang weiter. Er galt Kommilitonen und Lehrern als verschlossen und wortkarg, unergründlich und kompromisslos. Ling Zhijun beschreibt ihn in seinem Buch "The Lenovo Affair" als introvertiert. Yang sagt, er höre auf die Stille in sich, die gebe ihm Kraft. Die brauchte er auch. Denn in seinem ersten Jahr für Lenovo musste er einen schweren Schlag einstecken. Während er tagsüber Computer der kalifornischen Firma Sun Microystems verkaufte, feilte er abends an einem Angebot für eine Ausschreibung, um Lenovo zum Exklusivvertreter von IBM-Computern zu machen. Das Angebot fiel durch - zu teuer. Die Chefs runzelten die Stirn. Die Kollegen spotteten. Yang hatte eine Lektion in Marktwirtschaft erhalten. Er zehrt von ihr bis heute.
Damals biss er sich durch, arbeitete bis tief in die Nacht, wollte sich so Geld für ein Studium in Amerika zur Seite legen, änderte aber seine Pläne, als er zum Generalmanager für Softwareprogramme wurde. In zwei Jahren verdreifachte er den Umsatz der Sparte. Das rückte ihn in den Blick von Firmengründer Liu Chuanzi. Der damals 48 Jahre alte Liu steckte in einer Zwickmühle. Chinas Computerbranche hob gerade ab, doch Lenovo drohte am Boden zu bleiben. Heimische Konkurrenten verdoppelten dank der wachstumsorientierten Wirtschaftspolitik der Pekinger Regierung jedes Jahr den Umsatz und kooperierten mit amerikanischen Konzernen. Nur Lenovo stand allein da, vertrieb lediglich ein paar Computer von HP und Sun. Liu sagte auf einer Betriebsversammlung: "Wir stehen am Abgrund." Er beschnitt die Kosten und suchte neue Geschäfte. Der Oberbefehlshaber und die Kunst der Defensive
Liu ging einen Schritt zurück, um einen Sprung nach vorn zu machen. Es ging um alles oder nichts. Der politisch gut verdrahtete Ingenieur ließ seine Kontakte spielen, setzte auf Wachstum in allen IT-Märkten und auf eine eigene Computermarke. So machte er in weniger als einem Jahrzehnt aus einer Elektroklitsche am Rande Pekings einen IT-Konzern mit Sitz in Amerika. Yang war sein Mann dafür. Liu hatte den Jungmanager an einem kalten Wintertag 1992 zu sich gerufen, über Stunden hinweg Fragen gestellt und sich von den einsilbigen, doch eindeutigen Antworten angetan gezeigt. Im Frühjahr machte er ihn zum Leiter der Computer-Entwicklung, zwei Jahre später zum Chef der Computersparte. Da war er kaum 30 Jahre alt und voller Tatendrang.
2008 übergab er das operative Geschäft an William Amelio2008 übergab er das operative Geschäft an William Amelio
Yang stellte die Produktion um, knüpfte engmaschige Händlernetze, zentralisierte Entscheidungsprozesse und führte Qualitätskontrollen ein. Er hatte Erfolg: Lenovo verkaufte 1995 noch hunderttausend PC, zwei Jahre später waren es schon fünfmal so viele, und 1999 war man Marktführer unter den zweihundert Computerfirmen Chinas. In der Firma nannten sie ihn den "Oberbefehlshaber", Liu charakterisierte ihn als "Tiger" und lehrte ihm die Kunst der Defensive. "Das war wichtig", sagt Yang und lächelt. "Jede Zeit braucht ihre Taktik." In der Krise zurück an die Spitze
Als 2001 aus der Computersparte eine eigenständige Firma wurde, war Yang ihr erster Chef. Liu hatte in einem gut getarnten Manöver den Konzern mit seinen 10.000 Mitarbeitern in fünf Unternehmen gespalten und sie dann in einer Holding wieder lose verbunden. Ins Zentrum stellte er Yang mit Lenovo. Yang kaufte im Dezember 2004 für 1,2 Milliarden Dollar die PC-Sparte von IBM. Für China war es die wichtigste Akquisition in Amerika; für Amerika ein Zeichen für Chinas Ambitionen. Über Nacht wurde Lenovo einer der ganz großen Computerbauer.
In der Weltwirtschaftskrise kehrte er zurück und will Weltmarktführer werdenIn der Weltwirtschaftskrise kehrte er zurück und will Weltmarktführer werden
Yang hatte seine Lektionen von Marktwirtschaft und Menschenführung, Angriff und Verteidigung gelernt. Er spielte aus einer starken Deckung heraus. Er gab den Chefsessel an den erfahrenen IBM-Veteranen Steve Ward und später an den Dell-Manager Bill Amelio ab, zog an die Stelle seines Lehrmeisters Liu in den Aufsichtsrat und mit seiner Familie an die neue Lenovo-Zentrale in North-Carolina. Er studierte die englische Sprache und amerikanische Managementmethoden, Strategie und Taktik der Konkurrenten. Als die Wall Street die Weltwirtschaft in die Krise stürzte, erlebte die Computerbranche im Westen den größten Absatzeinbruch ihrer Geschichte. Allein in China war sie stabil. Yang handelte, setzte Amelio ab, übernahm wieder den Vorstand und brachte Liu zurück in den Aufsichtsrat. Der Tiger macht sich seitdem zum Sprung bereit.
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