Hi Purdie und kirschlichkeit, ich kann Eure Einschätzungen (auch zu Adesso und KPS) gut nachvollziehen. Ich will mal versuchen darzulegen, warum ich denke, dass All for One letztlich dennoch deutlich mehr wert sein sollte als der aktuelle Kurs.
Rein optisch wirkt die Aktie mit einem Konsens-KGV von knapp 24 tatsächlich relativ fair bewertet. Allerdings lohnt sich hier zunächst ein zweiter Blick auf die Qualität der Earnings. Anders als bei manch anderen IT- und Softwarefirmen sind die Earnings bei All for One nicht durch übermäßige aktivierte Eigenleistungen (wie bei KPS) oder Auflösung von Unterschiedsbeiträgen (wie bei Datagroup) aufgehübscht. Die Qualität der Earnings ist in meinen Augen daher recht hoch.
Zudem kommt, dass All for One derzeit noch einen Bauchladen an rein buchhalterischen PPA-Abschreibungen für die erworbenen Kundenstämme aus vergangenen Übernahmen vor sich her schiebt. Diese sind nicht cashwirksam und laufen aus. Wenn man korrekterweise um diese korrigiert, erhöht dies das EPS um ca. 45 Cent und senkt das KGV für 2017/18 bereits auf 21-22.
Noch wichtiger erscheint mir aber ein Beleuchten des Wachstumspotenzials. In den vergangenen fünf Jahren ist All for One um ca. 14% pro Jahr beim Umsatz gewachsen und um ca. 27% pro Jahr beim EBIT. (Und das, obwohl man >40% des jeweiligen Jahresgewinns ausgeschüttet hat, d.h. das Wachstum wurde nicht nur aus einbehaltenen Earnings erkauft.)
Angesichts der hervorragenden Wettbewerbsposition von All for One und der bevorstehenden Migrationswelle auf S4/HANA (die viele, viele Jahre andauern wird), erscheint es plausibel, dass das bisherige Wachstumstempo von 14% p.a. aufrechterhalten werden könnte. Linear wird das zwar sicher nicht laufen. Allerdings wird zum organischen Wachstum eben auch weiterhin anorganisches Wachstum hinzukommen, wofür man als Unternehmen ohne Nettoschulden gut aufgestellt ist. Seien wir an dieser Stelle für die Bewertung aber ruhig mal konservativ und rechnen für die nächsten fünf Jahre nur mit 10% Topline-Wachstum, obwohl realistisch durchaus mehr drin sein sollte.
Für das Ergebniswachstum muss man als nächstes berücksichtigen, dass All for One gerade auf dem Höhepunkt der Investitionen für den Ausbau des Geschäftsmodells ist (siehe Geschäftsberichte und Interviews). Dadurch ist die EBIT-Marge kurzfristig von den früheren 8% auf 6,5% gesunken. Laut CFO Land im BRN Interview sollte die Marge ab ca. Mai 2019 wieder steigen, da dann die Anschubaufwendungen für Wachstumsfelder peu a peu auslaufen.
In meinen Augen ist es aufgrund von Skaleneffekten und der Marktposition von All for One nicht abwegig anzunehmen, dass man in ein paar Jahren eine höhere Marge erzielen kann als die früheren 8%. Aber selbst, wenn man konservativ annimmt, dass in den nächsten fünf Jahren die Marge "nur" wieder auf 8% steigt, bedeutet dies, dass das EBIT überproportional zum Umsatz wachsen wird. Konkret: bei meiner Annahme von 10% Umsatzwachstum ergäbe ein Wiederreichen der Marge von 8% ein jährliches EBIT-Wachstum von 15% pro Jahr. Mit anderen Worten: man könnte zwar nicht die alten Raten von 20-30% EBIT-Wachstum pro Jahr erreichen, allerdings dennoch hervorragende 10-20% (und das bei in meinen Augen konservativen Annahmen).
Wenn ich nun unter diesen Annahme das faire KGV der Aktie mit einer konkreten Modellierung der nächsten 5 Jahre ausrechne, komme ich auf folgendes (die Annahmen fasse ich nochmal zusammen):
Annahme 1: Umsatzwachstum von 10% für die nächsten 5 Jahre (trotz aktuell spürbar höheren Wachstums) Annahme 2: Marge verbessert sich durch Auslaufen der Investitionen in den nächsten fünf Jahren wieder von 6,5% auf 8% (keine weiteren Skaleneffekte berücksichtigt) Annahme 3: Zukünftige Erträge werden mit Eigenkapitalkosten von 8% abgezinst Annahme 4: Als faires Ziel-KGV für den Wert in fünf Jahren wähle ich konservativ 20 Annahme 5: 40% Gewinnausschüttung pro Jahr (derzeit sind es eher 40-50%)
Ergebnis dieser Berechnung ist ein faires KGV von 30 heute. Dies rührt schlicht daher, dass in konkreten Modellierungen ein EPS-Wachstum von 15% über mehrere Jahre hinweg sehr schnell das faire KGV steigert. Dabei denke ich, dass meine gewählten Annahmen durchaus nicht überambitioniert sind. All for One steht nunmal vor einer strukturellen Nachfragewelle und hat in der Vergangenheit gezeigt, dass man verlässlich wirtschaftet und ein solider Wachstumswert ist.
Wenn man nun ein KGV von 30 auf das korrigierte EPS für 2017/18 anwendet, kommt man auf einen fairen Wert der Aktie von ca. 100 EUR. Auch wenn ich mich oben bemüht habe konservativ zu rechnen, so gehe ich dennoch nicht ernsthaft davon aus, dass ein solcher Aktienwert hier kurzfristig zu erzielen ist. Denn die Kostenentwicklung ist derzeit auf dem Höhepunkt, während der HANA-Nachfrageschub noch nicht einmal begonnen hat. Die kurzfristige Ergebnisentwicklung des Unternehmens kann daher durchaus erstmal enttäuschend erscheinen. Zudem schreckt das optisch anspruchsvolle KGV sicher viele Anleger ab. Daraus schließe ich für das Investment folgendes:
Möglichkeit 1 ist, man begreift die Aktie als Langfristinvestment. Wenn das oben skizzierte Szenario halbwegs aufgeht, sollte die Aktie über viele Jahre Spaß machen und eine gute Sicherheitsmarge bieten. Z.B.: wenn es drei Jahre dauern würde, bis die skizzierte Unterbewertung abgebaut ist, ergäbe sich immer noch ein Gewinn von ca. 20% pro Jahr für die Aktie (mit weiterem Potenzial, falls die Annahmen sich als zu konservativ herausstellen sollten).
Möglichkeit 2 ist zu versuchen, den Punkt zu timen, wo die zukünftige Verbesserung der Marge sichtbarer wird und somit das EPS-Wachstumspotenzial sich klarer im Ergebnis niederschlägt. Wer auf diesen Trigger spekuliert, könnte mit einem Einstieg z.B. noch ein Jahr warten--mit Blick auf H2/2019, wenn die Investitionen auslaufen. Allerdings läuft man dann natürlich Gefahr, dass andere einem zuvor kommen. Denn hier kann in meinen Augen durchaus auch kurzfristig noch etwas passieren (wenn z.B. die angekündigte Übernahmen kommen sollte). Leider wird man's wie immer erst im Nachhinein wissen, was die richtige Strategie gewesen wäre :)
Soviel mein Wort zum Sonntag. Kurzfassung: Ich kann gut verstehen, warum Anleger die Aktie nicht mehr als Schnäppchen empfinden. Discountpreise sehen optisch sicher anders aus. Allerdings spricht in meinen Augen (wie dargestellt) einiges dafür, dass hier noch gute Potenzial schlummert. Wann es gehoben wird, wird sich zeigen.
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