Neuemissionsmarkt belebt sich trotz Fehlschlägen Von Doris Grass, Frankfurt
Die Londoner Börse (LSE) erlebt gegenwärtig eine Belebung bei Börsengängen, obwohl sich die Erstemission (IPO) der bekannten Musik- und Videohandelskette HMV vergangene Woche als Flop entpuppt hat.
Ende Mai stehen mit dem britischen Hersteller und Betreiber von Bohrplattformen für die Öl- und Gasindustrie, John Wood Group, sowie mit der auf Qualitätskontrolle spezialisierten Firma Intertek Testing Systems zwei größere Debüts an. John Wood peilt eine Marktkapitalisierung von rund 1 Mrd. £ an, Intertek von etwa 660 Mio. £. Die zu 192 Pence ausgegebenen HMV-Aktien hatten zum Börsendebüt am Donnerstag mit 177,50 Pence geschlossen. Am Freitag gingen HMV mit 176,25 Pence aus dem Handel.
Aktien mit Durstfaktor
Noch vor John Wood und Intertek werden an diesem Donnerstag erstmals die Aktien der zweitgrößten britischen Pub-Kette Punch Taverns gehandelt. Analysten und Fondsmanager rechnen mit einem besseren Start als bei HMV, wenn der Ausgabepreis niedrig angesetzt wird. Punch nimmt rund 250 Mio. £ an der Börse auf. Die Kapitalisierung beläuft sich in der Mitte der Preisspanne von 250 bis 300 Pence auf etwa 682 Mio. £. Die Aktien werden allerdings nur institutionellen Investoren angeboten.
Auch Ian Wood, Chef des bisherigen Familienunternehmens John Wood, ist trotz des schwierigen Umfelds optimistisch für die internationale Platzierung der eigenen Aktien. Er erwartet für das Debüt am 29. Mai Kurse zwischen 175 und 210 Pence. "Die Vorvermarktungsphase verlief sehr gut", sagte Wood. Er verweist darauf, dass der Gewinn vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen und Amortisierungen (Ebitda) in den vergangenen zehn Jahren durchschnittlich um 17 Prozent pro Jahr gestiegen ist.
Wood rechnet mit einem Emissionserlös von rund 350 Mio. $. Davon will das Unternehmen 200 Mio. $ zum Schuldenabbau und für Zukäufe im asiatisch-pazifischen Raum nutzen. Der Rest fließt an die Altaktionäre, darunter rund 50 Mio. £ an die Familie Wood, deren Anteil an der Gruppe von 60 auf 45 Prozent sinken wird. Konsortialführer sind Cazenove und Credit Suisse First Boston.
Intertek rechnet für den Handelsstart seiner Aktien am 23. Mai mit einer Kursspanne von 400 bis 490 Pence. Im Rahmen der Emission werden 100 Millionen Aktien platziert, sodass sich der Erlös auf bis zu 490 Mio. £ belaufen könnte. Auch Intertek-Chef Richard Nelson ist überzeugt, dass sein IPO nicht das gleiche Schicksal erleiden wird wie HMV. Neben den guten Wachstumsaussichten führt Nelson die Widerstandsfähigkeit gegenüber konjunkturellen Schwächephasen an.
Intertek ist in der Qualitätskontrolle von Konsumgütern aus der Textilien-, Spielzeug-, Chemie- und Elektronikproduktebranche tätig. Die Geschichte geht bis in die Tage des Erfinders Thomas Edison zurück. Das durchschnittliche Ebitda-Wachstum betrug seit 1996 mehr als 16 Prozent. Wegen der immer kürzeren Lebensdauer neuer Produkte und der zunehmenden Verlagerung von Produktionsstandorten nach Asien, wo Intertek besonders stark vertreten ist, seien die Wachstumsaussichten nie besser gewesen, sagte Nelson.
Vom Erlös sollen 245 Mio. £ zur Schuldentilgung und zur Ablösung von Vorzugsaktien verwendet werden. Der Rest geht an Fonds der Charterhouse Development Company, die 84 Prozent an Intertek hält.
© 2002 Financial Times Deutschland
|