http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/...nerhoehung-12813536.html
Aber: Was soll das nun mit "Gerechtigkeit" zu tun haben? Ich muss schon wieder relativieren.
1. Relativierung: Für "Gerechtigkeit" gibt es zahllose und zu allem Überfluss sich gegenseitig widersprechende oder gar ausschließende Kriterien. Bevor man also über "Gerechtigkeit" redet, muss man sich schon über die jeweils persönlichen Vorstellungen von "gerecht" unterhalten.
2. Wenn man etwa die generelle Verteilung der Besitzstände als wesentlichen Maßstab für Gerechtigkeit zugrundelegt, muss man eigentlich jeden zünftigen Bombenkrieg als etwas ansehen, was mehr Gerechtigkeit in die Welt bringt. Denn: Er zerstört Immobilien und Produktionsstätten. Und wem gehören die? Natürlich den Besitzenden. Das ist polemisch. Mit voller Absicht. Weil: es zerstört auch m.E. den Glauben, dass Besitzverteilung als Status Quo ein grundlegender Maßstab für Gerechtigkeit sei. (Natürlich gibt es immer auch "Kriegsgewinnler". Aber in der Summe zerstört Krieg tendenziell Besitzstände.)
3. Marktwirtschaftliche Strukturen - meinetwegen auch "Kapitalismus" - liegt eine grundlegende Tendenz zugrunde: zum einen eine ungleiche Verteilung von Besitz (was aber keine absolute Voraussetzung ist) und eine Tendenz der ungleichen Verteilung der Erträge der wirtschaftlichen Aktivität - also der Einkommen (was schließlich im Ergebnis auch auf eine ungleiche Besitzstandsverteilung rausläuft.) Die berühmte "Schere" ist also etwas, was dem System immanent ist. Die Frage ist: wieviel "Ungleichheit" (im Gegensatz zu "Ungerechtigkeit") erträgt ein soziales Gebilde, ohne dass es am Ende sich dadurch zerstört, dass es bei einer hinreichenden Masse zu "Zerstörungswut" kommt. Individuell gesehen hat "Verteilungsgerechtigkeit" eine ziemlich breite Streuung. Ich kenne viele Leute, die mit dem vergleichsweise wenigen - oder auch mehr -, was sie an materiellem Reichtum haben, total zufrieden und glücklich sind, aber trotzdem mit hoher Energie die Ungerechtigkeit anprangern, dass andere genau so wenig haben, wie sie, diese aber im Unglück wähnen, gegen das sie geradezu martialisch anzukämpfen bereit sind. Diese Art von "Wut" reicht sicher nicht aus, um ausreichend zerstörerisch zu sein, das System zu kippen. Ist aber die m.E. häufigste Art der auftretenden "Systemkritik". Quasi altruistisch angelegt. Von dieser Seite droht m.E. keine "Gefahr". Die treiben allenfalls das Implementieren von "Gerechtigkeitsklauseln" in den politischen Prozess an. Das kann mal nützlich sein und mal schädlich (etwa, wenn es letztlich den ökonomischen Prozess so weit lähmt, dass die "Verteilungsgerechtigkeit" mangels Masse praktisch entfällt.) Gefährlich wird es m.E. dann, wenn diejenigen eine kritische Masse erreichen, die sich ganz persönlich als Opfer der Verhältnisse oder von irgendwas sehen (meist komischerweise von Minderheiten, denen die Schuld an der eigenen Misere untergejubelt wird). Und das ist mit materieller "Armut" auseinanderdriftender Schere usw. gar nicht ausreichend erklärbar. Ich würde das eher als verletzten Stolz, als empfundene Demütigung, als Bedrohung des Selbstwertgefühls wahrnehmen, denn vordergründig als Ausdruck ungerechter materieller Verteilung. Letzteres ist das stereotypische links geprägte materielle Verelendungstheorem, das sich als allgemeingültiges Erklärungsmuster von "Ungerechtigkeit" weitgehend durchgesetzt hat. Aber letztlich nicht trägt, um auszumachen, wie viel materielle Ungerechtigkeit die Geselllschaft aushält. Ich glaube, man ist auf dem falschen Dampfer, wenn man das Unvermeidliche, nämlich "materielle Ungerechtigkeit" basierend auf ungleicher Verteilung von Besitz zum grundsätzlichen Pfeiler einer Gerechtigkeitsdebatte macht.
Um "Einkommensgerechtigkeit" - wenn es ums Materielle geht- , lässt sich m. E. trefflicher und erfolgreicher streiten. "Gutes Geld für gute Arbeit" finde ich ein super gerechtes Motto. Und "gute Arbeit" kann es auch sein, wenn man dafür mehr kriegt als andere. Schlicht, weil es die Bedingungen hergeben. Aber "weniger mehr reich" - also auf die "Schere" bezogen - werden die Besitzenden immer dann, wenn die, die arbeiten anständig entlohnt werden. (Was am Ende auch den Stolz und den Selbstwert nährt und das Demütigungsgefühl verhindert.)
Es geht nicht um Besitz. Es geht um Einkommen und zwar nicht das bedingungslose. ----------- Ein Beitrag zur Friedensstiftung und ein leuchtendes Beispiel ueberschwaenglicher Willkommenskultur!
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