15. August 2005, Neue Zürcher Zeitung
Schröder macht Iran zum Wahlkampfthema
Der Bundeskanzler warnt Bush vor militärischer Gewalt
Zum Auftakt der heissen Wahlkampfphase hat der deutsche Bundeskanzler Schröder am Wochenende den amerikanischen Präsidenten Bush aufgefordert, im Atomstreit mit Teheran auf eine militärische Option zu verzichten. Die Lage sei ernst. Deutschland werde sich auf keinen Fall an einer Militäroperation gegen Iran beteiligen.
Bundeskanzler Schröder geht erneut mit einer gegen Washington gerichteten Wahlkampfstrategie auf Stimmenfang. Zum Auftakt der heissen Wahlkampfphase appellierte er an einer Kundgebung in Hannover an den amerikanischen Präsidenten Bush, er solle auf militärische Gewalt in der Auseinandersetzung über das iranische Atomprogramm verzichten. «Nehmt die militärischen Optionen vom Tisch. Wir haben erlebt, dass sie nichts taugen», sagte er mit Blick auf die Folgen des Irak-Kriegs. In zwei am Sonntag publizierten Interviews bekräftigte der deutsche Regierungschef seine Botschaft: «Die Lage ist ernst.» Die Androhung von Gewalt sei hochgradig gefährlich.
Der «deutsche Weg» in der Aussenpolitik
Schröder versicherte, eine von ihm geführte Regierung werde sich auf keinen Fall an einem Militärschlag gegen Iran beteiligen. Zugleich warnte er vor «Willfährigkeit der Aussenpolitik», sollte die CDU-Vorsitzende Merkel Kanzlerin werden. Seine gegen Bush gerichteten Äusserungen verband der Bundeskanzler mit dem Angebot, die EU müsse gemeinsam mit den USA eine starke Verhandlungsposition gegen Iran aufbauen. Niemand wolle, dass Teheran in den Besitz von Atomwaffen gelange.
Im Bundestagswahlkampf 2002 hatte Schröder ebenfalls in Hannover einen «deutschen Weg» in der Aussenpolitik proklamiert und jede Beteiligung der Bundeswehr an einem Krieg gegen Saddam Hussein ausgeschlossen. Auch damals lag der Bundeskanzler in Umfragen weit zurück, doch brachten ihm die Themen Irak und Hochwasser vor allem in Ostdeutschland so viele Stimmen, dass er schliesslich seinen Herausforderer Stoiber mit hauchdünnem Vorsprung schlagen konnte. Schröder nahm dafür eine lange Eiszeit im Verhältnis zu Washington in Kauf. Weil ihm seine damalige Haltung in den neuen Ländern und links von der Mitte nach wie vor hoch angerechnet wird, zog Schröder am Wochenende eine simple Parallele zwischen dem Irak und Iran - und dies, obwohl sich die Situation in einigen Punkten grundlegend unterscheidet. Zum einen trägt Berlin im gegenwärtigen Atomstreit ungleich mehr Verantwortung als in den Monaten vor dem Irak-Krieg, in denen Deutschland auf der Zuschauertribüne sass. Die Bundesrepublik versuchte gemeinsam mit Frankreich und Grossbritannien und in enger Absprache mit Amerika, Teheran von seinem Atomprogramm abzubringen. Kurz nachdem Iran die ersten Schritte zur Wiederinbetriebnahme der Uranfabrik Isfahan unternommen und damit die europäischen Unterhändler brüskiert hat, sorgt der Bundeskanzler für Zwietracht. Indem er andeutet, dass sich die vier westlichen Mächte auseinander dividieren liessen, schwächt er deren Position gegenüber Teheran.
Bush zum Kriegstreiber gestempelt
Zum anderen verzichtet Präsident Bush anders als vor dem Irak-Krieg auf eine durchgehend konfrontative Rhetorik gegenüber der iranischen Führung. Zwar erklärte Bush in einem am Wochenende ausgestrahlten Fernsehinterview, er schliesse keine Option - auch nicht den Einsatz von Gewalt - aus. Anderseits liess Washington die Forderung fallen, den Disput mit Teheran umgehend vor den Uno-Sicherheitsrat zu bringen. Zugleich sagte Bush, die Verhandlungsbereitschaft des iranischen Präsidenten Ahmedinejad sei ein positives Zeichen. Trotz diesen gemischten Signalen aus Washington stempelt Schröder Bush indirekt zum Kriegstreiber, indem er eine Verbindung zwischen der amerikanischen Irak-Politik und dem Fall Iran herstellt und sich zum Warner vor einer Militäroperation aufschwingt.
Dem Kommentar der NZZ schliesse ich mich zu hundert Prozent an.
Schröder betreibt ein gefährliches Spiel und ob Frankreich hier mitmacht bezweifle ich.
salute quantas