Elmshorn: Nach der Entscheidung, den Standort aufzugeben Mitarbeiter tragen Talkline zu Grabe Arbeitsminister Uwe Döring kommt nächste Woche. Bürgermeisterin trifft sich mit Freenet-Chef. Von Burkhard Fuchs, Arne Kolarczyk
Elmshorn - Endzeitstimmung am Freitag vor dem Talkline-Gebäudekomplex. Symbolisch haben die Mitarbeiter des von der Schließung bedrohten Elmshorner Telekommunikationsunternehmens Talkline ihren Betrieb zu Grabe getragen. Sie versammelten sich in der Mittagspause auf einer kleinen Sandwiese direkt vor dem Haupteingang und stellten dort etwa 300 Holzkreuze auf. Manche schrieben mit Filzstift ihre Personalnummer darauf. Andere dachten sich kleine ermahnende Widmungen aus wie "Gemeinsam gearbeitet - einsam gekündigt". Oder sie wünschten der neuen Firmenleitung sarkastisch: " . . . und immer gute Geschäfte!"
Die Stimmung unter den Kollegen sei weiter sehr gereizt, sagte Betriebsratsvorsitzende Susanne Diekert. "Sie sind wütend und können es einfach nicht verstehen, dass der Standort aufgegeben werden soll. Deshalb haben sie heute selber ihre Arbeitsplätze beerdigt."
Mehr zum Artikel Arbeitsplätze zynisch verschachert Wie berichtet, will der neue Eigentümer Freenet den Standort Elmshorn voraussichtlich Anfang 2010 schließen. Von den 738 Mitarbeitern am Talkline-Platz sollen nur 140 Beschäftigte der IT-Sparte ein Angebot erhalten, am Hauptsitz in Büdelsdorf weiterzuarbeiten. Die Betreuung der 14 Millionen Kunden wird künftig von Erfurt aus erfolgen.
Acht Tage, nachdem das Aus für Talkline verkündet worden ist, ist die Wut unter den Beschäftigten ungebrochen. Schilder mit der Aufschrift: "Wir gehen nicht sang- und klanglos" hängen an den Fenstern - und sie wurden auch während der Sitzung des städtischen Hauptausschusses hochgehalten. Dort versicherten Politiker aller Fraktionen sowie Bürgermeisterin Brigitte Fronzek ihre Solidarität mit den Talkline-Beschäftigten. "Das Unternehmen hatte für uns immer Vorbildcharakter. Wir sind alle traurig und wütend", sagte die Bürgermeisterin. Sie versicherte, dass die Suche nach neuen Arbeitsplätzen für die Betroffenen für die Stadt oberste Priorität habe. Das sei viel wichtiger als über neue Nutzungsmöglichkeiten für das Gebäude nachzudenken.
Möglicherweise lässt sich beides verbinden. So sind bereits erste Gespräche mit Firmen geführt worden, die vor Ort ein Telekommunikationsunternehmen einschließlich der Mitarbeiter fortführen wollen.
Brigitte Fronzek, die am Freitag aus Solidarität auch am symbolischen "Gräberfeld" mit Elmshornern Politikern demonstrierte, sagt dazu: "Das Wichtigste für die Stadt ist, dass dieser Betrieb mit diesen Mitarbeitern an diesem Standort erhalten bleibt."
Nächsten Freitag kommt der schleswig-holsteinische Arbeitsminister Uwe Döring, am 8. Dezember trifft sie erneut Freenet-Chef Eckhard Spoerr. Die Bürgermeisterin spricht den Mitarbeitern Mut zu: "Totgesagte leben länger. Schließlich ist bald Weihnachten und wir dürfen uns etwas wünschen."
Siegrid Tenor-Alschausky, SPD-Landtagsabgeordnete aus Elmshorn, sagte verbittert: "Das zeigt, dass die Menschen und ihre Arbeitsleistung nicht wert geschätzt werden."
Wann genau bei dem Unternehmen die Lichter ausgehen, weiß die Betriebsratschefin Diekert noch nicht. Bisher gibt es nur Vermutungen, eine detaillierte Planung hat der Freenet-Vorstand nicht vorgelegt. Auch die Verhandlungen über den notwendigen Sozialplan haben noch nicht begonnen.
erschienen am 29. November 2008 Hamburger Tagblatt
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