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Lithium-Mangel bedroht die Auto-Revolution Von Joachim Hoelzgen
Julia Schmitt AP REUTERS zur Fotostrecke
Autobauer beschwören den Elektroantrieb als Technik der Zukunft. Doch ebenso wie Regierungen und Rohstoffkonzerne übersehen die Hersteller ein Problem: Es gibt auf der Erde zu wenig Lithium, um die geplanten Flotten von Hybrid- und Elektroautos anzutreiben.
Den Rhythmus des Lebens im Südwesten Boliviens hat bisher das Salz bestimmt. Milliarden Tonnen davon bilden die Kruste einer gleißend hellen Ebene namens Salar de Uyuni, die von Bergketten und den Überresten ehemaliger Vulkane umstellt ist.
Mit einer Fläche von 10.000 Quadratkilometern bildet der Salar de Uyuni den größten Salzsee auf der Welt. Er ist eine Attraktion für Bolivien-Touristen, die mit Geländewagen über die mondähnliche Senke fahren, vorbei an tausend Jahre alten Kakteen und Flamingos in Salzlagunen.
Hier, in 3650 Metern Höhe, gehen Salzbauern einer beschwerlichen Arbeit nach. Sie hacken mit Pickeln und Äxten Salz aus der meterdicken Kruste und türmen es zu Kegeln auf. Das Salz soll in der Sonne trocknen, ehe es auf die Pritschen klappriger Lastwagen geschaufelt und in die Stadt Uyuni gebracht wird, die mit ihren staubigen Straßen und Gebäuden aus Lehm wie die Kulisse eines Django-Films aussieht.
Es ist kaum zu glauben, dass der Rest der Welt, angeführt von großen Industriestaaten wie etwa Deutschland, Japan und den USA, irgendwie von dem desolaten Salzsee in Bolivien abhängig sein könnte. Doch genau das wäre der Fall, wenn die Regierungen, Rohstoffkonzerne und Autohersteller des Westens weiterhin energisch auf eine Zukunft mit Millionen von Hybrid- und Elektroautos setzen - auf leise summende Antriebe mit Akku-Paketen und Ladestationen mit Stromkabeln und Steckern anstelle von Tankstellen, Zapfsäulen und Tankrüsseln.
Vulkan sorgt für Nachschub
Für einen solchen industriellen Großumbau und den Betrieb der Stromautos ist ein Schatz aus der porösen Salzdecke des Salar de Uyuni nötig: Lithium, das später die Basis der Lithium-Ionen-Akkus in den Autos bilden soll. In dem fernen Salzsee befindet sich das Element in Salzlake, die in Hohlräumen der Kruste schwappt und stark konzentriert ist: Ein Liter der Lauge enthält 300 Gramm verschiedener Salze - darunter Steinsalz, Kalisalz, Magnesiumsalz und schließlich das Lithium. Über Jahrtausende hinweg hat der Regen des Hochland-Sommers das Lithium aus den Flanken der Vulkane und aus Vulkanasche gewaschen - und die Sonne über der schattenlosen Ebene hat das Regenwasser und dessen Fracht immer von neuem eingedampft und dabei immer weiter konzentriert.
Einer der Vulkane, der mächtige Tunupa, ist heute noch aktiv und sorgt langsam, aber sicher für weiteren Nachschub an Lithium.
Gemessen an seinem Lithium-Gehalt ist der Salar de Uyuni ein Gigant. Der U.S. Geological Survey geht davon aus, dass sich in der Salzkruste 5,4 Millionen Tonnen des Rohstoffs befinden.
Das zweitgrößte Reservoir liegt im benachbarten Chile und dort in der Atacama-Wüste, wo der Salzsee Salar de Atacama drei Millionen Tonnen Lithium enthält. Zusammengenommen befinden sich in der Region 70 Prozent des Welt-Lithiums, wenn man den nicht weit entfernten, aber kleinen Salzsee Salar del Hombre Muerto in den argentinischen Anden hinzuzählt.
Noch abgelegener als das südamerikanische Lithium-Dreieck ist der Zhabuye-Salzsee in Tibet. Dieses Reservoir erstreckt sich in 4400 Metern Höhe nördlich des Mount Everest in dem Bezirk Shigatse, bekannt für ein großes Kloster, das Zeloten während der Kulturrevolution von Parteichef Mao Zedong zu einem großen Teil zerstört hatten. In dem tibetischen Salzsee lagert mit 1,1 Millionen Tonnen das drittgrößte Lithium-Vorkommen der Welt.
Zu geringe Fördermenge
Die Ära der Elektroautos bricht an, verkünden die Fahrzeughersteller und wollen Milliarden investieren. Doch der vom Lithium berauschten Branche droht ein Fiasko - so knapp ist zum einen der Rohstoff, und so aufwendig ist zum anderen dessen Verarbeitung, wie Experten des französischen Beratungsunternehmens Meridian International Research warnen. In dem 57-seitigen Report "The Trouble with Lithium" prophezeien sie eine Lithium-Lücke, die bald auf dem Weltmarkt klaffen werde.
Technologien, die schon bald die Lithium-Akkus ersetzen könnten, sind derzeit nicht in Sicht. Lithium hat große Vorzüge gegenüber früher verwendeten Materialien. Es kombiniert große Energiedichte mit hohem Wirkungsgrad und besitzt keinen Memoryeffekt.
Hoch ist die Nachfrage schon jetzt, weil Lithiumbatterien Millionen Mobiltelefone, Laptops, iPhones, Blackberrys und sogar Akkubohrer mit Strom speisen. Weltweit werden derzeit pro Jahr 93.000 Tonnen Lithium gefördert, die erschließbaren Reserven liegen laut Meridian International Research aber nur bei vier Millionen Tonnen. Die französischen Berater schätzen, dass wegen der steigenden Nachfrage der Elektronikbranche im Jahr 2015 gerade mal 30.000 Tonnen Lithium für Elektrovehikel zur Verfügung stehen. Das würde für nicht einmal 1,5 Millionen Hybridmotoren reichen.
Auch die Luftfahrtbranche ist der Autoindustrie als Konkurrent erwachsen - mit Hightech-Flugzeugtypen wie dem Boeing-787 Dreamliner und bald dem Airbus A-350 XWB, der zum Starten der Triebwerke und für die Notstromversorgung mit Lithiumakkus bestückt sein wird.
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