Wirtschaft Pischetsrieder harrt auf dem VW-Dach aus. Rumsfelds Fluchtversuch scheitert Während in Dresden der Sexualverbrecher Mario M. in den frühen Morgenstunden aufgab und sich wieder in seiner Zelle einschließen ließ, harrt VW-Chef Bernd Pischetsrieder weiter auf dem Dach des Volkswagenswerks in Wolfsburg aus. Dagegen scheitert der Versuch von US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, sich auf dem Weißen Haus in Sicherheit zu bringen. So etwas hat Bernd Schaper von Werksschutz des Volkswagenwerks in 30 Jahren Dienstzeit noch nicht erlebt: „Er riss sich los, rannte zur Mauer, dann kletterte er an der nackten Ziegelsteinwand hoch bis aufs Dach.“ Dort hat sich der Volkswagenchef nun seit zwei Tagen verbarrikadiert, um seine geplante Entlassung zu verhindern. Bisher konnten ihn weder brasilianische Luxus-Huren noch das Versprechen, eine eigene, nach ihm benannte Arbeitsmarktreform durchführen zu dürfen, wieder herunterlocken.
Professor Jürgen Zeck von der Biologischen Bundesanstalt Braunschweig hat jahrelang den Überlebenskampf deutscher Manager in Freilandstudien beobachtet, er weiß: „Durch das viele Geldscheffeln werden ihre Handflächen rau und klebrig zugleich – nur so konnte Pitschesrieder überhaupt aufs Dach kommen. So eine schnelle Flucht in die Höhe kann den Manager in freier Wildbahn vor seinen Fressfeinden retten.“ Das, was man nun Wolfsburg zeige aber auch, dass sich die Manager mittlerweile sehr gut an das Schmarotzerleben in menschlichen Siedlungen angepasst hätten.
Der bekannte Tiertrainer Joe Bodeman aus dem nahe gelegenen Celle soll das außer Rand und Band geratene Alphamännchen Pischetsrieder nun wieder vom Dach runter locken. Er weiß, dass das eine schwere Aufgabe wird: „Sein wärmender Kinnbart verschafft ihm bei dieser Kälte einen echten Evolutionsvorteil.“
Weltweit ist die spektakuläre Flucht des Dresdener Sex-Verbrechers bereits mehrfach von Trittbrettkletterern nachgeahmt worden. Weniger Glück als Pischetsrieder hatte dabei US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld. Dieser hatte zunächst probiert, Präsident Bush zu überzeugen, die jüngsten Wahlen seien mit einem klaren Sieg für die Republikaner ausgegangen. Man müsse jetzt bloß noch einige Jahre lang möglichst viele demokratische Wähler töten und dann der Konkurrenzpartei eine aus Republikanern bestehende Leitung aufzwingen. Das gehe schon klar.
Als Bush den Minister daraufhin entlassen wollte, versuchte dieser aufs Dach des Weißen Hauses zu klettern. Doch der Versuch scheiterte: Der greise Rumsfeld rutschte mehrfach wieder herunter. Nun schiebt er die Schuld dem Geheimdienst zu: „Die CIA hat mich nicht darüber aufgeklärt, dass das Weiße Haus ein rundes, steiles Kuppeldach hat.“
Kaum Beachtung in der Weltöffentlichkeit fand der Versuch mehrer Berliner Senatoren, sich ihrer bevorstehenden Abschiebung ebenfalls durch eine Flucht aufs Dach des Roten Rathauses zu entziehen. Bildungssenator Klaus Böger, Kultursenator Thomas Flierl und die Justizsenatorin, deren Namen schon alle vergessen haben, schafften es nicht einmal, die Rollstuhlrampe am Haupteingang zu erklimmen: „Ohne Bundeshilfe kommen wir niemals aufs Dach“, jammerte Böger vor den Kameras des Berliner Lokalsenders, der sich als einziger für die Aktion interessiert hatte. Er erwägt nun eine Verfassungsklage.
Glasauge
Artikel erschienen am 09.11.2006
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