"Politik würgt unseren Vorsprung ab"
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neuester Beitrag: 31.07.06 14:05
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eröffnet am: | 31.07.06 13:59 von: | Zockerbulle | Anzahl Beiträge: | 2 |
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Gespräch mit Dietmar Hopp
"Politik würgt unseren Vorsprung ab"
Der SAP-Gründer und Großinvestor Dietmar Hopp hat sich 2005 aus dem Unternehmen zurückgezogen. Das Handelsblatt sprach mit dem Firmengründer über den Standort Deutschland, die kurzfristige Orientierung der Unternehmen, die absurde Neidkultur und die Branchen der Zukunft.
Handelsblatt: Sie haben vor mehr als 30 Jahren SAP gegründet. Hat sich das Umfeld für junge Firmen in Deutschland seither grundlegend geändert?
Hopp: In den siebziger Jahren sah die Welt zwar nicht grundlegend anders aus. Doch neue Industrieunternehmen hat es damals kaum gegeben. Mit der Gründung eines Softwareunternehmens wurden wir eher belächelt, denn kaum ein Mensch wusste damals eigentlich, was Software ist. Mit dem Plan, sich in einem Markt zu behaupten, in dem damals internationale Großkonzerne wie IBM und Siemens sich tummelten, galt man endgültig als Spinner.
Kamen Ihnen diese Zweifel nie?
Das Risiko war für uns SAP-Gründer überschaubar. Denn wenn das Projekt schief gegangen wäre, hätten wir mit unserem Wissen und Können jederzeit wieder eine Anstellung bekommen. Das finanzielle Risiko war zudem schon deshalb überschaubar, da wir ohnehin keine Kredite bekommen haben - wir haben es nicht mal versucht. Und der Begriff "Risikokapitalgeber" war zu dieser Zeit ebenfalls ein Fremdwort.
Beides gibt es heute. Hat sich die Situation für Firmengründer also verbessert?
Wir haben heute zweifelsfrei ein besseres Gründerklima als damals. Es hat sich schon deshalb etwas verändert, da man kleinen und wendigen Firmen heute viel mehr zutraut. Und keiner, der in junge Firmen investiert, erwartet, dass jede Gründung erfolgreich sein wird. Aber es gibt eben viele gute Ideen, die es wert sind, verfolgt zu werden.
An wie vielen Firmen sind Sie aktuell beteiligt?
Derzeit bin ich dabei, eine Reihe der alten Beteiligungen abzustreifen. Die Brauereien sind verkauft. Übrig geblieben sind eine Reihe von Immobilien und Grundstücken wie beispielsweise das Henninger Gelände in Frankfurt. Im Bereich Risikokapital konzentriere ich mich derzeit auf den Bereich Biotechnologie. Auf diesem Sektor bin ich an rund 15 Unternehmen beteiligt.
Wie kamen Sie auf diese Branche?
Im Grunde war dabei auch ein bisschen Zufall im Spiel. Vor zwei Jahren ist die 1999 gegründete Firma Heidelberg Pharma in die Insolvenz gegangen. Mir war schon lange erzählt worden, dass diese Firma ein enormes Potenzial hat, tolle Ideen und gute Produkte. Es wurde nach einer Lösung gesucht, und ich habe mich dort mit 25 Millionen Euro engagiert.
Aber das allein macht Sie noch nicht zum größten Einzelinvestor in der deutschen Biotechnologiebranche, der Sie inzwischen sind.
Aus diesem ersten Schritt ist dann mehr geworden. Das Thema Biotechnologie und Medizin begeistert mich. Mit Friedrich von Bohlen, Gründer des Biotechunternehmens Lion-Bioscience, und meinem Anwalt Christof Hettich beraten mich zwei Experten systematisch bei Investments in die Biotechnologie.
Wem Hopp im Pharmasektor Weltgeltung zutraut.
Sie kennen sich hervorragend mit Softwarefirmen aus, warum investieren Sie in Biotechnologie?
Das stimmt nicht ganz. Ich bin an einer Softwarefirma mit dem Namen Inter Component Ware beteiligt, die sich mit der elektronischen Gesundheitsakte beschäftigt.
Trotzdem liegt Ihr Fokus auf Biotechunternehmen, die sich auf Krebsbekämpfung und Schlaganfallbehandlung konzentrieren.
Ich bin fest davon überzeugt, dass nach der Informationstechnologie Life Sciences die nächste große Welle sein wird. Meine jüngste Beteiligung Axaron - eine ehemalige BASF-Tochter - forscht an einem Wirkstoff, der bei Schlaganfällen die Schädigung im Gehirn nicht nur stoppt, sondern betroffene Bereiche im Gehirn wieder regenerieren kann. Ein solches Patent wäre im Erfolgsfall viel Wert.
Hoffen Sie darauf, dass aus einer Ihrer Beteiligungen wieder ein solches Unternehmen wie SAP entsteht, das eines Tages Tausende von Mitarbeitern einstellt?
Ich kann mir nicht vorstellen, dass aus einem der kleinen Biotechnologieunternehmen in Deutschland ein Großer der Branche werden wird. Ziel dieser Firmen ist es, Produkte bis zu einem gewissen Punkt zu entwickeln, um sie dann an die großen Pharmafirmen zu verkaufen. Doch die gibt es in Deutschland nicht mehr.
Was ist mit Bayer?
Bayer oder Boehringer Ingelheim sind vielleicht die einzigen deutschen Unternehmen, die im Bereich Pharma wieder Weltgeltung erreichen können. Denn anderen traue ich es nicht zu, da schlicht die finanziellen Mittel fehlen.
Woran liegt das Ihrer Meinung nach ?
Das liegt hauptsächlich daran, dass die Politik über Jahre die forschenden Pharmaunternehmen durch immer neue Auflagen systematisch kaputtgemacht hat. Den härtesten Schlag gegen die deutsche Pharmabranche hat Joschka Fischer zu verantworten, der in seiner Zeit als hessischer Umweltminister Hoechst zum Aufgeben in der Arzneimittelforschung in Deutschland gezwungen hat.
"Wir müssen die Kernenergie ausbauen, um die Umwelt zu schonen."
Welche Branchen bleiben dann, wenn Sie an die Schaffung neuer Arbeitsplätze denken?
Da wird die Auswahl sehr dünn. Vielleicht in der Solartechnik, aber das ist reine Spekulation.
Und was ist mit der Softwarebranche?
Die Claims in der Softwarebranche sind meiner Meinung nach weitgehend abgesteckt. SAP gibt es bereits und Microsoft auch. Dass neben SAP ausgerechnet in Deutschland noch einmal ein Softwareunternehmen solcher Größe entstehen wird, wäre reiner Zufall. Um ehrlich zu sein, sehe ich auch nicht, auf welchem Gebiet.
Sie machen Deutschland wenig Hoffnung auf neue Arbeitsplätze in der Hochtechnologie.
Vielleicht sollten wir einige Milliarden in die Entwicklung eines Wasserstoffantriebs für Autos investieren. Tanken an Meeren der Welt, das wäre doch toll.
Ist das nicht ein wenig zu visionär?
Sind wir einmal ehrlich: Alle Technologien, in denen Deutschland führend war, sind durch die Politik behindert worden. Unser Vorsprung wurde regelrecht abgewürgt. Wir waren einmal die Apotheke der Welt und haben den Anschluss im Pharmabereich verloren, wir hatten die Nase bei der Genforschung vorne, aber auch das wurde verteufelt. Ein weiteres Beispiel ist die Kernenergie ...
... die nach dem Willen demokratisch gewählter Mehrheiten politisch nicht mehr durchsetzbar ist.
Man mag ja über die Weltanschauung von US-Präsident George Bush denken, was man will, aber in einem Punkt hat er doch Recht: Wir müssen die Kernenergie ausbauen, um die Umwelt zu schonen. Ich verstehe die Hysterie in Deutschland beim Thema Kernenergie einfach nicht. Zur gleichen Zeit wird aber die Welt durch Kohlekraftwerke immer stärker verschmutzt. Hätte man die Deutschen bei der Kernenergie ungehindert weiterforschen lassen, wären viele Probleme heute gelöst.
Ist im Hinblick auf den Abbau des technologiefeindlichen Klimas in der Gesellschaft nicht vieles geschehen?
Es ist zu wenig geschehen. Und vor allem ist von politischer Seite nichts geschehen, um die absurde Neidkultur gegenüber erfolgreichen Menschen in Deutschland zu beenden.
"Der Ausdruck Reichensteuer ist diskriminierend."
Ist das nicht eher das Problem eines schlechten Image von Unternehmern?
Das ist für mich alles miteinander verbunden. In den USA wird viel Forschung durch Stiftungen finanziert. In Deutschland gibt es aber viele Unternehmer, die sich davor scheuen, eine Stiftung zu gründen, weil dann offenbar würde, dass sie vermögend sind. Die Deutschen sind stattdessen lieber hinter den Kulissen reich.
Was müsste die Politik denn anders machen?
Zum Beispiel nicht von einer "Reichensteuer" reden. Dabei geht es mir gar nicht um die Steuer an sich. Wenn die Bundeskanzlerin sagen würde, wir brauchen zur Lösung der Probleme zehn Prozent mehr Steuern von allen, die über 500 000 Euro im Jahr verdienen, würde ich applaudieren. Aber allein den Ausdruck "Reichensteuer" empfinde ich als diskriminierend.
Gibt es nicht auch Fehler, die auf Seiten der Unternehmer gemacht worden sind?
Es gab in Deutschland sicherlich eine Zeit, da war das Unternehmerbild ein anderes. Das liegt auch daran, dass viele Unternehmer früher auch eine Art Fürsorge für die Belegschaft und die Firma mitgetragen haben. Doch diese Tradition hat sich zu Gunsten des kurzfristigen Profitmachens verschoben. Die Sitten sind in der Wirtschaft andere geworden. Das sieht man auch daran, dass eine große deutsche Versicherung trotz bester Gewinnlage Tausende von Arbeitsplätzen abbaut.
Haben die Unternehmen beim kurzfristigen Profitdenken den Bogen überspannt?
Wenn langfristige Pläne und Strategien dem kurzfristigen Erreichen von Quartalsergebnissen geopfert werden, dann läuft etwas falsch. Es wäre sicherlich kein Fehler, wenn man Quartalsergebnisse weniger wichtig nehmen würde.
Wie genau verfolgen Sie heute noch das Geschäft der SAP?
Früher war ich natürlich sehr nahe dran am Geschäft und den Produkten. Das hat etwas nachgelassen. Aber ich halte mich über wichtige Entwicklungen auf dem Laufenden. Schließlich brauche ich die Dividenden für die Arbeit der von mir gegründeten Stiftung, der ich den Großteil meines Anteils an SAP überschrieben habe.
Was macht Ihre Stiftung genau?
Die Dietmar-Hopp-Stiftung fördert Projekte im Bereich Medizin, Ausbildung, Altenpflege und der Sportförderung, vor allem in der Region Rhein-Neckar.
Die Post-SAP-Ära
Warum so regional begrenzt?
Meiner Heimat und ihren Menschen habe ich viel zu verdanken, und mit der Stiftung möchte ich beiden etwas zurückgeben.
Die Gespräch führten Marcello Berni und Thomas Nonnast.
Dietmar Hopp
Der Firmengründer: 1972 gründet Dietmar Hopp mit vier weiteren Partnern das Unternehmen SAP. Es sollte sich als die größte Unternehmensgründung in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg herausstellen. SAP ist heute mit 36 000 Mitarbeitern weltweit der viertgrößte Softwarekonzern. 1988, im Jahr des Börsengangs von SAP, wird Hopp Vorstandsvorsitzender und leitet den Konzern zehn Jahre lang. 1995 überschreibt er 28 Millionen SAP-Aktien (8,9 Prozent des Unternehmens) aus seinem Privatbesitz an eine von ihm gegründete Stiftung, die seinen Namen trägt. 1998 wechselt der 1949 geborene Heidelberger an die Spitze des Aufsichtsrats. Bis 2003 bleibt er Aufsichtsratschef. Danach einfaches AR-Mitglied.
Die Post-SAP-Ära: Im Mai 2005 zieht sich Hopp aus allen Funktionen des Unternehmens zurück. Fortan engagiert sich der Vater von zwei erwachsenen Söhnen in erster Linie für seine Stiftung. Hopp beginnt, in Brauereien zu investieren. Unter anderem erwirbt er die Brauerei Henninger. Zudem fasst der sportbegeisterte Unternehmer, der auch zwei Golf-Clubs besitzt, den Plan, den von ihm geförderten Fußballclub TSG Hoffenheim in die Bundesliga zu bringen. 2006 wird Hopp durch zahlreiche Investments in Biotech-Firmen mit 200 Mill. Euro zum größten Einzelinvestor der deutschen Biotechbranche. Vor wenigen Wochen hat er die gescheiterte Heidelberger Bioinformatik-Firma Lion Bioscience wieder zum Leben erweckt.