Ministerpräsident Kretschmann (Grüne) und die Schlafmützen im Wirtschaftsabschwung
In den beiden ersten Regierungsjahren unter Kretschmann konnte man sich um eine klare beschäftigungspolitische Konzeption herummogeln, weil die Chinesiche Wirtschaft boomte und ihre internationale Rolle als »consumer of last resort« noch wohlgefällig für alle exportabhängigen Handelspartner weiterspielte.
Kretschmann setzte die von der Mappus-Regierung bereits vorgeführte Politik des staatlichen Rückzugs aus der beschäftigungspolitischen Verantwortung fort und verlagerte die Sache in eine Art »konzertierte Aktion« mit dem hochtrabenden Namen »Bündnis für Arbeitslose Baden Württemberger«. Dieses Gremium, dem in einem von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommenen Umfang auch wissenschaftlich zugearbeitet wird (nicht ganz billig) hat bei der zentralen Zielsetzung, nämlich die Massenarbeitslosigkeit in BW zu überwinden, nichts gebracht. Bisher ist auch nicht bekannt geworden, dass vom »Bündnis für Arbeitslose Baden Württemberger « eine Eventualplanung, sozusagen ein Notstandsprogramm für den nunmehr äußerst wahrscheinlichen Fall vorgelegt worden wäre, dass die Konjunktur - getreu dem seit 200 Jahren bekannten kapitalistischen Krisenzyklus - in eine fortschreitende Rezession mündet. Ich wage die Prognose, dass - bei anhaltendem wirtschaftspolitischen Attentismus - vom Herbst/Winter 2013/14 an, die Arbeitslosigkeit erheblich zunehmen wird. Doch auch aus den Landtagsfraktionen von Grüne und Rot ist nichts zu vernehmen im Sinn von (»eventuell«) notwendig werdenden Gegenmaßnahmen zur Talfahrt der Konjunktur und erneuten Bergfahrt der Arbeitslosenzahlen. Auch wenn die Fraktionen nicht von Wirtschaftsexperten dominiert werden, so gibt es dort doch genügend Kompetenz, um wenigs-tens in diplomatischer Weise auf die anstehende Krisenverschärfung aufmerksam zu machen.
Die Landesregierung hat bisher Illusionen über die Konjunkturlage verbreitet. Es ist nicht bekannt, ob sie selbst an ihre Propaganda überhöhter Wachstumseinschätzungen geglaubt hat, aber es hätte mehr Kompetenz offenbart, wenn sich die Regierung unter Kretschmann nicht mehrmals - unter dem Eindruck der nach unten revidierten Wachstumsprognosen der Konjunkturforschungsinstitute - kleinlauter werdend hätte verbessern müssen. Kompetenz verriete auch, wenn unter dem Eindruck der Konjunkturabschwächung eine temporäre Unterbrechung des inzwischen an Brüning erinnernden Einsparungsfetischismus erwogen würde. Es sei daran erinnert, dass am Ende der Weimarer Republik die von den wirtschaftspolitischen Reformern vorgeschlagenen Maßnahmen zur Beschäftigungspolitik aus hysterisch überzogener Inflationsfurcht - auch von der damaligen SPD - verworfen wurden.
Was sich momentan an wirtschaftspolitischer Schlafmützigkeit in Stuttgart abzeichnet, ist nicht ganz so überraschend, wie es der breiteren Öffentlichkeit in einigen Monaten erscheinen wird. Es sei erlaubt, ein wenig unbescheiden aus einem Text zu zitieren, den der Verfasser Ende 2011, also noch vor dem spektakulären Personalwechsel an der Spitze des Landesfinanzministeriums, formulierte hatte und wo eine Einschätzung der von der neuen grünen-roten Regierung zu erwartenden Beschäftigungspolitik gegeben wurde:
»... die ›bürgerliche‹ Grünen wird vorsichtig operieren und nach einigen Jahren feststellen müssen, dass auch mit einer sozialpolitisch rücksichtsvolleren und nicht ganz so rigorose Sparmaßnahmen zumutenden Politik, wie sie die konservativen Vorgängerregierungen praktiziert hatten, keine Sanierung der von der Massenarbeitslosigkeit bedrohten Wirtschaft und Gesellschaft Deutschland und Europas möglich sein wird. Vollbeschäftigungspolitik ist eine makroökonomische Aufgabe, und sie lässt sich nicht auf ›konzertierte Aktionen‹ oder ›Bündnisse für Arbeitslose Baden Württemberger ‹ abschieben ... Die Rückkehr zum alten Wachstumstrend ist weder möglich noch aus umweltpolitischen Gründen zu verantworten. Damit stellt sich zwingend die Aufgabe, die Volkswirtschaften auch bei dauerhaft niedrigem, gar völlig versiegendem Wirtschaftswachstum zu stabilisieren. Das heißt, Vollbeschäftigung ohne Wachstum zu erreichen und den Sozialstaat auch ohne Wachstumsdividende zu finanzieren. Das ist möglich, aber es verlangt eine Transformation der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Strukturen und der sozialethischen Einstellungen. Es steht nicht in Frage, ob sich dieser geschichtliche Wandel vollzieht, sondern in welchen Formen er abläuft - über weitere Krisenverschärfung und quasi-revolutionäre Brüche oder auf dem Weg vorausschauender, kontinuierlicher Reformen.«
u.s.w.
Meldung heute: Noch scheint die Sonne über Stuttgart in den grünverfärbten Brillen.
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