Desinfektionsmittel, Impfstoffe und Grippemedikamente – mit welchen Waffen Lanxess, Qiagen und Co den Kampf gegen die Vogelgrippe aufnehmen. Und Geschäfte machen wollen Autos werden damit besprüht, Gummistiefel, Männer in Schutzanzügen und sogar ganze Geflügelställe. Preventol heißt der Stoff, der – verdünnt und in winzige Tröpfchen aufgelöst – derzeit in Deutschland in der Luft liegt. Preventol ist ein Desinfektionsmittel, aber nicht irgendeines. Untersuchungen der Universität Gießen mit Influenza A-Viren haben ergeben, daß diese Chemie äußerst wirksam gegen das Vogelgrippe-Virus H5N1 ist. \"Selbst bei hoher Schmutzbelastung lassen sich durch Preventol Keime, Bakterien und Viren wirkungsvoll bekämpfen\", sagt Dietmar Schlegel, der als Marktbereichsleiter Desinfektion & Personal Care des Leverkusener Chemiekonzerns Lanxess die Entwicklung von Preventol koordiniert. Das Konzentrat, das rund zehn Euro pro Liter kostet und erst vor Ort im Verhältnis 1:100 zu Spritzbrühe verdünnt wird, entfaltet seine Wirkung besonders gut in Geflügelställen, wo Preventol so genannte umhüllte Erreger wie das Vogelgrippe-Virus H5N1 attackiert. Schlegel: \"Preventol besitzt eine Kombination aus drei Wirkstoffen, welche die Biomembran des Virus zerstört.\" Den ersten Nachfrageschub erlebte der flüssige Virenkiller mit Ausbruch der Lungenseuche SARS in Asien. \"In der Folge haben wir erhöhte Bestellungen registriert, als das Virus auf Osteuropa und die Türkei übergriff\", so Schlegel. Mit dem Anflug der Vogelgrippe auf Westeuropa steigt aber auch hier der Bedarf an Desinfektionsmitteln kräftig an. Schlegel weiß: Wer mit Spritzmitteln gegen das Virus vorgehen will, kommt an Lanxess kaum vorbei: \"Wir sind einer der weltweit führenden Anbieter von industriellen Bioziden und Materialschutzstoffen.\" Innerhalb des Konzerns gehört Preventol zum Segment Performance Chemicals, das 2004 einen Umsatz von 1,91 Milliarden Euro erwirtschaftet hat. Preventol ist zwar kein Milliarden-Produkt, aber eine Innovation, die finanziell lukrativ ist. Schlegel kennt das Geschäft in- und auswendig. Seit 24 Jahren ist der studierte Kaufmann bei Bayer beziehungsweise dem vor einem Jahr abgespalteten Chemiekonzern Lanxess tätig – anfangs im Sektor Pflanzenschutz, danach für den Bereich Consumer-Produkte in den Vereinigten Staaten und in Argentinien. Seit fünf Jahren kümmert sich der begeisterte Basketballspieler und Jogger nunmehr in Leverkusen um Produkte für den Materialschutz. \"In diesem Job\", sagt der 45jährige, \"muß man komplexe naturwissenschaftliche Probleme analysieren, um innovative Produkte für Mensch und Tier zu entwickeln. Weil es dabei immer wieder neue Herausforderungen gibt, sollte man eine gewisse Leidenschaft mitbringen.\" Dabei wird der Kampf gegen das Vogelgrippe-Virus nicht nur mit Desinfektionsmitteln geführt. Vor allem Biotech-Firmen arbeiten an Testsystemen und Impfstoffen. So wie Qiagen. Das Unternehmen hat zwei Tests zum Nachweis von Grippe und Vogelgrippe bei Tieren auf den Markt gebracht. Die sind hochempfindlich – und schnell: Die Ergebnisse liegen innerhalb von 75 Minuten vor. Allerdings will das Qiagen-Management nichts von einem Vogelgrippe-Hype wissen. \"Bislang sind die Umsätze mit diesen Tests marginal\", so eine Sprecherin. Die Phantasie liege vielmehr in der regelmäßigen und langfristigen Anwendung von Vogelgrippe-Tests. Sofern Nutzgeflügel eines Tages systematisch gegen die Grippeviren untersucht werden sollte, rechnet sich Qiagen gute Chancen aus, \"signifikante Umsätze\" zu erwirtschaften. \"Wir bieten in diesem Bereich das breiteste Portfolio an\", so die Sprecherin. Neben den eigentlichen Tests habe Qiagen auch Test- und Probenvorbereitungen sowie Reagenzien im Portfolio. Eine Spekulation auf Umsätze mit der Vogelgrippe stellt die Aktie von Biocryst Pharmaceuticals dar. Das US-Unternehmen verfügt über das Grippemedikament Peramivir, das derzeit auf seine Wirksamkeit gegen die Vogelgrippe getestet wird. Im Januar hat die Firma von der US-Arzneimittelbehörde FDA den beschleunigten Fast-Track-Status für die klinischen Versuche erhalten. Doch Vorsicht: 2002 ist Biocryst mit demselben Medikament in den klinischen Studien der Phase III durchgefallen. Dabei hatte sich herausgestellt, daß durch die Einnahme der Tabletten nicht genug Wirkstoff in den Patienten gelangte. Entwicklungspartner Johnson & Johnson kündigte daraufhin die Zusammenarbeit mit Biocryst, die Firma stellte die Entwicklung ein, die Aktie stürzte ab. Mittlerweile bietet Biocryst Peramivir als Injektion an. Dadurch soll gewährleistet werden, daß genug Wirkstoff in den Körper gelangt. Das scheint auch die Phantasie der Aktionäre anzuregen. Seit den Tiefstständen bei drei Euro im Mai vergangenen Jahres hat die Aktie ihren Wert versechsfacht. Noch eine Nummer spekulativer sind die Papiere der US-Firmen Avi Biopharma und Generex Biotech. Avi Biopharma sorgte mit Zwischenergebnissen des Mittels Neugene in der Fachwelt für Aufsehen. Tests haben ergeben, daß Neugene effektiv gegen verschiedene Grippestämme wirkt. Das Unternehmen hofft nun, diesen Effekt auch auf den Vogelgrippe-Erreger H5N1 übertragen zu können. Allerdings befindet sich das Produkt noch in einem recht frühen Entwicklungsstadium. Dennoch sind die Zocker längst aktiv: Avi Biopharma wird an den Börsen heiß gehandelt. Generex arbeitet seinerseits an einem Impfstoff, der die Wirkung anderer Grippe-Impfstoffe verstärkt. Wie der Avi-Biopharma-Kurs ist auch die Generex-Aktie explodiert. Die Gefahr ist groß, daß am Ende nur Rauch übrigbleibt. Das ist im Fall Lanxess kaum zu befürchten. Neben der Weiterentwicklung von Preventol denkt Marktbereichsleiter Schlegel bereits an neue Herausforderungen: Desinfektionsmittel für den medizinischen Bereich zum Beispiel. Schlegel: \"In Krankenhäusern gibt es viele resistente Viren.\" Experten schätzen, daß daran jährlich 40000 Menschen sterben. Der Lanxess-Mann träumt von Desinfektionsmitteln, die diesen Viren den Garaus machen. \"Das trifft genau unsere Kernkompetenz\", schwelgt Schlegel. \"Damit würden wir unsere Position in der Champions League der Desinfektion weiter festigen.\"
Autor: SmartHouseMedia (© wallstreet:online AG / SmartHouse Media GmbH),09:12 05.03.2006
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