In einem hinterhältig, aber genial eingefädelten Absetzungsmanöver haben die von einer entfesselten Linken ferngesteuerten bürgerlichen Mitteparteien CVP und Teile der FDP einen amtierenden Bundesrat ohne nähere Begründung aus dem Amt gekippt. An seiner Stelle wurde klammheimlich eine links von der SVP politisierende Finanzdirektorin aus einer herrschaftsgewohnten Sippe Graubündens installiert. Es war viel von Stil die Rede in diesem Wahlherbst. Der Stil der Blocher-Abwahl bestand darin, dass die von einem sozialdemokratischen Schlossbesitzer gecoachte und von einem Kommunisten lancierte SVP-Kandidatin ihren Parteipräsidenten täuschte und gegen Beschlüsse der Delegierten und der Fraktion verstiess. Kann man es einem Menschen übelnehmen, wenn er für einen Karrieresprung und eine lebenslange Pension Wortbruch oder faule Tricks riskiert? Gegen den von einem Kollegen als «Duce» betitelten Blocher waren offensichtlich alle Methoden erlaubt.
Es ist kein Geheimnis, dass diese Zeitung viele Ideen und Vorstösse Blochers unterstützte. Der brachialfreisinnige Zürcher Noch-Bundesrat steht für eine konsequente Infragestellung des öffentlichen Sektors und seiner Eliten nach Jahren der Staatsaufblähung und der Ausgabeninflation. Er setzte sich für die Volksrechte und niedrige Steuern ein. Die Verwahrlosung unserer Sozialwerke bekämpfte er ohne Rücksicht auf sein Image. Man bezeichnete ihn als Fremdenfeind, doch die Politik Blochers zielte nicht gegen Ausländer an sich, sondern gegen die von links bis rechts verdrängte unkontrollierte Zuwanderung von Ausländern in die Schulen, in die Sozialsysteme und in unsere Gefängnisse.
Brachialfreisinnige «Jahrhundertfigur»
Am meisten verdankt das Land Blochers Kampf gegen die Europäische Union. Ohne sein Engagement wäre die Schweiz heute vermutlich teilfusioniert mit einem scheindemokratisch verfassten Europa. Der Verlust wesentlicher Volksrechte wäre die Folge. Der Schweizer Finanzplatz, der sich selten offen zum abgewählten SVP-Bundesrat bekannte, profitierte wesentlich. Zuletzt machte sich Blocher durch die unpopuläre Bekämpfung der Parallelimporte auch um die Pharma-Industrie verdient. Der Wertschöpfungsstandort Schweiz verliert einen seiner wirksamsten Interessenhüter im Bundesrat. Blocher unterlag im Parlament einem Kartell von Wahlverlierern, die sich am Donnerstag frenetisch freuten, eine «Jahrhundertfigur» (Tages-Anzeiger) gefällt zu haben.
Wie ist es anderseits möglich, dass die SVP ihren historischen Wahlerfolg vom letzten Oktober so krachend in den Sand setzte? Verbale Entgleisungen rabiater Einzelparlamentarier werden genannt. Man vermutet, die SVP hätte etwas Druck vom Pedal nehmen sollen nach dem fulminanten Wahlsieg und der GPK-Affäre. Man triumphierte über Gegner, die bereits am Boden lagen, und beging die taktische Dummheit, zur Unzeit unbotmässige Bündner Fraktionsmitglieder abzustrafen. Das alles sind plausible Deutungen im Rückblick, Vorwände und Schutzbehauptungen, die allerdings nicht den Kern treffen und auch die Frage nicht beantworten, warum ein Bundesrat, dem eine hervorragende Amtsführung bescheinigt wird, und seine Partei derartige Fronten des Hasses mobilisieren konnten. Auch das Stil-Argument greift zu kurz. Parlamente haben keine gefühlten Schönheitsnoten zu vergeben. Es wäre absonderlich, ginge es am Ende nicht um Leistung, sondern um die blosse Form.
Sieg der Etatisten
Was also brachte Christoph Blocher zu Fall? Drei Hypothesen sind denkbar. Erstens: Der Herrliberger Politikunternehmer stiess an die Grenzen unseres Regierungssystems. Es kommt ganz selten vor, dass die Top-Leute der Parteien ins höchste Amt vorstossen. Weder Bodenmann noch Hubacher hatten eine Chance. Einen Furgler erduldete man zähneknirschend in gemütlicheren Zeiten. Zweitens: Blocher bekämpfte fundamental die Kreise, die ihn wählen sollten. Keiner stellte sich dem Staat kompromissloser entgegen. In der Abwahl vom Mittwoch wurde die Konfliktlinie sichtbar. Es jubelten Verwaltungsangestellte, Bundesparlamentarier, berufsmässige Etatisten und Sozialisten. Sie waren in der Überzahl. Drittens: Blocher verkörpert den unerbittlichen Erfolgsaufsteiger, der unter Umgehung des Dienstwegs nach oben kam. Seine blosse Präsenz reizt die Leute, die weniger erreicht haben.
Ob Blocher eigenen Fehlern oder den Naturgesetzen der Schweizer Politik zum Opfer fiel, ist schwer zu sagen. Wichtiger bleibt die Frage, welche Positionen die Schweiz in Zukunft prägen werden. Droht ein Rückfall in den Schlendrian der Neunziger? Wird der europäische Generaltrend einer schleichenden Entmachtung des Stimmbürgers auch hierzulande fortgesetzt? Die peinlichen Avancen der linksgrünen Seite gegenüber der neuen Bundesrätin lassen Ungutes vermuten. Es kommen interessante Zeiten auf uns zu.
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