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Fintechs krempeln sukzessive das Geschäft der Banken um. Diese täten gut daran, sich nicht vor der Konkurrenz zu fürchten, rät Bankenexperte Smertnig
Wien – "Bankgeschäfte sind notwendig, Banken nicht." Diesen Abgesang auf etablierte Geldinstitute stimmte Microsoft-Gründer Bill Gates im Jahr 2000 an, in Hinblick auf die zunehmende Durchdringung der Geschäfts- und Privatwelt durch das Internet, das den Besuch einer Bankfiliale obsolet mache. Eineinhalb Jahrzehnte später hat sich die Branche durch Digitalisierung dermaßen verändert, dass das Bankengebilde ins Wanken geraten ist. Auslöser sind sogenannte Fintechs (eine Zusammensetzung aus Financial Services und Technology), die dabei sind, den Banken Marktanteile abzujagen. Allen voran Internetriesen wie Google, Apple, Facebook, Amazon oder Alibaba.
"Die 200 Jahre alte Bankenkultur wird gerade auf den Kopf gestellt", sagt Roland Smertnig, Senior Managing Director und Bankenexperte des Beratungsunternehmens Accenture. Während Banken heute immer noch von hinten bis vorn alles in ihrem Geschäft selbst abzudecken versuchten, würden sie in vielen Bereichen von großen und kleinen Fintech-Firmen mit ihrem spezialisierten Angebot überholt. Sie böten ihren Nutzern vor allem eines, Bequemlichkeit, "one click, one touch, und kommen damit der jungen Generation sehr entgegen".
Systemrelevante Banken
Die Hoffnung traditioneller Player, dass es sich dabei nur um einen Hype handle, sei trügerisch. Die junge Generation von heute, die in zehn Jahren den höchsten Wertbeitrag brächte, wolle keine klassischen Banken mehr. Für junge Menschen, die bereits in der digitalen Welt lebten, seien umständliche Konteneröffnungen oder komplizierte Überweisungen geradezu mittelalterlich.
Haben Banken dann überhaupt noch eine Zukunft? Ja, sagt Smertnig. Banken seien und blieben systemrelevant. Sowohl bei Vorsorge- als auch bei Kreditgeschäften bedürfe es vertrauenswürdiger Institutionen. "Facebook-Likes sind als Bonitätsangabe wohl weiterhin nicht genügend." Banken blieben ein zentrales Element im Geldgeschäft. Doch statt die Dienste der Fintechs als Bedrohung zu sehen, sollten sie sich deren Innovationskraft zunutze machen und Kooperationen eingehen. Banken könnten zu Vermittlern für Finanzdienstleistungen werden. Eine Entwicklung, die mittlerweile als Uber-Banking bezeichnet wird, in Anlehnung an den Online-Fahrdienstvermittler Uber, der sich zum größten Taxiunternehmen weltweit aufgeschwungen hat, ohne selbst eigene Fahrzeuge zu besitzen.
Die großen und weltweit agierenden Player der Bankenbranche haben laut Smertnig diesen Paradigmenwechsel bereits verstanden. Regionale Banken, die sich auf das direkte Geschäft mit Kunden verlassen, hinkten hinterher.
Accenture hat 350 Fintechs auf einer Watchlist, mit 35 besteht eine enge Zusammenarbeit. Eines der "heißen" Themen, an denen die jungen Finanz-Start-ups arbeiten und die bei den Workshops des Beratungsunternehmens von Banken aktuell mit am stärksten nachgefragt werden, ist Blockchain, eine vor allem im Zusammenhang der digitalen Währung Bitcoin bekannt gewordene Technologie. "Banken fürchten, dass ein Teil ihres Geschäfts mit Bitcoins umgangen wird", sagt Smertnig. "Sie haben hohes Interesse daran, herauszufinden, für welche Geschäftsfälle Blockchain sinnvoll ist", so der Bankenexperte.
Mehrwert für Kunden
Ein Bereich, in dem Banken auch künftig ihre Stärke ausspielen könnten, seien Beratungen und Vermögensverwaltung. "Bei Finanzinvestitionen ist der Onlinebanking-Kunde überfordert. Da wünscht er weiterhin Hilfestellung. Schon allein deshalb wird es auch künftig Filialen geben – wenn auch nicht mehr flächendeckend", meint Smertnig. "Wer es richtig macht, wird sinnvolle Services anbieten, die einen Mehrwert für Kunden haben." Ein Patentrezept sieht Smertnig allerdings nicht: "Um den richtigen Weg zu finden, werden viele Bankenvorstände in Österreich und weltweit graue Haare bekommen. Die Antwort liegt nicht so einfach auf dem Tisch."
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