Angebot zur Steueramnestie birgt Tücken Bei nachträglich erklärten Spekulationsgewinnen wird ein horrender Steuersatz fällig von Nando Sommerfeldt
Berlin - Acht von zehn Deutschen haben schon einmal absichtlich weniger Steuern gezahlt als sie hätten zahlen müssen. Dies entlarvte jetzt eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Gewis. Als Grund der Steuerhinterziehung gaben die Befragten zumeist "Unmut über den Staat" an. Genau hier will die Bundesregierung nun gegensteuern.
Steuersünder mit schlechtem Gewissen können seit Jahresanfang Buße tun und ihre bislang nicht versteuerten Einnahmen dem Fiskus beichten, ohne bestraft zu werden. Wer hinterzogene Beträge im Laufe dieses Jahres dem Fiskus meldet, muss diese grundsätzlich deutlich geringer versteuern als dies bisher im Rahmen der Selbstanzeige notwendig war.
Für die so genannte strafbefreiende Erklärung gelten zwei Stufen. Bei einer Offenlegung vom 1. Januar 2004 bis zum 31. Dezember 2004 wird ein Steuersatz von 25 Prozent auf die erklärten Einnahmen erhoben. Wer sich danach bis einschließlich 31. März 2005 meldet, muss 35 Prozent Steuern auf die erklärten Einnahmen zahlen.
Eigentlich ein gutes Angebot für jeden, der sein Gewissen rein waschen möchte. Doch bei der nachträglichen Erklärung von Spekulationsgewinnen sieht die Offerte von Hans Eichel nicht mehr ganz so gut aus. Denn wenn es bei der aktuellen Haltung des Finanzministeriums bleibt, ist der auf den ersten Blick viel versprechende Steuersatz von 25 Prozent bei Spekulationsgeschäften ein schwer wiegender Trugschluss.
Problematisch ist, dass das Amnestie-Gesetz die Angabe der "Einnahmen" verlangt. Bei Wertpapiergeschäften im Rahmen von privaten Veräußerungsgeschäften wird nur die Differenz zwischen Veräußerungspreis und Anschaffungskosten versteuert, also der Gewinn. Anders sieht die Beurteilung verschwiegener Gewinne im Rahmen der Amnestie aus. Hier muss der Steuerzahler, so die derzeitige Auffassung der Finanzbehörden, die Steuer auf die Einnahmen und damit auf den Veräußerungspreis zahlen.
Ein simples Rechenbeispiel verdeutlicht die Brisanz dieser Regelung. Hat ein Anleger für 8000 Euro Aktien gekauft und für 10 000 Euro wieder verkauft, muss er anders als normalerweise nicht den Gewinn von 2000 Euro, sondern die gesamten 10 000 Euro als Einnahmen versteuern. 40 Prozent davon kann er pauschal als Werbungskosten abziehen. Bleiben noch 6000 Euro, auf die er 25 Prozent Steuern zahlen muss. Das sind dann 1500 Euro bei einem realen Gewinn von gerade einmal 2000 Euro. So beträgt der Netto-Steuersatz eigentlich 75 Prozent.
"Auf Grund des Gesetzeswortlautes ist dieses Verfahren zwar sachlich richtig. Praktisch macht das aber überhaupt keinen Sinn", sagt Anja Maria Albers, Expertin für Steuerstrafrecht bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young in Stuttgart. Doch wie aus Kreisen des Finanzministeriums zu vernehmen ist, wird die Regelung wohl nicht überarbeitet werden. Zwar fand am vergangenen Donnerstag ein Treffen der Verantwortlichen statt, aber Experten rechnen nicht mit einer Umgestaltung. "Der Bund braucht Geld und da ist es unwahrscheinlich, dass eine Lösung bevorzugt wird, die den Steuerzahler entlastet", meint Albers. Das Finanzministerium sieht nach eigenen Angaben keinen Grund, die Bestimmungen des Steueramnestiegesetzes zu ändern. "Es läuft eine Abstimmung unter den Bundesländern, wie der Leitfaden zur Erklärung genau aussehen soll", sagt Oliver Heyder-Rensch, Sprecher des Bundesfinanzministeriums. "Es wird aber keine Änderungen oder Ergänzungen geben. Hierfür besteht kein Bedarf."
Wenn es tatsächlich bei der aktuell gültigen Regelung bleibt, macht es nach Ansicht von Fachleuten keinen Sinn, bei Spekulationseinkünften das Angebot des Gesetzgebers anzunehmen. "In den meisten Fällen wird die Steuerbelastung größer als bei einer Selbstanzeige sein", erläutert Expertin Albers. Deshalb empfiehlt sie in diesem Fall, letztere Möglichkeit zu nutzen. "Bei einer Selbstanzeige wird dann der Gewinn ganz normal besteuert. Zusätzlich werden sechs Prozent Hinterziehungszinsen pro Jahr verlangt." Damit fahre der Investor aber immer noch besser als die Regelung zur Steueramnestie bei Spekulationsgewinnen zu nutzen. Manchmal macht laut Albers auch eine Kombination aus Selbstanzeige und Amnestie Sinn. "Dies ist jedoch individuell für jeden Fall zu beurteilen."
Wichtig ist - und da sind sich alle Experten einig -, das Angebot der Finanzverwaltung nicht vorschnell anzunehmen. Schon allein die Berechnung der Summe, die ein Steuersünder gestehen wolle, sei schwierig. Sie raten den reuigen Deutschen daher, sich zunächst an einen Steuerberater oder Anwalt zu wenden. Dieser könne am besten entscheiden, ob die Lösung einer strafbefreienden Erklärung im speziellen Fall tatsächlich die beste ist.
Artikel erschienen am 2. Feb 2004
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