Die totale Diskriminierung Jeder, der sich benachteiligt fühlt, kann künftig klagen. Mißbrauch ist programmiert. Die Wirtschaft fürchtet unkalkulierbare Kosten von Stefan von Borstel und Christoph B. Schiltz
Claudia Roth hatte einen Traum. Niemand soll wegen Herkunft, Geschlecht, Religion, Alter, Behinderung und sexueller Orientierung benachteiligt werden können. Homosexuelle, denen pauschal eine Lebensversicherung verweigert wird. Alte, die keine Konsumentenkredite mehr bekommen. Frauen, die höhere Beiträge zur Lebensversicherung bezahlen müssen als Männer. Behinderte, die keinen Tisch im Restaurant bekommen. Junge Araber, die an der Disko-Tür abgewiesen werden. Sie alle sollen sich künftig per Gesetz gegen Diskriminierung wehren können. Aus diesem Traum ist Wirklichkeit geworden: Das deutsche Antidiskriminierungsgesetz. Gestern wurde der Gesetzentwurf in erster Lesung im Bundestag beraten. Und nichts, so scheint es jedenfalls, kann ihn mehr aufhalten. Für Grünen-Chefin Roth ist das Gesetz ein "wichtiger Baustein der gesellschaftlichen Demokratisierung". Für die Opposition ist es eine Kampfansage an die Freiheit, für die Wirtschaft ein "Beschäftigungsprogramm für Juristen".
Dabei hatte alles ganz harmlos angefangen. In den Jahren 2000 und 2002 verabschiedete die EU drei Richtlinien, die in Europa für Gleichheit zwischen den Rassen und Geschlechtern sorgen sollten. Die Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement und Familienministerin Renate Schmidt (beide SPD) wollten die Richtlinie in nationales Recht umsetzen, aber auf keinen Fall zusätzliche Regeln aufnehmen. Doch sie hatten die Rechnung ohne die grünen Gutmenschen gemacht. Claudia Roth, Volker Beck und Teile der Grünen-Fraktion sorgten dafür, daß aus der schlichten Umsetzung dreier EU-Richtlinien ein Gesetz wurde, daß jedem in Deutschland die Tür öffnet, sich einmal so richtig diskriminiert zu fühlen.
Für Arbeitgeber, Vermieter, Wohnungsgesellschaften, Versicherungen und Gastwirte kann das neue Gesetz teuer werden. Jeder, der sich diskriminiert fühlt und dies glaubhaft machen kann, kann sie künftig vor Gericht zerren. Dort müssen sie dann beweisen, daß sie nicht diskriminiert haben. Im Deutsch der Juristen heißt das "Umkehr der Beweislast".
Beispiel: Ein abgewiesener Bewerber könnte behaupten, er sei nicht eingestellt worden, weil der Arbeitgeber Ausländer diskriminiere. Als Indiz für die ausländerfeindliche Gesinnung des Arbeitgebers nennt er die unterdurchschnittliche Ausländerquote im Unternehmen. Der Arbeitgeber müßte dann vor Gericht beweisen, daß er den ausländischen Bewerber nicht wegen seiner Herkunft abgelehnt hat. Dazu muß er auch die Bewerbungsunterlagen aufbewahren. Das ist nicht so einfach: Allein die Frankfurter Flughafengesellschaft Fraport erhält im Jahr 16 000 Bewerbungsmappen.
Auch Vermieter müssen in Zukunft umfangreiche Dokumentationspflichten erfüllen, um Mietverhältnisse jederzeit nachweisbar begründen zu können. Versicherungen wiederum müssen unterschiedliche Tarife - so sieht es der Gesetzestext vor - mit einer auf "genauen versicherungsmathematischen und statistischen Daten beruhenden Risikobewertung" belegen.
Dem Arbeitgeber drohen aber nicht nur Klagen, wenn er selbst seine Arbeitnehmer diskriminiert haben soll. Auch wenn Dritte, etwa Kunden oder Lieferanten, diskriminieren, soll er haften. In der Praxis könnte das so aussehen: Ein Kunde kommt in eine Bank und weigert sich, von einer Frau in Gelddingen beraten zu werden. Laut Gesetz wäre dies eine Diskriminierung der Frau aufgrund ihres Geschlechts. Der Arbeitgeber muß die Frau nun vor Diskriminierung schützen. "Realitätsfern" nennt Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt diese Regelung, die in den europäischen Richtlinie auch gar nicht gefordert wird.
Zudem sieht der Gesetzentwurf eine Art Verbandsklagerecht für Betriebsräte und Gewerkschaften vor - selbst gegen den Willen des Arbeitnehmers. Der Betriebsrat als Sittenpolizei? Neben Gewerkschaften und Betriebsräten sollen künftig auch "Antidiskriminierungsvereine" Ansprüche einklagen können, die der Arbeitnehmer an sie abgetreten hat. "Diese Vereine werden medienwirksam gegen die Arbeitgeber zu Felde ziehen - und ganz nebenbei viel Geld damit verdienen", vermutet Unionsfraktionsvize Karl-Josef Laumann. "Unkalkulierbare Prozeßrisiken" sieht Arbeitgeberpräsident Hundt auf die Wirtschaft zurollen und verweist auf das "wenig ermutigende Beispiel" der Abmahnvereine. Auch für die Kirchen birgt das Gesetz Risiken. Zwar sieht es Gesetz ausdrücklich eine "zulässige unterschiedliche Behandlung wegen der Religion oder Weltanschauung" vor. Doch die Kriterien dafür sind schwammig formuliert.
Niemand weiß, wie sich die Kulturrevolution auf dem Papier in der Praxis auswirken wird. Wird ein Arbeitnehmer, der sich diskriminiert fühlt, in Zeiten großer Jobangst auch wirklich gegen seinen Arbeitgeber klagen? Werden die Richter mit den "sachlichen Gründen", die eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen, klug umgehen? Ein Volk von rechtskräftig Diskriminierten ist derzeit nicht in Sicht. Aber dem Mißbrauch des Diskriminierungsvorwurfs sind mit diesem Gesetz Tür und Tor geöffnet. Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Irmingard Schewe-Gerigk, versucht zu beruhigen: "Der Kinderteller, das Seniorenticket und die Frauensauna bleiben trotz Antidiskriminierungsgesetz erhalten."
Artikel erschienen am Sam, 22. Januar 2005
oder werden die mitbürger von der npd nicht wegen ihrer gesinnung verfolgt???
servus
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