Andenken mitnehmen, sonst sitzt Du über Weihnachten im türkischen Gefängnis.
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Die Mitnahme von gekauften oder zufällig gefundenen antiken Steinen ist in der Türkei kein Kavaliersdelikt. Immer mehr Fälle werden bekannt, in denen deutsche Urlauber verhaftet wurden. Offensichtlich auch deshalb, weil Reiseveranstalter ihre Kunden nicht ausreichend informieren.
Von Wolfgang Rathgeber
Die türkische Riviera ist ein offenes Museum. Die Römer haben überall ihre Spuren hinterlassen. Steine aus dieser Zeit sind überall in dieser Gegend zu finden, liegen oft unbeachtet am Wegesrand oder werden sogar zum Verkauf angeboten. Immer wieder wollen Urlauber solche Steine als Mitbringsel nach Hause nehmen. Sie wissen meist nicht, dass antike Gegenstände wie Steine und auch Münzen nicht ausgeführt werden dürfen. Was die Touristen auch nicht wissen: Diese Tat wird als schweres Verbrechen geahndet. „Zwei bis zehn Jahre Gefängnis sieht das türkische Gesetz vor, und die Gefängnisstrafe kann in der Regel nicht mit einer Geldstrafe ersetzt werden“, so Bilal Kalayci, Strafverteidiger aus Antalya, der immer wieder die Verteidigung bei diesem Delikt, auch von deutschen Urlaubern, übernimmt.
Manfred Klode hatte mit drei weiteren Teilnehmern eine billige Kaffeefahrtreise an die türkische Riviera bei Schöne FFO Weltreisen GmbH gebucht. Die Rundreise von FFO an die türkische Riviera ist mit Verkaufsveranstaltungen verbunden. An denen muss man nicht unbedingt teilnehmen, und somit setzte sich Manfred Klode mit seinen Freunden während einer dieser Veranstaltungen ab. Bei einem Bauernhof fand Manfred Klode einen Stein, der offenbar von einer Mauer abgebrochen war. Einen Marmorstein, an dem noch Zement hing. Und diesen Stein wollte er als Andenken nach Deutschland mitnehmen. Von dem Ausfuhrverbot von antiken Steinen und den damit verbundenen drastischen Gefängnisstrafen hatte er, wie er sagt, weder bei der Buchung noch während der Reise erfahren.
Das Schicksal nahm seinen Lauf. Ahnungslos stellte Manfred Klode am Flughafen seine Tasche mit dem Stein auf das Durchleuchtungsgerät. Der Stein fiel auf. Ein Sachverständiger vom Museum stufte diesen Stein als antik ein. Manfred Klode wurde verhört, erkennungsdienstlich erfasst und einem Haftrichter vorgeführt. Der schickte ihn bis zur Verhandlung sechs Wochen in das überfüllte Gefängnis in Antalya. Diese Zeit wird Manfred Klode nie vergessen. Ihm wurde alles abgenommen, schildert er. Selbst die Medikamente, die er dringend benötigte und auf Drängen dann schubweise wiederbekam. Ansonsten musste man sich alles neu kaufen. In der überbelegten „Ausländerzelle“ musste der Asthmatiker und Hochdruckpatient rund 14 Tage auf einer Matratze auf dem Boden schlafen. Er fror jede Nacht. Dramatisch wurde es für ihn auch, als in einer Nachbarzelle eine Matratze in Brand geriet und Manfred Klode die Zelle nicht verlassen konnte. Ein nicht geerdeter Wärmeaufbereiter versetzte ihm einen elektrischen Schlag, so dass sein Arm gelähmt war und er über Tage hinweg unter Herzrhythmusstörungen litt, erklärt Manfred Klode.
Nach sechs Wochen stand der Verhandlungstermin an, wie für alle - uns bisher bekannte - inhaftierte deutsche Urlauber. Unter schwerster Bewachung verurteilte das Strafgericht ihn zunächst zu fünf Jahren Haft, reduzierte dann jedoch auf rund 18 Monate. Schließlich ließ man ihn gegen eine Kaution von knapp 6.000 Euro nach Hause fliegen. Rund 3.500 Euro kostete der Verteidiger.
Kein Einzelfall. Vergangenen Freitag schloss Irmtraud Erdmann-Goerl ihren Mann am Flughafen Düsseldorf nach mehreren Wochen überglücklich wieder in ihre Arme. Dem 63-jährigen Lehrer war das Gleiche widerfahren. Die beiden waren mit DERTOUR unterwegs.
Rolf Goerl hinterließ in der Zelle einen Kollegen, der nach dessen Schilderung mit GTI-Reisen aus Düsseldorf unterwegs war und noch Wochen auf seinen Prozess warten muss, obwohl er mit seiner Bandscheibenoperation jetzt größte Probleme hat und laut unserer Informationen abgemagert sein soll. Beide Urlauber wurden nach ihren Angaben ebenfalls nicht von ihren Reiseveranstaltern informiert.
Schöne FFO Weltreisen GmbH erklärt gegenüber markt, ihre Kunden würden grundsätzlich an Ort und Stelle auf das Verbot, antike Steine mitzunehmen, hingewiesen. Allerdings gibt es daran Zweifel. Denn Teilnehmer einer anderen Urlaubsreise von FFO in die Türkei, über die der WDR zu einem anderen Thema in diesem Jahr ein halbstündige Reportage ausgestrahlt hatte, berichteten uns wie Manfred Klode, nicht gewarnt worden zu sein.
Von DERTOUR bekommen wir die Antwort, dass man Türkeireisen nicht im Programm habe. Um so eigenartiger, dass die Rundreise durch die Türkei in einem Erlebnisreisenkatalog von DERTOUR auftaucht...
Der Reiseveranstalter GTI widerspricht der Schilderung, er habe nicht gezielt auf das Risiko hingewiesen. Vielmehr würde bei einem so genannten Willkommenscocktail am ersten Tag nach der Anreise auf behördliche Verbote und Ausfuhrbestimmungen der Türkei aufmerksam gemacht.