IVG Immobilien: Großes „unterirdisches“ Kurspotenzial Die Fantasie bei der Aktie der IVG Immobilien AG ist unter der Erdoberfläche verborgen, in 1.000 bis 1.500 Meter Tiefe. Denn dort befinden sich im ostfriesischen Etzel die Kavernen des Bonner Konzerns; künstlich erzeugte Hohlräume in den riesigen unterirdischen Salzstöcken der norddeutschen Tiefebene, die zur Lagerung von Öl und Erdgas dienen. Diese Lagerstätten sind nun der Hoffnungsträger für die arg gebeutelten Aktionäre, die im Frühjahr des vergangenen Jahres noch über 37 Euro für die Aktie bezahlen mussten, bei einem Verkauf derzeit aber weniger als ein Drittel ihres Geldes (aktueller Kurs: 12,30 Euro) zurückbekommen würden. Alleine in den letzten sechs Monaten ist der Kurs um 48% eingebrochen; die IVG-Aktie gehört damit in diesem Jahr zu den „Top 5“-Verlierern im MDAX und kann sich nicht gegen den schwachen Branchentrend stemmen. Denn auch die Rheinländer bekommen die Auswirkungen der Finanz- und Immobilienkrise in den USA zu spüren. Doch nun will sich der deutsche Branchen-Primus, der ein Immobilienvermögen von gut 20 Milliarden Euro verwaltet, von seinen Kavernen trennen - ob ganz, teilweise oder durch die Einbringung in einen Fonds, ist dabei noch nicht klar. Zwar konnte dieses Geschäftsfeld im abgelaufenen Jahr seinen operativen Gewinn mehr als vervierfachen (von 26,8 auf 124 Millionen Euro), vor allem dank der Neubewertungsgewinne durch die Inbetriebnahme von sechs umgerüsteten Kavernen. Jedoch werde der Wert von „IVG Caverns“ vom Kapitalmarkt nicht angemessen honoriert, klagt IVG-Vorstandschef Wolfhard Leichnitz, denn die Sparte werde eher der Infrastrukturbranche als dem Immobilienmarkt zugerechnet. Nach Rekordjahr: Deutlicher Gewinnrückgang in 2008 Die Enttäuschung ist dem 56-Jährigen, der 2006 vom Konkurrenten Viterra kam und zuvor bei Hochtief im Vorstand war, anzumerken, denn er ist überzeugt, für dieses Geschäft „problemlos einen attraktiven Preis“ erzielen zu können. Für Enttäuschung und Verunsicherung hatte aber auch Leichnitz gesorgt – und damit für eine Verschärfung des Abwärtstrends beim Aktienkurs. Denn nach dem Rekordjahr 2007 stellte er schon früh deutliche Gewinneinbußen für das laufende Jahr in Aussicht - ohne diese näher zu beziffern. Das geschah erst mit den Zahlen zum ersten Quartal im Mai. Im vergangenen Jahr hatte der ehemalige Staatsbetrieb einen Gewinnsprung verzeichnet - vor allem aufgrund der Wertsteigerung des eigenen Investmentportfolios von 2,6 auf 5 Milliarden Euro, nahezu eine Verdopplung durch Zukäufe und die Erhöhung des Marktwertes. Der trübe Ausblick blieb aber nicht die einzige bittere Pille, die die Aktionäre schlucken mussten: Denn dass die Büroimmobilien im Wert von 3,5 Milliarden Euro, die in einer Tochtergesellschaft („IVG Office Reit) zusammengefasst sind, noch wie geplant in diesem Jahr als REIT an die Börse gebracht werden, wird ebenfalls immer unwahrscheinlicher. „Das ist angesichts des schwachen Kapitalmarktumfeldes kaum mehr darstellbar“, so Leichnitz, der für die Platzierung des Real Estate Investment Trusts, eines steuerbegünstigten Immobilienfonds, nun eher das nächste Jahr für realistisch hält: „Ich hoffe auf 2009.“ Damit verbleibt für dieses Jahr nur die Hoffnung auf die Veräußerung der Kavernen. Bankhaus Lampe sieht IVG-Kursziel bei 27 Euro Frank Neumann vom Bankhaus Lampe sieht hier allerdings enorme Fantasie. Denn die Aktie notiere deutlich unter dem Net Asset Value (NAV) der Gesellschaft, der bei 29,03 Euro liege, in dem ein Teil- bzw. Komplettverkauf des Kavernengeschäftes aber noch gar nicht enthalten sei. Zwar hat der Immobilienexperte die Gewinnprognosen für das laufende und das kommende Jahr zurückgenommen, doch er verweist bei seiner „Kaufen“-Empfehlung (Kursziel 27 Euro) „auf das hohe Potenzial, welches die Veräußerung mit sich bringt“. Doch wie hoch ist das Potenzial? 40 Kavernen (je 20 für Öl uns Erdgas) mit einer Kapazität von 21 Millionen Kubikmetern sind in Betrieb und vermietet, durchschnittlich für 30 Jahre an Unternehmen aus der Energiebranche sowie staatliche Erdölbevorratungs-Organisationen. Für weitere 26 unterirdische Lagerstätten wurden bereits Mietverträge abgeschlossen, mehr als die Hälfte davon mit der E.ON Ruhrgas AG. Der größte deutsche Gasversorgungskonzern wird 15 Gaskavernen (Hohlraumvolumen mindestens 9 Millionen Kubikmeter) zwischen 2011 und 2013 in Betrieb nehmen – und hält zudem die Option auf zehn weitere. Insgesamt kann die IVG Immobilien AG die bestehenden Kapazitäten noch mehr als verdreifachen, denn sie besitzt die Rechte für insgesamt 130 dieser Erdöl- und Gasspeicher, die aufgrund der petrophysikalischen Eigenschaften von Salz eine natürliche Dichte garantieren und nicht zusätzlich ausgekleidet werden müssen. Bei einer Bauzeit von zwei bis drei Jahren für eine Kaverne geht das Unternehmen davon aus, den Endausbau der Anlage „voraussichtlich bis 2020 abgeschlossen“ zu haben. Der Wert der Anlage in Etzel wird von den Experten teilweise unterschiedlich beurteilt, auch weil Erfahrungswerte fehlen. Deshalb wurde vom Unternehmen ein Gutachten in Auftrag gegeben, um eine Bewertung „auf Basis realistischer, marktnaher Daten durchzuführen“. Dabei hat die Deutsche Bank unter der Berücksichtigung der drei Ausstiegs-Szenarien einen Bruttounternehmenswert zwischen 1,9 und 2,5 Milliarden Euro ermittelt. Investoren zeigen großes Interesse an den Kavernen IVG-Chef Leichnitz betont, es gebe keine Präferenzen für eine der Optionen, einzig einen Verkauf unter dem aktuellen Verkehrswert, den er bei rund 1,4 Milliarden Euro sieht, schließt er aus. Dabei lehnt er sich offensichtlich nicht zu weit aus dem Fenster, denn der Veräußerungsprozess ist längst angelaufen - und der Verkaufsprospekt offenbar, wie aus Branchenkreisen zu hören ist, auf reges Interesse gestoßen, unter anderem bei Investoren mit dem Anlageschwerpunkt Infrastruktur. Dazu gehören sollen RREEF, eine Tochter der Deutschen Bank, sowie die die australische Bank Macquarie. Daneben könnten aber auch strategische Bieter wie E.ON Ruhrgas auf den Plan treten, die jetzt bereits zu den Mietern zählen. Bei der WestLB steht die IVG-Aktie mittlerweile auf der „Mid & Small Cap Focus List“, denn der Start des Ausschreibungsverfahrens für das Kavernengeschäft dürfte versteckte Reserven offen legen, so der Analyst Wolfgang Fickus, der das Kursziel von 27 auf 29 Euro angehoben hat. Call-Optionen: IVG-Vorstand setzt auf steigende Kurse Auch Frank Neumann vom Bankhaus Lampe sieht durch den Verkauf „zumindest eines Teils der Kavernen“ die Chance, den fairen Wert dieses Investments offen zu legen und zu mehr Visibilität zu führen. Die unterirdischen Lagerstätten ermöglichen den Energieversorgern die Zwischenlagerung ihrer Öl- oder Gasimporte und damit die Deckung von saisonalen Verbrauchsspitzen. Große Kapazitäten sorgen zudem für mehr Flexibilität bei E.ON & Co, vor allem vor dem Hintergrund der stark schwankenden Rohstoffpreise. Zwar besteht laut Neumann derzeit in Deutschland grundsätzlich keine Kavernen-Knappheit, doch für die Anlage in Etzel sieht er Standvorteile, auch gegenüber der größten europäischen Kavernenspeicheranlage in Epe (Westfalen). Zum einen aufgrund der Nähe zu Wilhelmshaven, dem größten deutschen Umschlagplatz für Rohöl; zum anderen durch die geplante Anbindung an die Ostseepipeline, durch die in Zukunft Gas von Russland nach Deutschland transportiert werden soll. Weiterhin plant die IVG eine Pipeline ins niederländische Bunde, um auch den Markt in den Beneluxländern bedienen zu können. Der Abschluss des Kavernenverkaufs wird im zweiten Halbjahr erwartet; wenn man auf die Mitteilungen über Wertpapierkäufe von Führungspersonen (Director´s Dealings) schaut, wohl spätestens bis Mitte Dezember. Denn dann laufen die Call-Optionen aus, die unter anderem Vorstandsmitglied Bernd Kottman zuletzt gekauft hat. Angesichts des Basiswertes von 16 Euro erwartet er in den nächsten gut fünf Monaten eine Kurssteigerung von über 30% - andernfalls verfällt der Optionsschein wertlos. Das sollte Vertrauen bei den Anlegern schaffen, wenn auch die IVG-Verantwortlichen vom Erreichen ihrer Ziele überzeugt sind. Da an der Börse die Zukunft gehandelt wird, könnte schon bei der nächsten Beruhigung der Aktienmärkte die längst überfällige Erholung des MDAX-Titels, der immer noch im Bereich seines 52-Wochen-Tiefs (11,70 Euro) notiert, einsetzen. Die Aufwärtsbewegung dürfte an Dynamik gewinnen, wenn die Vollzugsmeldung bezüglich der Kavernen-Veräußerung über die Ticker der Nachrichtenagenturen geht. Auch der REIT-Börsengang bleibt ein Thema In diesem Fall halten auch die Analysten steigende Kurse für wahrscheinlich: „Die Ausgliederung des Kavernengeschäfts dürfte helfen, die Lücke zwischen aktuellem Kurs und Nettovermögenswert der Aktie zu schließen“, so Wolfgang Fickus von der WestLB. Neben dieser Fantasie verweist Frank Neumann vom Bankhaus Lampe auch noch einmal darauf, dass das Unternehmen mit seinen Mieteinnahmen im Gewerbeimmobilien- sowie Kavernenbereich über stabile Cash-flows verfügt, andererseits werde auf längere Sicht auch wieder der REIT-Börsengang ins Blickfeld rücken. Es spricht also derzeit einiges dafür, dass die tief verborgenen Potenziale bei der IVG Immobilien AG in den nächsten Monaten zu Tage treten... Redaktion financial.de Hinweis: ARIVA.DE veröffentlicht in dieser Rubrik Analysen, Kolumnen und Nachrichten aus verschiedenen Quellen. Verantwortlich für den Inhalt ist allein der jeweilige Autor.
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