| | | | Kritischer Einsatz: Französischer Soldat faltet die EU-Fahne im Kongo (dpa) | | | | 21. März 2006
Marschbefehl ins Herz der Finsternis?Der Abenteurer Joseph Conrad hat Ende des 19. Jahrhunderts seinem autobiographischen Roman über eine Reise nach Zentralafrika den Titel "Herz der Finsternis" gegeben. Im Deutschland des Jahres 2006 tobt jetzt die Debatte über eine Entsendung der Bundeswehr in die Region. Der Kongo-Einsatz ist für alle Beteiligten die bislang wohl gefährlichste Bewährungsprobe. Die unvorstellbare Gewalt in dem zentralafrikanischen Land und die immer noch große Unübersichtlichkeit der geplanten Mission sind Neuland für die Europäische Union, für Bundeskanzlerin Angela Merkel, Verteidigungsminister Franz Josef Jung (beide CDU), für den Bundestag und für das letzte Glied in dieser Kette: die deutschen Soldaten. Auf die im Grunde alles entscheidende Frage, hat die deutsche Politik jedoch noch keine Antwort gegeben. Das zumindest beklagen hohe Generale im kleinen Kreis, und das geben auch verantwortliche Politiker in eben solchen Zirkeln zu. Wie sollen Deutschland und Europa die seit der Regierung Schröder propagierte Verantwortung für Afrika denn wahrnehmen? Das haben weder die Initiatoren dieser Politik, Alt-Kanzler Gerhard Schröder (SPD) und seine früheren Minister für Verteidigung und Außen, Peter Struck (SPD) und Joschka Fischer (Grüne), noch die jetzige Bundesregierung genau erklärt. Flagge zeigen - aber nicht überrannt werdenVor Kampftruppen scheut Berlin - aus guten Gründen wie zum Beispiel Schutz der Soldaten - zurück. An der europäischen Verteidigungspolitik mit dem Konzept der "battle groups", den Eingreiftruppen, beteiligt sich Deutschland vor allem mit Evakuierungs-Spezialisten. So könnten Bundeswehrsoldaten im Fall Kongo bedrohte Wahlbeobachter außer Landes bringen, aber keinesfalls marodierende Milizen aufhalten, sagt ein General. Das sollen sie aber auch nicht. Es geht darum, Flagge zu zeigen. Aber ehe sich die in Afrika unerfahrenen deutschen Soldaten versähen, könnten sie samt Flagge überrannt sein, lautet eine der schlimmsten Befürchtungen. Auch in der Spitze der Großen Koalition heißt es: In einem Einsatz im Kongo könnten die Soldaten eher ihr Leben verlieren als auf dem Balkan oder in Afghanistan. Intern wird auch bezweifelt, dass der Einsatz auf vier Monate begrenzt werden kann. Denn die Gewalt kann vor allem nach den Wahlen ausbrechen, wenn die unterlegene Partei den Sieg des Gegners nicht anerkennen und zur Machete greifen sollte. Erstes kritisches Mandat der EUNachdem Deutschland die Hand für Afrika gehoben hat, erschien es nicht ungewöhnlich, dass sich auch die Vereinten Nationen an Berlin und Brüssel wandten. Überraschender sind für manche Beobachter die Schwierigkeiten bei der Planung. Nachsichtig heißt es: Nach der vergleichsweise geordneten Übernahme der Balkan-Mission wird der Kongo das erste kritische Mandat der Europäischen Union. Dennoch, der Unmut in Bundestag und Bundeswehr ist groß. In der Regel braucht die Bundeswehr eine Vorbereitung von drei Monaten auf einen Einsatz. Sollte der Bundestag, der bisher laut Klagen von Abgeordneten eher dürftig informiert wurde, wirklich erst Anfang Mai entscheiden, hätten die Streitkräfte noch vier Wochen bis zum Abmarsch. Da das allein bei den nötigen Impfungen und psychologischen Schulungen für den Fall einer Konfrontation mit Kindersoldaten nicht ausreicht, ist der Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan gezwungen, auch ohne politische Vorgabe den Einsatz zu planen. "Wir wollen im Winter nicht vom Schnee überrascht werden", sagt ein Offizier. Voller Rückhalt des Parlaments fraglichEs dürfte auch noch nicht als gesichert gelten, dass der Bundestag zustimmt. Die Linkspartei lehnt den Einsatz sowieso ab. Die FDP will nach jetzigem Stand nicht Ja sagen, aus der CSU werden Bedenken laut, in Union und SPD gibt es Kritik. Am deutlichsten haben noch die Grünen ihre Unterstützung signalisiert. Sie wollen nicht, dass der Kongo-Konflikt mit neun Millionen Toten vergessen bleibt, und die Menschen bei ihren ersten Versuchen, Frieden zu stabilisieren, allein gelassen werden. Ohne vollen Rückhalt des Parlaments dürften die rund 500 deutschen Soldaten aber kaum in einen solch schwierigen und gefährlichen Einsatz geschickt werden. Um die Illusion zu nehmen, mit einem Kongo-Einsatz hätte Deutschland seine Afrika-Pflicht erfüllt, heißt es in der Koalition: "Sudan mit der Krisenregion Darfur kommt auch noch auf uns zu. Dort herrscht Völkermord und da macht die Staatengemeinschaft noch gar nichts." (dpa)
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