19.01.09, 20:22
MONEY-Börse
Schotten müssen geizen
Wo immer ein Mega-Deal zu stemmen war, mischte die Royal Bank of Scotland mit – mit fatalen Folgen. Nach einem Rekordverlust brauchen die Schotten ihr Geld im eigenen Land. Deutsche Firmen müssen neue Quellen anzapfen.
Auf ihrer Internetseite verkündet die Bank noch stolz: „Wir sind Europas führender Anbieter fremdfinanzierter Geschäfte und eine aufstrebende Kraft ...“ Doch dass sie auf allen Partys der Übernahmewelle 2006 und 2007 mittanzte, hat der Royal Bank of Scotland (RBS) letztlich das Genick gebrochen. Jetzt musste die größte Bank Großbritanniens kleinlaut einen Verlust von 31 Milliarden Euro ankündigen – den größten, den ein Unternehmen auf der Insel jemals eingefahren hat. Nur dank der Hilfe von Vater Staat überlebt die RBS überhaupt diesen Einbruch: Der übernahm bereits im Herbst 2008 die Aktienmehrheit an dem Finanzinstitut mit Sitz in Edinburgh und erhöht seinen Anteil nach der erneuten Hiobsbotschaft nun auf 70 Prozent.
Die Royal Bank of Scotland steckt tief im Schuldenmorast, denn sie sammelte Unternehmenskredite wie andere Briefmarken – vor allem in Deutschland. Von 2000 bis heute vervierfachten sich die Verbindlichkeiten auf der Passivseite ihrer Bilanz auf den unvorstellbaren Betrag von 2,46 Billionen Euro. Den britischen Markt einmal außen vor gelassen, summieren sich Kredite und Kundeneinlagen von Portugal bis Estland, von Norwegen bis Italien auf 532 Milliarden Euro.
Oft vorne mit dabei
Leider hatte die Bank bei der Kreditvergabe nicht immer ein glückliches Händchen wie die Fälle Merckle, Schaeffler, Arcandor und ProSiebenSat.1 belegen. Bei den Kreditverhandlungen mit dem durch Freitod aus dem Leben geschiedenen Adolf Merckle spielten die Schotten sogar das Zünglein an der Waage, weil sie im Steuerungskomitee saßen, das die Überbrückungskredite für die marode Unternehmensgruppe aushandelte.
Auch bei der Übernahme von Continental durch die Schaeffler-Gruppe spielte die RBS die erste Geige und organisierte die Finanzierung. Derzeit ist sie schätzungsweise mit 1,5 bis zwei Milliarden Euro dabei.
Schuldner fallen reihenweise um
Mit Zitronen gehandelt hat die RBS auch beim Privatsender ProSiebenSat.1. Das Unternehmen kaufte im Juli 2007 die skandinavische Senderkette SBS und musste dafür Milliarden Euro an Fremdkapital aufnehmen – teilweise von der RBS. Der deutsche Sender verschuldete sich bis über beide Ohren und könnte sich an dieser Last leicht verheben. Die Tochter SBS steht mit einem viel zu hohen Unternehmenswert in den Büchern – wehe wenn ProSiebenSat.1 diesen Goodwill ganz oder teilweise abschreiben muss. Die Börse hat den Stab über die TV-Kette gebrochen – der Kurs fiel binnen eines Jahres um annähernd 90 Prozent.
Nun fällt Kredit um Kredit aus. Milliarden mussten die Schotten bereits wegen notleidender Kredite abschreiben. Vermutlich haben Sie noch viel mehr davon in ihrem Schuldenbuch. Das und wohl auch der neue Hauptanteilseigner, der britische Staat, zwingt sie umzudenken. Erstes sichtbare Ergebnis dieses Stimmungswandels: Nach Informationen der britischen Schifffahrtszeitung „Lloyd’s List“ ist die RBS aus einer Bankengruppe ausgestiegen, die den Kauf der TUI-Schifffahrtstochter Hapag Lloyd durch eine Investorengruppe um Klaus-Michael Kühne finanzieren soll. Es könnte gut sein, dass der Deal deshalb platzt. Die Banker aus dem Königreich werden künftig genauer hinsehen, welche Risiken sie eingehen und Kredite zurückhalten.
Staat haftet für die RBS
Schuldner müssen allerdings nicht fürchten, dass die Banker aus Schottland bestehende Kredite vorschnell kündigen oder sogar an Dritte weiterverkaufen: Denn zum einen ist es nicht so einfach, aus einem Vertragsverhältnis auszuscheren, und wenn überhaupt, dann nur mit erheblichen Kosten, zum anderen ist der Kreditmarkt derart ausgetrocknet, dass sich für den Verkauf von Verbindlichkeiten zurzeit kaum eine andere Bank findet – die trauen sich gegenseitig nicht über den Weg.
Die RBS-Bänker werden künftig genauer hinsehen, wem sie überhaupt noch einen Kredit einräumen, und sie werden ihre Präferenzen anders setzen: Die Royal Bank of Scotland braucht ihr Geld vor allem für britische Kunden. Die aggressive Expansionspolitik nach Kontinentaleuropa passt schon politisch nicht ins Bild. Der britische Premierminister Gordon Brown hält mit seinem Ärger über die RBS nicht hinterm Berg. Er wirft ihr vor, mit dem Geld ihrer Kunden aus Großbritannien unverantwortliche Risiken (im Ausland) eingegangen zu sein.
British money for Britains
Am Wochenende kündigte Brown ein neues Rettungspaket für die Banken an. Er fordert von den Finanzinstituten, Risikoposten offenzulegen, und will sie verpflichten, mehr Kredite an Wirtschaft und Verbraucher auszureichen. Da die RBS mittlerweile zu zwei Dritteln staatseigene Bank ist, steht sie besonders in der Pflicht, britischen Verbrauchern mit Geld unter die Arme zu greifen. Diese Summen stehen den ausländischen Kunden dann nicht mehr zur Verfügung.
Vielleicht ist der Einfluss des britischen Staats sogar heilsam für die Schotten. Er zwingt sie, sich wieder auf ihr eigentliches Geschäft zu konzentrieren und sich auf schottische Tugenden zu besinnen. Die Ära der leichtherzigen und leichtsinnigen Geldausleihe ist zu Ende.
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