SPIEGEL ONLINE - 23. April 2006, 10:12 URL: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,412594,00.html Überfall in Potsdam DNA-Test soll Verdächtigen schwer belasten
Der Verdacht gegen einen der beiden Männer, die den Deutsch-Äthiopier Ermyas M. in Potsdam brutal zusammengeschlagen haben sollen, hat sich einem Zeitungsbericht zufolge erhärtet. Ein DNA-Test habe ergeben, dass am Tatort gefundenes Blut von dem Verdächtigen stammt. Potsdam/Berlin - An der Bushaltestelle in Potsdam, an der Ermyas M. lebensgefährlich verletzt wurde, hatten Ermittler eine Flasche mit Blutspuren gefunden. Sie könnte nun zur Aufklärung der Tat führen: Ein DNA-Test habe ergeben, dass sich der Potsdamer Thomas M. in der Nacht zum Ostermontag am Tatort aufhielt, berichtet die "Bild am Sonntag". Der 30-Jährige ist einer von zwei Verdächtigen, die unter dringendem Tatverdacht in Untersuchungshaft sitzen. | DPANach dem Haftprüfungstermin in Karlsruhe: Ein Tatverdächtiger wird zurück zum Hubschrauber geführt |
Auch zum Tathergang gibt es neue Erkenntnisse. Nach Informationen aus Sicherheitskreisen hatte der in Potsdam lebende Ermyas M. zur Tatzeit 2,08 Promille Alkohol im Blut. Bei seiner Einlieferung ins Krankenhaus habe ein Gerichtsmediziner festgestellt, dass der Deutsch-Äthiopier durch einen einzigen Faustschlag auf den Schädel über einem Auge niedergestreckt wurde, heißt es in dem Bericht. Der Schlag habe den Schädelknochen zertrümmert. Wegen des hohen Alkoholpegels soll das Opfer nicht mehr in der Lage gewesen sein, sich abzustützen. Die Untersuchung durch den Gerichtsmediziner habe auch ergeben, dass Ermyas M. keine Rippenbrüche oder andere schweren Verletzungen am Oberkörper erlitt, berichtete die Zeitung weiter. Das spreche gegen erste Berichte, denen zufolge die Täter hemmungslos auf das bereits am Boden liegende Opfer eingetreten haben sollen. Die Aufzeichnungen auf der Handy-Mailbox der Ehefrau des Opfers belegten, dass das Opfer von den Tätern als "dreckiger Neger" beschimpft wurde. Nach Informationen der Zeitung ergebe sich aus der Aufzeichnung aber auch, dass er die beiden Männer zuvor als "Schweine" bezeichnet habe. Unklar sei auch, ob der Deutsch-Äthiopier seine Frau während des Streits an der Haltestelle bewusst oder aus Versehen angerufen hat. Streit vor dem Überfall Nach Informationen des SPIEGEL gibt es Zeugenaussagen, denen zufolge das spätere Opfer in der Tatnacht in der Potsdamer Diskothek "Art Speicher" in Streitigkeiten mit zwei bislang nicht identifizierten Skinheads geraten sei. Auch bei dem späteren Streit an der Bushaltestelle sei Ermyas M. aggressiv gewesen. Er habe seine beiden Gegner beschimpft und versucht, mindestens einen von ihnen zu treten, schreibt die "Märkische Allgemeine". Laut "Bild am Sonntag" bestritten beide Festgenommenen in den Verhören vehement die Tat und leugneten jede Verbindung zum Rechtsradikalismus. Auch dem Verfassungsschutz lägen keine Hinweise auf rechtsextremistische Aktivitäten der beiden vor. Der brandenburgische Innenminister Jörg Schönbohm, der einen rechtsradikalen Hintergrund bezweifelt hatte, sehe sich durch die Erkenntnisse der Ermittler bestätigt. "Zum Potsdamer Vorfall habe ich von Anfang an die Überzeugung vertreten: Erst muss der Sachverhalt sorgfältig aufgeklärt werden, dann erst kann man das Ganze bewerten", sagte Schönbohm der Zeitung. "Gegen diesen Grundsatz haben viele verstoßen, die sich öffentlich geäußert haben." Schönbohm liefert sich gegenwärtig in dem Zusammenhang einen heftigen Streit mit Generalbundesanwalt Kay Nehm . Der Gesundheitszustand von Ermyas M. ist nach wie vor lebensbedrohlich. Der 37-Jährige liege mit einer schweren Schädel-Hirn-Verletzung noch immer im künstlichen Koma, sagte eine Klinik-Sprecherin am Samstag in Potsdam. Sein Zustand sei aber stabil. Verdächtige offenbar nicht in rechtsradikaler Szene Der Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof in Karlsruhe hatte am Freitagabend Haftbefehl gegen die beiden Tatverdächtigen erlassen. Die Männer befinden sich in Brandenburg in Untersuchungshaft. Die Bundesanwaltschaft geht weiterhin von einem fremdenfeindlichen Motiv bei dem Überfall aus. Laut im SPIEGEL zitierten Aussagen von Bekannten sind die beiden Tatverdächtigen nicht Mitglieder der organisierten rechtsradikalen Szene. Der 29-jährige Björn L. soll jedoch regelmäßig rechtsradikale Musik gehört haben. Nach Angaben von Ermittlern war er Mitglied des Motorradclubs "Gremium MC", einer Gruppe mit "extrem hohen Gewaltpotential. Auch der 30-jährige Thomas M., der zweite Tatverdächtige habe sich im Dunstkreis dieser Rockertruppe bewegt, in der sich nach Polizeiangaben Hooligans, Rechte und Mitglieder der Türsteher-Szene tummeln. Laut Nachbarn sei M. fanatischer Hooligan und habe "immer mit den Glatzen abgehangen." Der Anwalt von Björn L., Veikko Bartel, sagte der Nachrichtenagentur dpa, die auf der Handy-Mailbox der Frau des Opfers festgestellte Stimme könne nicht von dem 29-Jährigen stammen, da er seit Wochen an einer Kehlkopfentzündung leide. "Er krächzt seit sechs Wochen nur noch und dafür liegen Beweise wie Krankenschein, Aussagen seines Arbeitgebers sowie sichergestellte Medikamente vor." cai/mbe/ddp/dpa/AFP AN
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