Bei Teles-Aktie ist keine Eile geboten
30. Juni 2005 Wer die deutsche Aktienlandschaft derzeit nach niedrig bewerteten Titeln durchsucht, stößt auf eine eigentümliche Mischung. Konkurswerte wie Umweltkontor finden sich dort, die allseits beliebte und geschätzte Aktie des Stahlproduzenten Salzgitter und - Teles.
Das Papier des Telekommunikationsspezialisten notiert aktuell bei 9,05 Euro und ist auf Basis der Gewinnschätzungen für das laufende Geschäftsjahr mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 1,5 ausgesprochen günstig. Dennoch will sich der Kurs nicht so recht von der 9-Euro-Marke lösen. Dort klebt er - nachdem er zwischen September und März von unter sechs auf eben jene neuen Euro geklettert war, seitdem fest.
Umstrukturierung sorgt für Sonder-Dividende
Der Grund liegt in den außergewöhnlich guten Ergebnissen, die das Unternehmen in diesem Jahr erzielen wird. Mit einem Gewinn von fünf bis sechs Euro je Aktie rechnen die Analysten für das laufende Jahr. Für 2006 sieht die Bewertung allerdings weit weniger günstig aus. Hier liegen die Schätzungen um die Null herum, bestenfalls bei 16 cents - und damit einem KGV von etwa 57. Richtig interessant wird es bei Teles aber sicherlich erst nach 2007.
Der Schlüssel liegt in der Umstrukturierung, in der sich Teles derzeit befindet. Anfang des Jahres wurde der Verkauf des größten deutschen Webhosters Strato an Freenet abgeschlossen. Die Preise für Webspace und auch für dedizierte Server sind in den letzten Jahren stark gefallen, die Konkurrenz ist intensiv. Der Verkauf brachte Teles 80 Millionen Euro in bar und 3,1 Millionen in Freenet-Aktien, so daß Teles jetzt eine Beteiligung von fünf Prozent an Freenet hält.
Durch die Umstrukturierungen hat sich der Bestand an liquiden Mittel bei Teles stark erhöht. Das Unternehmen wird darum in diesem Jahr insgesamt 41 Millionen Euro an die Aktionäre ausschütten und behält dennoch einen hohen Barmittelbestand, dem keine nennenswerten Verbindlichkeiten gegenüber stehen. Damit sieht sich das Unternehmen mit einer immer noch hohen Eigenkapitalquote als erheblich überkapitalisiert.
In diesem Jahr erhalten die Aktionäre auf diese Weise eine Sonderdividende von 1,80 Euro. Das gibt der Aktie eine Dividendenrendite von 20 Prozent. Auch künftig will Teles weiter mindestens ein Euro pro Jahr an die Aktionäre ausschütten.
Telekommunikationshardware ohne Phantasie
Der Verkauf von Strato an Freenet schließt obendrein eine strategische Kooperation ein, durch die sich Freenet verpflichtet hat, in den nächsten drei Jahren Telekommunikationssysteme im Wert von zehn Millionen Euro von Teles zu kaufen. Gedacht ist dabei vior allem an den Wachstumsbereich der VoIP-Dienste, also Sprachübertragung über Datenleitungen.
Diese Technik gehört zum traditonellen Kernbereich TCS der Teles AG, in dem das Unternehmen Telekommunikationshardware anbietet. Der zweite Bereich TWBI befaßt sich mit dem Geschäft mit Breitband-Internet-Zugänge über Satellit.
Telekommunikationshardware bringt bei Teles den größten Teil des Umsatzes, im ersten Quartal 4,68 der insgesamt 6,1 Millionen Euro. Das Wachstum ist indes nicht sehr ausgeprägt und betrug nur ein mageres Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Analysten der DZ Bank rechnen für das Gesamtjahr sogar mit einem Umsatzminus von zehn Prozent gegenüber 2004. Tatsächlich stehen die Umsätze unter dem Druck von Sättigungstendenzen im Markt für Telekommunikations-Infrastruktur.
Indes könnten die Freenet-Geschäfte als Multiplikator wirken. Überdies ist die Entwicklung im VoIP-Bereich derzeit schwer einzuschätzen. Potential ist unbestreitbar vorhanden, die Frage ist jedoch, wie schnell die Nachfrage anspringt und in welchem Umfang Teles davon profitiert. Allzu viel ist aus diesem Bereich aber nicht zu erwarten. Ob der Ergebnisbeitrag weiter postiv bleibt wie bisher, ist gleichfalls nicht abzuschätzen.
Keine Eile geboten
Die Musik spielt derzeit im Bereich der Satelliten-Breitband-Zugänge. Dieser verzeichnte im ersten Quartal ein Umsatzwachstum von 37 Prozent auf 1,32 Millionen Euro. Aber auch hier sind die Erwartungen eher verhalten. Bisher hat Teles nicht vom Breitband-Geschäft profitieren können. Für die kommenden Jahre plant man 25 Millionen Euro ins Marketing zu stecken und hat internationale Vertriebspartnerschaften organisiert. Aber zunächst bleibt fraglich, ob und wann sich Breitband-Übertragung via Satellit außerhalb entlegener Gegenden überhaupt wird durchsetzen können.
Alles in allem gibt es also ein paar Fragezeichen hinter der zukünftigen Entwicklung von Teles. Der innere Wert des Unternehmens wird derzeit stark durch die hohen liquiden Mittel bestimmt. Zum 31. März betrugen die Barmittel 105,54 Millionen Euro. Der Wert der Freenet-Aktien liegt aktuell bei rund 64 Millionen Euro. Zudem hält Teles eigene Aktien im Wert von rund 19,6 Millionen Euro.
Daraus ergibt sich ein Gesamtbestand an liquiden Mitteln von rund 189 Millionen Euro. Eine sicherlich sehr komfortabel Position, so daß Teles auch abzüglich der bevorstehenden Ausschüttungen immer noch ausreichend Mittel zur Verfügung hat, das operative Geschäft zu finanzieren, wenn dieses sich nicht selbst tragen kann. Pro Aktie bedeutet dies einen Bestand an liquiden Mitteln von derzeit 8,27 Euro.
Die Frage ist, was der Anleger davon hat. Das sind zunächst einmal Ausschüttungen von 1,80 Euro in diesem und jeweils einem Euro in den kommenden Jahren. Ansonsten zahlt er für ein ausreichend finanziertes operatives Geschäft, dessen Ertragserwartungen momentan nicht sicher sind.
Schlimmstenfalls werden die nicht ausgeschütteten vorhandenen Mittel in den Folgejahren für das operative Geschäft verbrannt. Indes sind Umstrukturierungen bei Teles nichts Neues. Das Unternehmen hat bereits in der Vergangenheit wenig rentable Geschäftsfelder verkauft oder eingestellt. Das könnte also auch hier wieder bevorstehen. Auf der einen Seite ist Flexibilität natürlich zu begrüßen, auf der anderen Seite sorgt das auch für Unsicherheit.
Da charttechnisch eine Widerstandszone zwischen zehn und 14 Euro erst überwunden werden müßte, bevor der Titel auch nur die entfernteste Möglichkeit hat, alte Höhen wieder zu erreichen, bleibt noch genügend Zeit, sollte sich abzeichnen, daß sich das Geschäft besser entwickelt als erhofft
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