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Schwarz-gelbes Dilemma Warnung vor "Tricksilantis" Das Erscheinungsbild der schwarz-gelben Regierungskoalition lässt angesichts etlicher Streitigkeiten sehr zu wünschen übrig. Schon beim Versuch, das erste große Wahlversprechen einzulösen, droht Kanzlerin Merkel eine schwere Schlappe. Unionspolitiker warnen nun die murrenden Länderchefs vor einer Blockade der geplanten Steuersenkungen im Bundesrat. Vor der Wahl und nach der Wahl?
Der CSU-Chef und bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer empfiehlt der Union, "nicht zu Tricksilantis zu werden". Die Steuersenkungen seien "im Wahlkampf versprochen worden", sagte Seehofer in München in Anspielung auf den Wortbruch der früheren hessischen SPD-Chefin Andrea Ypsilanti. Ypsilanti hatte vor der Landtagswahl in Hessen im vergangenen Jahr eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei ausgeschlossen, später aber vergeblich versucht, mit deren Hilfe zu regieren.
Auch Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) kritisierte den Widerstand einiger CDU-Ministerpräsidenten. "Ich kann das nicht verstehen", sagte er in München Dass die geplanten Steuersenkungen Bund, Länder und Kommunen Geld kosten würden, sei "von Anfang an klar gewesen".
Vertrag ist Vertrag Das "Wachstumsbeschleunigungsgesetz" ist vor allem Seehofers Projekt. Mit ihm will er verlorene Wähler zur CSU zurückholen.
Seehofer und Herrmann betonten, die Steuersenkungen seien im Koalitionsvertrag von Union und FDP vereinbart worden. "Und nun betreten manche Ministerpräsidenten, die bei all diesen Dingen dabei waren, die Bühne und wollen dem nicht zustimmen", sagte Seehofer und warnte: "Das wäre ein schwerer Vertrauensbruch gegenüber der Öffentlichkeit, das wäre ein Wortbruch." Dennoch bleibt Seehofer optimistisch und rechnet nicht mit einem Scheitern des Pakets mit den Milliardenentlastungen im Bundesrat.
Aufruf zur Koalitionsdisziplin Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) verlangte von den Ministerpräsidenten der Union Koalitionsdisziplin. "Ich verweise darauf, dass wir auf einem kleinen Parteitag einstimmig und in der Bundestagsfraktion einstimmig die Koalitionsvereinbarung verabschiedet haben, in der drinsteht, dass wir ein Sofortprogramm auf den Weg bringen", sagte Kauder in der ARD. Unions-Parlamentsgeschäftsführer Peter Altmeier (CDU) appellierte im NDR an die Länder, dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz in der geplanten Fassung zuzustimmen.
FDP-Finanzpolitiker Carl-Ludwig Thiele fordert ein Einlenken der Länder. "Ich kann nur an die Kollegen in den Ländern appellieren, das Gesetz nicht mit einem Vermittlungsausschuss zu blockieren", sagte er im Deutschlandfunk. "Es muss weiter mit den Ländern gesprochen werden." Die Koalition habe einen "klaren Vertrag geschlossen, der eingehalten werden muss", sagte Thiele. Was im Wahlkampf versprochen wurde, müsse auch umgesetzt werden.
Länderchefs verweigern die Gefolgschaft Aus Sorge um ihre Haushalte blockieren zurzeit jedoch auch CDU/FDP-regierte Länder das Maßnahmenbündel. Mehrere Ministerpräsidenten verlangen einen Ausgleich dafür, dass das Wachstumsbeschleunigungsgesetz ihre Länder belaste. Entscheidend wird sein, wie sich die CDU/FDP-Koalition in Schleswig-Holstein bei der Abstimmung zum Steuerpaket am 18. Dezember im Bundesrat verhält.
Die Rechnung ohne den Wirt gemacht: Merkel hatte sich im Wahlkampf von CSU und FDP zu den Steuersenkungen drängen lassen - dabei jedoch die Länder vergessen.
Nach dem Kieler Regierungschef Peter Harry Carstensen und Saar-Ministerpräsident Peter Müller lehnten auch Thüringens Landeschefin Christine Lieberknecht und Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (alle CDU) das von der Bundesregierung geplante Wachstumsbeschleunigungsgesetz wegen drohender Steuerausfälle für die Länder ab.
Sachsens Regierungschef Stanislaw Tillich, der sich schon früher gegen Steuersenkungen auf Pump ausgesprochen hatte, wackelt noch. Er meldete ebenfalls Bedenken an, soll Merkel allerdings intern signalisiert haben, dass seine christlich-liberale Koalition im Bundesrat wohl mitziehen werde. Müller ließ am Montag offen, wie sich das Saarland bei der Abstimmung am 18. Dezember im Bundesrat verhalten wird. Darüber habe er noch nicht mit den Koalitionspartnern FDP und Grüne gesprochen.
NRW stimmt zu Trotz der Widerstände anderer Unions-Regierungschefs hat sich NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) für die Verabschiedung der für 2010 geplanten Steuersenkungen ausgesprochen. "Nordrhein-Westfalen wird dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz zustimmen", sagte er dem "Kölner Stadt-Anzeiger". Es sei wichtig, mit dem Gesetz so schnell wie möglich die Wachstumskräfte zu stärken. "Wenn wir jetzt kein Wachstum bekommen, steigt die Arbeitslosigkeit. Es ist besser, in Wachstum zu investieren, als weitere Steuerausfälle zu verkraften."
Bundestag entscheidet am Freitag Der Bundestag entscheidet am kommenden Freitag. Die Koalitionsspitze will sich nach am Dienstag mit dem Thema befassen. Kanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble (beide CDU) wollen den Ländern keine weiteren Zugeständnisse machen.
Das Steuerpaket sieht von Januar an Entlastungen von jährlich 8,5 Milliarden Euro vor. Von den Steuerausfällen sind der Bund mit 4,63 Milliarden Euro betroffen, die Länder mit 2,28 Milliarden und die Gemeinden mit 1,57 Milliarden Euro. Es sieht neben einer Erhöhung des Kindergeldes unter anderem neue Steuervorteile für Konzerne, Erleichterungen bei der Erbschaftsteuer und eine Reduzierung des Mehrwertsteuersatzes für Hotelübernachtungen von jetzt 19 auf sieben Prozent vor.
Wirtschaft verlangt Einlösung Die Wirtschaft pocht auf die versprochenen Steuerentlastungen. Das Gesetz werde vielen Firmen die Krisenbewältigung erleichtern, betonten acht Lobbyverbände in einer gemeinsamen Stellungnahme für den Bundestag. Es sei richtig, die krisenverschärfenden Vorschriften im Steuerrecht abzubauen, erklärten die Verbände von Industrie, Handel, Banken und Handwerk gegenüber dem Finanzausschuss. Sie forderten die Politik zudem auf, über weitere Erleichterungen wie die Abschaffung der umstrittenen Gewerbesteuer nachzudenken.
Vor allem der letzte Punkt hatte Streit ausgelöst, weil eine positive Wirkung der Steuersenkung umstritten ist, der Staat aber auf allen Ebenen Einnahmen verliert. Auch die acht großen Verbände sind skeptisch. Sie fordern, solche kurzfristigen Eingriffe in das Umsatzsteuerrecht in einer Gesamtreform zu erörtern. Der Tourismusverband BTW erklärte dagegen, die Politik müsse gerade in schwierigen Zeiten alles tun, um die Branche zu stärken und Wettbewerbsverzerrungen gegenüber dem Ausland abzubauen. Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband erklärte, es gebe keine neuen Argumente gegen die Steuersenkung, die nicht schon lange bekannt gewesen wären.
FDP will noch mehr Die FDP will dagegen am liebsten noch einmal draufsatteln. Ihre Agrarexpertin Christel Happach-Kasan sagte, auch die Steuern auf Biosprit müssten zum 1. Januar 2010 gesenkt werden. Ihr CDU-Kollege Peter Bleser wies dies jedoch umgehend zurück. Zunächst gehe es jetzt darum, das Machbare umzusetzen. ----------- Wer gar nichts macht, macht gar keine Fehler (schwarz-gelbe Sesselpupser-Philosophie)
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