Mit dem Urheberrecht hat man bei Geely schon oft Probleme gehabt. Doch das stört den Hersteller wenig – er expandiert aggressiv. Jetzt hat er sich Volvo einverleibt. © Frederic J. Brown / AFP / Getty Images Bild 1 von 7 | Design muss sein, auch wenn es nicht das eigene ist. Der Geely TX 4 entsteht im Rahmen eines Joint Ventures mit dem Hersteller der originalen London Taxis. Auch in China wird er vor allem in der Fahrgastbeförderung eingesetzt. Der Geely GE war zweifellos einer der Hingucker auf der Shanghai Motor Show des Jahres 2009. Das Modell war das Angebot des chinesischen Autobauers in der automobilen Oberklasse. Und mit seinen eckigen Scheinwerfern, dem wuchtigen Chromgrill und der kantigen Karosserie war die Optik des Wagens eine ziemlich genaue Kopie des Rolls-Royce Phantom. Selbst eine Kühlerfigur trug der Geely GE, die deutlich der "Emily" der Briten nachempfunden war. Nur ein wenig kürzer war der Rolls-Royce-Klon, gegenüber dem Original sah er ein wenig aus wie zu heiß gewaschen. Die Gefahr, dass die Chinesen demnächst eine Kopie eines Volvo herausbringen, ist dagegen seit den Weihnachtstagen äußerst gering geworden. Denn Geely hat vom bisherigen Eigner Ford den Zuschlag für den Kauf der schwedischen Marke erhalten. Für Geely-Gründer und Firmenchef Li Shufu ist das der nächste Schritt auf einem rasanten Expansionskurs – bei dem er, wie das Rolls-Royce-Beispiel beweist, bereit ist, mit harten Bandagen zu kämpfen. Der Optik-Klau hat Tradition bei Geely. Auch mit Mercedes war er bereits in Urheberrechts-Streitigkeiten verwickelt. An eine chinesische Interpretation des berühmten London Taxis wagte man sich ebenfalls, diesmal allerdings im Rahmen eines Joint Ventures mit dem Hersteller des Originals (siehe Bildergalerie). Die Technik für viele Modelle liefert dagegen der japanische Autobauer Daihatsu. Durch den Kauf von Volvo wird sich die eigene technische Basis von Geely allerdings verbessern. Die Styling-Marotten und die Geschwindigkeit, mit der Shufu sein Unternehmen aufbaute, trugen dem Firmengründer in China bereits den Beinamen "Zaoche Fengzi" ein. Übersetzt heißt das "der verrückte Autobauer". Wäre man netter, würde man von einem Mann mit Ellenbogen und Visionen sprechen. Erst vor acht Jahren erhielt der Sohn eines Reisbauern vom chinesischen Staat die Lizenz zur Autoherstellung. Diese Zeit reichte Geely, um zum zweitgrößten privaten Autohersteller Chinas aufzusteigen. Die Übernahme der schwedischen Traditionsmarke Volvo durch Geely ist die bisher größte chinesische Auslandsinvestition in der Autobranche. Der Markenname "Geely" steht im Chinesischen für "Glück" oder "Glück verheißend". In der Karriere des Firmengründers spiegelt sich Chinas Aufstieg zur drittgrößten Volkswirtschaft der Welt wieder. 1981 lieh sich Li Shufu als 18-Jähriger 120 Yuan, heute zwölf Euro, von seinem Vater, so erzählt er heute. Er kaufte eine Kamera und machte mit Fotos erste Geschäfte. Später handelte Li Shufu mit Metall, produzierte dann Teile für Kühlschränke und baute schließlich ein Motorrad-Imperium auf. Schon seine frühen Schritte in der Autoindustrie in den neunziger Jahren nährten allerdings Sorgen über einen möglichen Patentklau. So kaufte Li Shufu nach chinesischen Medienberichten 1996 einen Mercedes, um dessen Design zu studieren – was sich eigenen Entwürfen durchaus ansehen ließ. Ein Jahr später nahm er ein Auto der chinesischen Marke "Hhongqi" (Rote Flagge) auseinander und zog ebenfalls seine Schlüsse aus dessen Aufbau. Doch schon 1998 hatte Shufu augenscheinlich genug die Konkurrenz studiert. Er baute er sein erstes eigenes Auto und gab ihm den Namen "Erhabenes Gefühl" (Haoqing). Er hatte schon immense Summen in die Produktion investiert, als ihm 2001 endlich die offizielle Lizenz erteilt wurde. Rund 10.000 Geely-Beschäftigte produzieren heute rund 300.000 Fahrzeuge im Jahr. Damit hinkt der Autohersteller zwar weit hinter Shanghai Automotive (SAIC) oder First Automotive Works (FAW) her, doch konnten sich diese alten Autokonzerne dank finanzkräftiger ausländischer Partner wie Volkswagen und General Motors sowie gravierender staatlicher Unterstützung ausbreiten. Geely schaffte den Aufstieg dagegen aus eigener Kraft. Dass auch internationale Investmenthäuser inzwischen etwas von dem privaten Autoproduzenten halten, bewies Goldman Sachs im September, als es eine Investition in Geely über 334 Millionen US-Dollar ankündigte. Bisher machte sich Geely nur als Hersteller billiger Modelle einen Namen. Doch eine Übernahme von Volvo bedeutet den Sprung in die Oberklasse. Mit der schwedischen Edelmarke wird Li Shufu zu einem wichtigen Mitspieler auf 100 Märkten weltweit. Das wäre ein großer Sprung – bisher ist Geely außer in China nur in Russland, Nepal, der Türkei, Venezuela, der Ukraine, Chile und Uruguay aktiv. Bei Volvo, so die Ankündigung, soll sich deshalb vorerst wenig ändern. Li Shufu sieht vielmehr neue Chancen für die schwedischen Autos im Reich der Mitte. China ist seit diesem Jahr der größte Automarkt der Welt und wächst, trotz globaler Wirtschaftskrise, schneller als jeder andere. Dank des staatlichen Konjunkturprogramms stieg der Absatz in China in den ersten elf Monaten dieses Jahres um 42 Prozent auf mehr als zwölf Millionen Autos. Könnte Geely mit seinem großen Vertriebsnetz in China für die Volvo-Typen S40, S60 und S80 nur fünf Prozent Marktanteil in ihren jeweiligen Segmenten erreichen, wäre das ein Absatz von 300.000 Autos – etwa so viel wie Volvo dieses Jahr weltweit verkaufen dürfte, wie chinesische Experten vorrechneten. In Sachen Optik-Gimmicks könnte es bei Volvo gleichzeitig unberechenbarer werden als in den letzten Jahren. Wie wäre es denn mit einem Volvo in Gestalt eines – Saab? http://www.zeit.de/auto/2009-12/auto-geely?page=2
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