Mittwoch, 18. Juli 2001 Gerichtsurteil zur "Homo-Ehe" Schwule in der Union: "Historischer Tag"
Rot-Grün kann die heutige Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur "Homo-Ehe" als Sieg verbuchen, die Union dagegen hat eine Niederlage erlitten. Wie aber denken die rund 200 Mitglieder der "Lesben und Schwulen in der Union" (LSU) über den Richterspruch? n-tv.de fragte den Sprecher der LSU, Oliver Nölken. n-tv.de: Das Bundesverfassungsgericht hat den Eilantrag der unionsregierten Länder Bayern und Sachsen gegen die Eingetragene Lebenspartnerschaft abgelehnt - für Sie ein Erfolg oder eine Niederlage? Nölken: Natürlich ist das ein Erfolg. Es ist ein historischer Tag für Schwule und Lesben, die nach Jahrhunderten der Verfolgung und Diskriminierung erstmals in Deutschland die Chance haben, ihre Lebenspartnerschaften rechtlich anerkannt zu bekommen. n-tv.de: Die meisten Beobachter gehen davon aus, dass damit auch für das Hauptsacheverfahren eine Vorentscheidung gefallen ist. Sehen Sie das genauso? Nölken: Ja. Ich bin selbst Jurist und habe mich mit der Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts beschäftigt. Die Erfahrung zeigt: Das Gericht hat bei wichtigen gesellschaftspolitischen Vorhaben in der Hauptsache nie anders entschieden als im Eilverfahren. n-tv.de: Bei dem Gesetz zur Eingetragenen Lebenspartnerschaft handelt es sich ja um einen Entwurf von Rot-Grün. Hätten Sie es inhaltlich anders gestaltet? Nölken: Wir haben jedenfalls noch weitergehendere Vorstellungen. Unser langfristiges Ziel ist die vollständige Öffnung der Ehe für schwule und lesbische Partner. Aber der jetzige Gesetzentwurf entspricht dem, was unter den gegebenen gesellschaftlichen Umständen im Moment machbar ist. n-tv.de: Der Rechtsexperte der Union, Norbert Geis, sieht durch das Gesetz den Schutz von Ehe und Familie gefährdet. Können Sie diese Argumentation nachvollziehen? Nölken: Nein, das ist Folklore. Können Sie mir sagen, was irgendeine Familie oder heterosexuelle Ehe für Vorteile davon hat, dass der Nachbar keinen Mann heiraten darf? n-tv.de: Die Gleichstellung Homosexueller wird in der Union generell abgelehnt. Wie halten Sie diesen Konflikt aus? Nölken: Jede Partei muss irgendwann anfangen, sich bei bestimmten Themen zu bewegen. Auch die SPD stand beim Thema "Homosexualität" nicht immer auf der Position, die sie heute vertritt. In der Union passieren zur Zeit viele kleine Schritte. Das unionsregierte Saarland war etwa eines der ersten Länder, das die Ausführungsgesetze zur Eingetragenen Lebenspartnerschaft beschlossen hat. Ich bin sicher, dass die heutige Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts den Umdenkungsprozess in der Union wesentlich beschleunigen wird. n-tv.de: Ist die LSU in der Union als Arbeitsgemeinschaft offiziell anerkannt? Nölken: Wir sind keine Vereinigung der Union, aber werden als Gesprächspartner auf allen Ebenen der Partei akzeptiert. (Das Interview führte Volker Probst.)
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