Mittwoch, 1. November 2006Kommen die Russen? Verwirrung um Telekom Der Einstieg des russischen Mischkonzerns Sistema bei der Deutschen Telekom gibt Branchenbeobachtern weiter Rätsel auf. Während Sistema das Interesse an der Telekom nicht bestätigen will, wollen deutsche und russische Zeitungen anderes gehört haben. Sistema denke über einen Einstieg nach, die Gespräche befänden sich aber noch in einem zu frühen Stadium, als dass man darüber öffentlich sprechen könne, hieß es nun aus dem Umfeld der Konzernführung. Die russische Wirtschaftszeitung "Wedomosti" schrieb unter Berufung auf Unternehmenskreise, Sistema führe Verhandlungen mit der Deutschen Telekom über den Erwerb eines großen Aktienpakets. Offiziell wollte sich Sistema nicht äußern, auch die Telekom lehnte einen Kommentar dazu ab.
Nach einem Bericht der "Fnancial Times Deutschland" hat Sistema der Telekom-Konzernführung Vorschläge über einen Einstieg in Höhe von 10 bis 20 Prozent unterbreitet und dafür im Gegenzug eine Beteiligung an seiner Telefonsparte angeboten. Das "Handelsblatt" berichtete dagegen unter Berufung auf Berliner Regierungskreise, der russische Präsident Wladimir Putin sei mit dem Versuch gescheitert, beim Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Deutschland vor drei Wochen Sistema den Einstieg bei der Deutschen Telekom zu ermöglichen. Der Bund besitzt noch knapp 15 Prozent der Telekom- Anteile, die staatseigene KfW-Bankengruppe weitere 16,9 Prozent. Russische Experten äußerten die Vermutung, ein Einstieg bei der Deutschen Telekom könnte mit der auslaufenden Amtszeit von Luschkow Ende 2007 zusammenhängen. Mit der Verflechtung in internationale Unternehmen sinke das politische Risiko für die Sistema-Eigner über den Termin hinaus, schrieb das Moskauer Brokerhaus Aton. Alte Verflechtungen Zu Sistema gehört der führende russische Mobilfunkanbieter Mobile TeleSystems (MTS), an dem die Deutsche Telekom früher beteiligt, 2005 aber ausgestiegen war. Telekom-Chef Kai-Uwe Ricke hatte jedoch angekündigt, die Position in Osteuropa gezielt ausbauen zu wollen. Die Telekom würde einen weiteren Wachstumsmarkt neben den USA hinzugewinnen, sagte Frank Rothauge, Analyst bei Sal. Oppenheim. Von daher würde es Sinn machen, zumal die Telekom schon Erfahrungen mit MTS habe. Zudem würde die Telekom bei Sistema auf einen alten Bekannten treffen. Ex-Telekom-Chef Ron Sommer ist seit Mai 2003 als internationaler Berater der Beteiligungsgesellschaft tätig. Die FTD berichtete, denkbar wäre, dass die Telekom für das Geschäft mit Sistema ihr Kapital erhöhe oder eigene Anteile zurückkaufe. Die Analysten der Commerzbank zweifelten am Sinn eines Tauschgeschäfts, zumal sie mit starken politischen Widerständen rechnen. Aus ihrer Sicht wird es in absehbarer Zeit nicht zu einem solchen Geschäft kommen. Alternativ könnte der Bund einen Teil seiner Aktien zur Verfügung stellen und sich dafür entschädigen lassen, berichtete die FTD. Ein weiterer Verkauf von Telekom-Aktien durch den Bund ist jedoch zumindest derzeit nicht möglich. Ende April hatte der US-Finanzinvestor Blackstone für 2,7 Milliarden Euro 4,5 Prozent an der Telekom von der staatlichen Förderbank KfW erworben. Die KfW hatte sich verpflichtet, für ein Jahr keine weiteren Aktien zu verkaufen. Der Bund selbst darf keine Anteilsscheine an die Förderbank abgeben, so lange diese noch Aktien hält. Die KfW hält derzeit noch 16,87 Prozent an der Telekom, der Bund 14,83 Prozent. Ein Offizieller von Sistema, der namentlich nicht genannt werden wollte, sagte, der Kreml werde Sistema nicht erlauben, die Kontrolle über die Telefon-Aktivitäten an ein ausländisches Unternehmen abzugeben. Neben MTS zählt zu ihnen unter anderem auch der Festnetzanbieter Comstar. Über die Haltung der Bundesregierung gehen die Meinungen der Analysten auseinander. "Wir halten die Realisierung des Vorhabens für unwahrscheinlich, weil der Bund Angst hat vor zu viel Macht Russlands in deutschen Schlüsselindustrien", schrieb DZ-Bank-Analyst Joeri Sels. Rothauge sagte, er könne nicht sehen, welche Argumente die Bundesregierung gegen einen Einstieg haben sollte. Er ergänzte, Sistema werde vom früheren Telekom-Chef Ron Sommer beraten, der ebenso den US-Investor Blackstone berät. Sistema ist der größte private Mischkonzern in Russland mit Aktivitäten vor allem in der Telekommunikation aber auch in den Branchen Technologie, Versicherungen, Finanzen, Immobilien und Medien. Der Konzernumsatz belief sich im ersten Halbjahr auf 4,6 Mrd. Dollar. Mehrheitseigner ist der Oligarch Wladimir Jewtuschenkow, dem engste Geschäftsbeziehungen zum Moskauer Oberbürgermeister Juri Luschkow nachgesagt werden.
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