Bei Rheinmetall wird es in diesen Tagen aus mehreren Gründen spannend.
Da ist zum einen die Charttechnik. Der Kurs war bis auf 58 EUR geklettert und notierte dabei über dem Abwärtstrend ausgehend von Januar 2011. Danach geriet die Aktie allerdings stark unter Druck und ist längst wieder deutlich unterhalb des Abwärtstrends. Im Bereich von rund 47,90 war die vorerst letzte wichtige Unterstützung, die einige Tage lang verteidigt werden konnte. So recht bekam man die Aktie aber nicht mehr nach oben. Eine gesunde Aktie wäre an dieser Unterstützungszone nach oben abgeprallt. Rheinmetall tat das nicht. Gestern nun wurde auch diese Marke nach unten durchbrochen. Dies belegt, wie wenig Vertrauen mittlerweile in dieser Aktie steckt. Damit droht eine weitere größere Verkaufswelle. Das Chartbild lässt keinen Spielraum für Optimismus, eher für das Motto „Rette sich, wer kann“.
Spannend wird es in diesen Tagen auch, weil am 8. Mai die Veröffentlichung der Zahlen für das 1. Quartal ansteht. Vermutlich werden dabei gute Zahlen aus der Automotive-Sparte die katastrophale Entwicklung im Defence-Bereich noch etwas verdecken. Vielleicht erreicht man im Gesamtergebnis gerade noch einmal eine Nullnummer. Spannend ist dabei insbesondere die Frage, wie die Unternehmensführung die Zahlen präsentiert. Müssen wieder saisonale Faktoren und Restrukturierungsmaßnahmen herhalten, um die schlechten Zahlen schönzureden. Wird wieder mit den ach so prallen Auftragsbüchern in die Zukunft vertröstet? Die Kursentwicklung zeigt, dass die Skepsis bei den Aktionären inzwischen größer geworden ist und immer weniger bereit sind, den Versprechungen der Unternehmensführung auf die Zukunft noch länger zu folgen. Und dass die Aktionäre aus Übersee, die auf ihrem Kontinent viel erfolgreichere Geschäftsentwicklungen in diesem Sektor vor der Haustür haben, weiterhin stillhalten, ist nicht wahrscheinlich.
Wir kennen es nun schon seit vielen Quartalen, dass die tatsächlichen Zahlen bei Rheinmetall eine andere Sprache sprechen als die Ankündigungen der Unternehmensführung. Wie schnell auch volle Auftragsbücher zu Luftnummern werden können, zeigt der Exportstopp der Leopard-Panzer nach Saudi-Arabien (dürfte sich insgesamt um 15 Milliarden EUR handeln).
Nach meiner Einschätzung wäre es allerhöchste Zeit, dass endlich offen kommuniziert wird, dass der Defence-Sektor bei Rheinmetall in einer großen Schieflage steckt, der durch das konservative Segment Automotive nicht auf Dauer aufgefangen werden kann. Über einige der Gründe für die Defence-Krise habe ich hier schon geschrieben, und alle Punkte haben sich im Nachhinein als richtig erwiesen. Viele der Negativfaktoren sind hausgemacht und lassen sich auch nicht durch Personalabbau beheben. Einer der Hauptfehler war der gedankenlose Zukauf maroder Unternehmen. Dadurch wollte man auf Biegen und Brechen die Umsatzzahlen steigern. Das wurde erreicht, jedoch wurden die Gewinnmargen immer weiter gesenkt und liegen nun deutlich unter 10 %; und das wird noch viele Jahre so bleiben – für ein so breit aufgestelltes Unternehmen wie Rheinmetall eine Katastrophe.
Dass der begonnenen Personalabbau nun als Umstrukturierungserfolg verkauft wird, zeigt, wie hilflos das Unternehmen inzwischen geworden ist. Schon jetzt lässt sich erkennen, dass sich nun auch der Stellenabbau als kontraproduktiv erweist, da er oftmals ohne jegliche unternehmerische Strategie durchgeführt wurde. Abgesehen vom Demotivationseffekt und den weiter steigenden Kosten für Abfindungen hat die Geschäftsführung vor allem verkannt, dass sich ohne dieses Personal eine Reihe von Aufträgen nur noch durch Vergabe an andere Firmen realisieren lässt. Die Meldungen über Auslagerungen häufen sich in den Wochen und Monate; dies wird die Gewinnmargen weiter sinken lassen.
Dass zur Gesundung ein Übergangsjahr nicht reicht, hat man längst erkannt; und auch die Ankündigung von 2014 als weiterem Übergangsjahr wird sich nur als Zweckoptimismus entpuppen. Rheinmetall steckt in einer tiefen Krise. Ein KGV von über 60 ist für aktuelle Aktionäre eine Katastrophe. Neue Aktionäre werden dadurch in keinem Fall angezogen. Für mich wäre die Aktie frühestens wieder interessant, wenn der Kurs bei 35 steht, eher noch tiefer. Dass ich mich auf Rheinmetall eingeschossen habe, wie “Besserwissi” im März geschrieben hat, mag ein wenig stimmen. Aber ich kenne auch kaum eine andere Aktie in den seriösen Segmenten, dessen Kurs so weit von der Realität entfernt entwickelt hat wie bei Rheinmetall.
Ob wieder Vertrauen in die Aktie einkehrt, liegt in aller erster Linie an der Offenheit der Unternehmensführung. Misserfolge als Erfolge zu verkaufen (wie zuletzt beispielsweise beim LKW-Geschäft mit Skandinavien), ist da nicht hilfreich, zumindest nicht für die, die genauer hinsehen, und auch nicht fair denen gegenüber, die diese Aktie als Langfristinvestment oder gar zur Altersvorsorge halten. Verkauft man das 1.Quartal wieder als Erfolg (mit saisonalen Schwächen) und verkündet einmal mehr wieder Durchhalteparolen auf die rosige Zukunft, kann das den Kurs zwar kurzfristig um ein paar Punkte nach oben bringen. Dem Vertrauen dient es nicht und spätestens in den nächsten Quartalen muss man sich dann wieder der Realität stellen.
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