Der Entzug der Umweltlizenz für das Gas- und Ölfeld-Projekt „Sachalin II“ durch die russische Regierung sorgt für politischen Wirbel. Sowohl die Europäische Kommission wie auch Spitzenpolitiker in Japan zeigten sich verärgert über die jüngste Entscheidung Moskaus, westlichen Betreibern durch bürokratische Blockaden die Verwertung der nationalen Energievorkommen zu erschweren.
Der für Energie zuständige EU-Kommissar Andris Piebalgs warnte am Dienstag die russische Regierung mit deutlichen Worten davor, Unternehmen aus der EU bei Investitionen in der russischen Energiewirtschaft zu benachteiligen. Die Behörde in Brüssel reagierte damit direkt auf die Ankündigung Moskaus, dem Ölproduzenten Royal Dutch Shell die benötigte Umweltlizenz für Gasbohrungen auf der Halbinsel Sachalin zu entziehen. Die Kosten für die Erschließung des prestigeträchtigen Projekts, bei dem der britisch-niederländische Konzern mit 55 Prozent die Federführung hält, sind bislang mit 20 Milliarden Dollar (16 Milliarden Euro) veranschlagt. Weitere Partner der Betreibergesellschaft „Sakhalin Energy Investment Co.“ sind die japanischen Konzerne Mitsui (25 Prozent) und Mitsubishi (20).
Japans Spitzenpolitiker verärgert EU-Kommissar Piebalgs in Alarmstimmung Mit Blick auf das Engagement einheimischer Unternehmen reagierten Japans Spitzenpolitiker auf die Blockade für das Sachalin-II-Projekt verärgert. Dieser Vorfall sei geeignet, die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Japan und Rußland, empfindlich zu beeinträchtigen, sagte der designierte Premierminister Shinzo Abe am Dienstag in Tokio. Er verwies dabei auf die Tatsache, daß Mitsui und Mitsubishi bislang insgesamt 4,7 Milliarden Dollar in das Großvorhaben investiert hätten.
Manager von Royal Dutch Shell bestätigten am Dienstag, daß der Entzug der Umweltlizenz zu zeitlichen Verzögerungen und zu höheren Kosten bei dem Projekt führen werde, ohne jedoch konkrete Zahlen zu nennen. Mitte vergangenen Jahres hatte sich das Budget für Sachalin II auf 20 Milliarden Dollar verdoppelt. Ursache hierfür waren der allgemeine Auftrieb der Preise für Edelmetalle, höhere Vertragsgebühren und der fallende Kurs des Dollar.
Moskaus Versuch, einheimische Produzenten zu beteiligen
Kenner der Branche deuten das Vorgehen der Regierung in Moskau als Versuch, direkten Einfluß auf lukrative Energieprojekte zu gewinnen oder so einheimische Produzenten zu beteiligen. Bislang stand zur Debatte, daß sich der russische Gasmonopolist Gasprom mit 25 Prozent plus einer Aktie an Sachalin II beteiligt. Der Anteil von Royal Dutch Shell würde dann im Gegenzug auf 30 Prozent schrumpfen. Gasprom teilte am Dienstag in Moskau mit, daß die Verhandlungen mit den Sachalin-II-Betreibern vorübergehend unterbrochen wurden. „Wir sind von der aktuellen Entwicklung ebenso überrascht wie alle anderen Beteiligten auch“, behauptete ein Sprecher des Konzerns.
Der EU-Kommissar Piebalgs sagte, die Energiepartnerschaft der EU und Rußlands basiere darauf, daß sich beide Seiten an klare, vorhersehbare und nichtdiskriminierende Vorgaben hielten: „Um sicherzustellen, daß Konzerne bereit sind, Milliarden in Energieprojekte investieren, ist ein sicheres Investitionsklima notwendig - in Rußland wie auch der EU oder jedem anderen Land.“ Wenn es im Zusammenhang mit dem Sachalin-II-Projekt in der Tat offene Umweltschutzfragen gebe, dann müßten die Behörden diese klar benennen und Shell ausreichend Zeit geben, die Bedenken auszuräumen.
Piebalgs erklärte weiter, Rußland könne nicht auf der einen Seite fordern, daß russische Unternehmen freien Zugang zu Markt für Gas und Öl in Europa haben müßten, und auf der anderen Seite europäische Konzerne behindern, die in Rußland investieren wollten. Rußland hatte einigen Mitgliedstaaten im Frühjahr vorgeworfen, das russische Unternehmen Gasprom bewußt daran zu hindern, sich an europäischen Unternehmen zu beteiligen.
Text: F.A.Z., 20. September 2006
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