Viagra vom Sozialamt
Der große, schwere Mann ist guter Dinge. Gerade hat Karlheinz F. in seinem Kampf um Viagra auf Kosten der Sozialhilfe einen wichtigen Etappensieg erzielt. Als erstes Gericht hat das Verwaltungsgericht in Frankfurt/M. gestern entschieden, dass Sozialhilfeempfängern das Potenzmittel nicht grundsätzlich vorenthalten werden darf. In diesem Moment hat der seit einem Autounfall schwerbehinderte F. mehr Ansprüche als seine gesetzlich krankenversicherten Mitbürger.
Die Sozialhilfe-Bedürftigkeit des 54-Jährigen aus Bad Soden steht nicht in Frage und auch nicht zur Debatte. Vor neun Jahren habe er mal Ersparnisse von 4000 Mark der Sozialbehörde nicht gemeldet, flicht die Prozessvertreterin des hessischen Kreises, Daniela Schiller-Lückemeier, ein. Die Kontrahenten stehen sich schon lange in ehrlicher Abneigung gegenüber.
Dass es an dem heißen Vormittag friedlich bleibt, liegt am ruhigen, sachlichen Verhandlungsstil von Einzelrichter Norbert Breunig. Geduldig schildert er die bisherigen Entscheidungen deutscher Gerichte zur Erstattung von Viagra. Der Tenor ist klar, vorgegeben vom Bundessozialgericht Kassel: Wenn die Impotenz auf eine Krankheit zurückzuführen ist, dürfen wirksame Arzneimittel nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Dennoch halten vor allem die gesetzlichen Kassen an ihrer Anti-Viagra-Linie fest, denn zu Viagra haben sich die Richter noch nicht explizit geäußert.
Karlheinz F. hat also gute Karten, obwohl seine Lebensumstände gegen ein glückliches Familienleben zu sprechen scheinen. Die biologische Uhr zum Kinderkriegen ist bei seiner Ehefrau (40) fast abgelaufen. Der Mann ist alkoholkrank und wird mit einiger Regelmäßigkeit in die entsprechenden Fachkliniken eingeliefert. Das Sozialamt zahlt dann die Rechnungen. Bei verschiedenen Ärzten, so berichtet Schiller-Lückemeier, lässt er sich große Mengen des Beruhigungsmittels Rohypnol verordnen. Das ist auch bei den Heroin-Junkies in Frankfurt beliebt und kann gewinnbringend wiederverkauft werden.
Es gibt keine Beweise dafür, dass F. das tatsächlich getan hat, doch das Misstrauen ist groß. Der mögliche Handel mit Viagra-Pillen ist Hauptgrund der Ablehnung. "Es gibt andere Mittel, die genauso wirksam sind, bei denen die Missbrauchsgefahr nicht besteht", sagt die Kreisvertreterin. Karlheinz F. bekommt daher Ampullen eines teureren Mittels bezahlt, das er sich in die Schwellkörper spritzen muss.
Juristisch lässt sich das nicht halten, findet Richter Breunig.
Christian EBNER, dpa
12.08.2003
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