France Télécom gibt MobilCom auf Großansicht Büdelsdorf/Paris (dpa) - Das Mobilfunkunternehmen MobilCom steht nach dem Rückzug seines hochverschuldeten Hauptaktionärs France Télécom vor dem Aus. Damit sind die mehr als 5000 Stellen beim einstigen Vorzeigeunternehmen aus Schleswig-Holstein in akuter Gefahr. Bundes- und Landespolitiker starteten eine Rettungsaktion, um möglichst viele der Arbeitsplätze zu erhalten.
Der Betrieb des zweitgrößten deutschen Mobilfunkers ohne eigenes Netz geht weiter, für die Kunden ändert sich nichts, betonte die MobilCom AG. Über einen Insolvenzantrag soll «sehr zeitnah» entschieden werden.
In Büdelsdorf und in der Landeshauptstadt Kiel löste der Rückzug von France Télécom Bestürzung aus. Die schleswig-holsteinische Ministerpräsidentin Heide Simonis (SPD) will die Kernbereiche des Unternehmens erhalten und damit so viele Arbeitsplätze wie möglich retten. «Schleswig-Holstein setzt dabei auch auf eine maßgebliche Unterstützung durch den Bund», sagte Simonis. «Dieses Problem kann das Land nicht alleine schultern.»
Der Verwaltungsrat der France Télécom hatte am Donnerstagabend beschlossen, nicht die Kontrolle bei MobilCom zu übernehmen und auch keine weitere finanzielle Unterstützung zu geben. Die Franzosen gaben die Schuld an dem Ausstieg MobilCom-Gründer und -Mehrheitsaktionär Gerhard Schmid und der Bundesregierung. «Wir haben alles versucht, mit jedem gesprochen. Wir haben monatelang um eine Lösung gerungen», sagte der Finanzvorstand von France Télécom, Jean-Louis Vinciguerra, in Paris. «Letztlich mussten wir aufhören, Geld für nichts auszugeben.»
France Télécom hatte sich mit Schmid eine monatelange Schlacht geliefert, die in Schmids Vertreibung von der Vorstandsspitze gipfelte. Am Freitag zog France Télécom seine beiden Vertreter aus dem Aufsichtsrat der MobilCom AG zurück.
Bundeskanzler Gerhard Schröder will sich jetzt mit juristischem Beistand für den Fortbestand der MobilCom einsetzen. Justizministerin Herta Däubler-Gmelin soll helfen, die Rechte des Unternehmens gegenüber France Télécom zu vertreten, teilte Regierungssprecherin Charima Reinhardt mit. Wirtschaftsminister Werner Müller hat für Sonntag zu einer Krisenkonferenz eingeladen.
Der einstige Börsenstar Schmid will den mit 70 Milliarden Euro verschuldeten französischen Konzern auf Schadenersatz in Milliardenhöhe verklagen. Eine genaue Summe nannte er nicht, «aber Milliarden sind es allemal», sagte Schmid. Er forderte die Bundesregierung auf, gemeinsam mit der französischen Regierung nach Lösungen zu suchen. «MobilCom hat eine Chance, wenn jetzt schnell gehandelt wird», sagte Schmid. «France Télécom hat MobilCom behandelt wie früher die Kolonialherrscher auf den Bananenplantagen aufgetreten sind.» France Télécom habe mit der Aufkündigung der Geschäftsbeziehung eindeutig gegen den Rahmenvertrag zwischen den beiden Unternehmen verstoßen, stellte MobilCom fest.
Vinciguerra warf Schmid vor, er habe nichts getan, um eine Lösung zu erleichtern. «Herr Schmid war ein sehr schwieriger Partner». Er versicherte, sein Unternehmen werde für die Schulden von MobilCom einstehen. In den Rekordrückstellungen von 10,8 Milliarden Euro für das erste Halbjahr seien insgesamt 6,4 Milliarden Euro für die Kredite der Gläubigerbanken und der beiden großen MobilCom- Lieferanten Nokia und Ericsson vorgesehen.
France Télécom rechne damit, die bereits im Grundsatz getroffenen Vereinbarungen in Kürze endgültig abzuschließen. Sie sehen vor, dass der Konzern die Schulden übernimmt und die Gläubiger dafür in France-Télécom- Aktien wandelbare Anleihen erhalten. France Télécom sei auch bereit zu helfen, wenn für das Standardgeschäft von MobilCom eine Lösung gefunden werde, In welcher Form sagte Vinciguerra allerdings nicht.
16:42 am 13.09.2002 - Rubrik: Wirtschaft
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