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„Der Dax wird langfristig unter 2.000 Punkte fallen“
FAZ, 14. Juni 2006
Die Pessimisten haben in diesen Tagen an den Aktienmärkten Oberwasser. Immer mehr setzt sich die Sichtweise durch, daß zum Beispiel der Deutsche Aktienindex Dax seit dem Erreichen des Jahreshochs Mitte Mai bei 6.162 Punkten nicht nur eine Korrektur, sondern eine Trendwende eingeleitet hat. Heribert Müller, Vorstand der Heribert Müller Trust AG in Krefeld, ist bereits seit längerem tiefschwarzer Pessimist: „Der im März 2000 begonnene Bärenmarkt endet erst 2018“, gab er im März 2003 als Devise aus.
Damals prognostizierte Müller, daß der Dax in einem ersten Abwärtsschub (Welle A) bis auf 1806 Punkte fallen werde. Der Index fand indes bereits bei 2203 Punkten Halt - am 12. März 2003, wenige Tage nach der Veröffentlichung der Prognose. In den vergangenen drei Jahren machte der Dax dann die von Müller im März 2003 prognostizierte Erholungsbewegung (Welle B) durch. Damals gab er ein Kursziel von 5400 an. Nun steht der Dax seiner Ansicht nach vor einem weiteren Abwärtsschub (Welle C), der in den kommenden Jahren tiefer als Welle A und damit unter 2000 Punkte führen dürfte.
Elliott-Wellen und Fibonacci-Reihen
Heribert Müller hat sich darauf spezialisiert, die ganz langen Zyklen an den Finanzmärkten zu beobachten. Er glaubt auf den Schaubildern mit den Kursverläufen oft immer wiederkehrende Muster menschlichen Anlageverhaltens zu entdecken. Bei seiner Analyse bedient sich Müller, der nach Stationen in der Versicherungswirtschaft vor dem Sprung in die Selbständigkeit von 1990 bis 2000 für die damalige Fondsgesellschaft Salomon Brothers als Geschäftsführer tätig war, zweier Prinzipien: Er nimmt die Theorie der Elliott-Wellen und kombiniert sie mit den sehr viel älteren Fibonacci-Reihen (siehe Kasten).
Um dies für den deutschen Aktienmarkt langfristig tun zu können, hat Müller den Dax, den es erst seit 1988 gibt, mit Hilfe von Vorgängerindizes und Daten des Statistischen Bundesamtes bis zum Ende des Ersten Weltkrieges zurückgerechnet (siehe Graphik). Wegen der nicht durchgängig aus einer Quelle zugänglichen Datenbasis und der Schwierigkeiten der Umrechnung sollten an die Genauigkeit und Aussagekraft Einschränkungen gemacht werden. Aber Müller ist davon überzeugt, daß im März 2000 ein 78 Jahre dauernder Aufwärtstrend, der sich in fünf Super-Wellen (römische Ziffern in der Graphik) vollzog, abgeschlossen worden ist.
Wendemarke „Goldener Schnitt“
Daher ist nun, gemäß der Elliott-Theorie, eine aus drei Wellen bestehende Abwärtsbewegung im Gang. Nach Ansicht von Müller hat der Dax zwischen März 2000 und März 2003 die erste Abwärtswelle A durchlaufen. Daß diese Welle nicht bis 1.806 Punkte lief, sondern bereits bei 2.203 Punkten stoppte, liegt seiner Ansicht nach daran, daß nicht - wie bei der Veröffentlichung 2003 unterstellt - die gesamte, seit 1922 laufende Aufwärtsbewegung um 76,4 Prozent vom Höchststand aus korrigiert wurde. Vielmehr bezieht Müller nun das Ausmaß der Welle A allein auf die eine vorausgegangene letzte Super-Welle (V). Diese habe der Dax exakt mit 76,4 Prozent, bezogen auf ihr Punkte-Ausmaß abzüglich des Jahreshochs im Jahr 2000, korrigiert.
Daß die vor die noch drohende Abwärtswelle C zwischengeschaltete Erholung des Dax (Welle B) nun beendet ist, macht Müller an mehreren Faktoren fest. So habe der Dax - mit einem Überschießen von 5 Prozent - vor wenigen Wochen am Goldenen Schnitt kehrtgemacht. Der Goldene Schnitt, der sich hier berechnet als 61,8 Prozent des Ausmaßes der Welle A (8.065 bis 2.203 Dax-Punkte) addiert auf den Tiefpunkt von 2.203 Dax-Punkten, beträgt genau 5.825 Punkte. Dieses Niveau erreichte der Dax im März. Für Müller sind die zwei Monate, die der Dax danach noch nach oben bis auf 6.140 Punkte lief, eine noch tolerable Abweichung von der Wendemarke „Goldener Schnitt“.
„Mit Anleihen werden Anleger besser fahren“
Müller untermauert seine Sicht mit einer weiteren Beobachtung. So gelten Aktien langfristig stets als die renditestärkste Anlageform. Diese Sichtweise kam infolge der Baisse an den Aktienmärkten im Jahr 2003 nicht mehr vielen Anlegern locker über die Lippen. Inzwischen ist sie wieder Konsens. Müller beobachtete mit Hilfe von europäischen Indizes für Aktien und Anleihen, daß sich der Höhepunkt der Vorteilhaftigkeit von Aktien gegenüber Anleihen nach einem fünfteiligen Wellen-Zyklus im März 2000 einstellte. In den vergangenen drei Jahren nun entwickelten sich Anleihen zu Aktien deutlich schlechter. Abgetragen auf ein Schaubild, zeigen sich die Aktienindizes relativ zu den Anleiheindizes nun in diesen Tagen womöglich am Ende eines dreiteiligen dreijährigen Abwärtsschubes - zumindest bewegt sich der Quotient aus Aktien- und Anleiheindizes nun auf Höhe des „Goldenen Schnittes“.
Für Müller, der ähnliches auch im amerikanischen Markt feststellt, ist die Botschaft klar. „Mit Anleihen werden die Anleger über die nächsten Jahre hinweg deutlich besser fahren als mit Aktien, zumindest sind sie das kleinere Übel. Am deutschen Aktienmarkt hat die nächste Abwärtswelle begonnen, die in den nächsten Jahren wahrscheinlich über den Tiefstand des Jahres 2003 von 2.203 Punkten hinausführen wird. Womöglich wird der Dax tatsächlich erst im Jahr 2018 bei 1.026 Punkten Halt finden.“
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