Neuer Platz an der Sonne 04.06.2006 Ausgabe 23/06
§ § Unternehmen WKN n/a Die zuletzt an der Börse arg gebeutelte Solarbranche setzt auf neue Technologien. Neuartige Zellen sollen die Abhängigkeit vom Rohstoff Silizium verringern Frank Asbeck ist so etwas wie der rheinische Gegenpart zum geschniegelten Durchschnitts-Vorstandsvorsitzenden. Sein ausgeprägter Hang zu derben Witzen und seine modischen Versuche, bunt-grelle Versace-Krawatten mit schwarzen Slippern, Jeans und hellem Leinenjancker zu kombinieren, heben den schwergewichtigen Solarworld-Boss durchaus von seinen Vorstandskollegen ab. Wenn es um strategisches Geschick geht, ist ihm allerdings nicht am Zeug zu flicken. Und genau das ist jetzt wieder gefragt. Denn die Branche ist von einem neuen Trend elektrisiert. Dünnschicht-Technologie heißt die Zauberformel. Und egal, ob bei Solarworld, Q-Cells, Ersol oder Solon – überall ist die neue Technik in den Chefetagen ein Thema. Hintergrund des Dünnschicht-Dickichts: Fast 100 Prozent der weltweit produzierten Solarzellen werden aus dem Rohstoff Solarsilizium gewonnen – und der ist knapp. Besser gesagt: Die Verarbeitungskapazitäten sind knapp. Dieses Jahr dürften weltweit an die 20000 Tonnen Solarsilizium zur Verfügung stehen. Für die boomende Branche ist das viel zuwenig. „Die Nachfrage ist viel höher“, sagt Asbeck. Am Spot-Markt werden deshalb Preise von über 100 Euro pro Kilogramm Solarsilizium bezahlt. Zum Vergleich: Vor einigen Jahren stand der Preis bei 25 Euro. Viele Firmen wollen deshalb die Abhängigkeit von Silizium verringern. Sie setzen auf neue Dünnschicht-Technologien und kooperieren mit Unternehmen, die fit auf diesem Gebiet sind. So hält Q-Cells 22 Prozent am Dünnschicht-Spezialisten CSG Solar, Ersol will zusammen mit Unaxis eine Produktionsanlage bauen, Solon übernimmt 19 Prozent an der US-Firma Global Solar Energy, und Sunways hat ebenfalls mit Unaxis einen Kooperationsvertrag abgeschlossen. Denn der große Vorteil der neuen Technologie: Sie kommt – je nach Herstellungsprozeß – komplett ohne oder mit einem Minimum an Solarsilizium aus. So werden bei der häufig favorisierten CIS-Technik Kupfer und das silbrigweiße Metall Indium verarbeitet. Bei der etwas komplizierteren CdTe-Technologie, die dafür höhere Wirkungsgrade verspricht, kommen Cadmium und Tellur zum Einsatz. Silizium ist in beiden Fällen nicht notwendig. Und da die Beschichtung der Trägerplatten sehr viel dünner ist als bei der herkömmlichen Zelle, wird nur sehr wenig Indium oder Tellur verbraucht. Um eine Leistung von einem Kilowatt zu erreichen, benötigen die flachen Zellen 0,2 Kilogramm Halbleitermaterial. Bei der gängigen Zellen sind es zwölf Kilogramm Solarsilizium. Doch auch bei den Zellen, die mit Silizium hergestellt werden, ist das Wort Dünnschicht ein Thema. Ersol setzt beispielsweise auf die Herstellung sehr flacher „amorpher Solarzellen“, bei deren Produktion nur ein Hundertstel des bisherigen Siliziumverbrauchs benötigt wird. Das macht sich auch bei den Kosten bemerkbar: Die Herstellung von Dünnschichtzellen ist deutlich günstiger als im klassischen Verfahren.
Größter Nachteil der neuen Zellen: Ihr Wirkungsgrad ist schwächer. Kommen die Siliziumzellen derzeit auf einen Wirkungsgrad von 15 bis 17 Prozent, liegt er bei den Dünnschicht-Teilen bei maximal acht Prozent. Nicht nur deshalb ist Solarworld-Chef Asbeck eher skeptisch in Sachen Dünnschicht. „Eine Produktion in homöopathischen Dosen ist kein Problem. Wenn aber die neuen Techniken im großindustriellen Maßstab zum Einsatz kommen, haben wir ein neues Knappheitsproblem“, glaubt Asbeck. Denn: Sowohl Tellur als auch Indium seien seltene und begrenzte Rohstoffe. Das wird nicht von allen so gesehen. „Der Materialverbrauch ist sehr gering, Rohstoff gibt es genügend. Ich sehe für die Dünnschicht-Zellen deshalb ein großes Potential“, sagt Gerd Stadermann vom unabhängigen Foschungsverbund Sonnenenergie. Auch Q-Cells-Finanzvorstand Hartmut Schüning sieht große Chancen für die neue Technik. Zwar würden die klassischen Siliziumsolarzellen „in den kommenden fünf bis zehn Jahren mit einem Marktanteil von 85 bhis 90 Prozent“ der dominierende Part bleiben. Gleichwohl werde die Dünnschichttechnologie Marktanteile gewinnen und „noch schneller wachsen als der Gesamtmarkt“. Und dessen Wachstumsraten werden über Jahre hinaus auf 20 bis 30 Prozent pro Jahr geschätzt. Ohnehin ist Schüning der Ansicht, daß die beiden Technologien nicht in Konkurrenz zueinander stehen. „Wo Flächen begrenzt sind, brauche ich die Siliziumzellen mit hohem Wirkungsgrad. Dort, wo es praktisch keine Flächenbegrenzung gibt, auf großen Fabrikdächern oder auf Feldern, ist die Dünnschichtzelle interessant.“ Bis die zarten Zellen kostengünstig in Großserie hergestellt werden, wird es jedoch noch etwas dauern. Auch deshalb setzt Asbeck auf die Effizienz-Verbesserung bei den Siliziumzellen. Er schätzt, daß auf Grund des Aufbaus neuer Raffinerien „spätestend Anfang 2008 ausreichend Solarsilizium im Markt ist“. Und daß dann auch die Preise sinken. „Ich rechne damit, daß sich der Preis bis 2009/2010 dritteln wird und wir wieder unter 30 Euro pro Kilo zahlen werden.“ (jos)
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