Sorry, erst mal vorab. Nachdem ich über folgende Meldung gestoßen bin, habe ich mich entschlossen, den Artikel vom Handelsblatt, euch zugängig zumachen.
Ich weiß, er ist sehr lang. Wem ich damit auf die Eier gehe. Einfach meinen Beitrag Ignorieren !!!
" Aufräumen bei den Prüfern Vor neun Jahren war Michel Barnier EU-Kommissar für Binnenmarkt und Dienstleistungen und hatte ein paar gute Ideen zu Wirtschaftsprüfern. So sollten bei einem „Joint Audit“ zwei Anbieter den Jahresabschluss checken sowie untersagt werden, dass Bilanzprüfung und Beratung bei einer Prüffirma gebündelt sein dürfen. Die besten Vorschläge dieser Art scheitern naturgemäß am schnellsten – wegen des geballten Widerstands der Lobby. So war es auch hier. Die „Big Four“ mit PwC, Deloitte, EY und KPMG hatten gegen Barnier opponiert.
Nun beschäftigt sich die EU-Kommission nach der Prüfer-Blamage bei Wirecard erneut mit den alten Vorschlägen. Den nötigen Kommentar gibt BWL-Professor Michael Wolff in unserem Titelkomplex ab: Der Fall Wirecard sollte Anlass dazu sein, eine noch klarere Trennung von Prüfungsaufgaben und Beratung vorzunehmen. Ich halte beide Rollen für unvereinbar. Für mich steht fest: Die Politik braucht einen langen Atem und Panzerschichten gegen das Branchenkartell der „Big Four“. Jetzt Artikel lesen "
Bilanzfälschung
Fall Wirecard: Die deutschen Wirtschaftsprüfer stehen am Pranger
Der Wirecard-Skandal stellt Qualität und Geschäftsmodelle der gesamten Prüferbranche infrage. Den Dienstleistern droht eine neue harte Regulierung.
08.07.2020 Düsseldorf, Brüssel. Wirtschaftsprüfung ist ein Hochrisikogeschäft. So formulierte es einst ein CEO aus der Reihe der vier großen Prüfungsgesellschaften hinter vorgehaltener Hand. Was er meinte: Die Dienstleister leben von ihrem guten Ruf und investieren Millionenbeträge in ihre Reputation. Doch nur ein Skandal kann diese Arbeit komplett zunichtemachen.
Der Fall Wirecard droht nun genau zu so einem Fiasko zu werden – nicht nur für den Abschlussprüfer EY, sondern für die gesamte Branche. In der Bundesregierung und in Brüssel werden bereits Konsequenzen diskutiert: höhere Haftungsbeträge etwa oder verpflichtende Joint Audits, bei denen zwei verschiedene Anbieter nach dem „Vieraugenprinzip“ die Jahresabschlüsse prüfen. In EU-Kreisen heißt es, die EU-Kommission prüfe eine Reform der europäischen Regeln für Wirtschaftsprüfer. Die zuständige Generaldirektion für Finanzmarktregulierung bereite dazu eine Studie vor.
Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) stellt die Vereinbarkeit von Prüfung und Beratung unter dem Dach einer Gesellschaft gar generell infrage. Grüne und Liberale im EU-Parlament fordern die Trennung, Wissenschaftler flankieren: „Der Fall Wirecard sollte Anlass dazu sein, eine noch klarere Trennung von Prüfungsaufgaben und Beratung vorzunehmen“, sagt der Corporate-Governance-Experte und Göttinger Universitätsprofessor Michael Wolff. „Ich halte beide Rollen für unvereinbar.“
Die Prüferbranche ist alarmiert. „Ich wehre mich dagegen, die deutschen Wirtschaftsprüfer unter Generalverdacht zu stellen“, sagt Michael Häger, Chef des mittelständischen Anbieters Warth & Klein Grant Thornton. Klaus-Peter Naumann, Vorstandssprecher des Instituts der Wirtschaftsprüfer (IDW), warnt vor „voreiligen Konsequenzen“ aus dem Fall Wirecard.
Tatsächlich liegen die Fakten im Fall Wirecard noch nicht auf dem Tisch. EY wird vorgeworfen, bei der Abschlussprüfung des Zahlungsdienstleisters versagt zu haben – vom bösen Wort des „Wegguckens“ ist die Rede. Es geht um grundlegende Kernaufgaben eines Prüfers, etwa die Bewertudes internen Kontrollsystems beim Mandanten, das bei Wirecard allen Hinweisen nach katastrophal war.
Noch schwerwiegender aber wäre es, wenn die EY-Experten bei der Prüfung der Wirecard-Bankkonten in Asien tatsächlich geschlampt hätten. EY sieht sich als Opfer eines ausgeklügelten Betrugs mit weltweiter Beteiligung. Eine eindeutige Bewertung des Falls steht noch aus.
Handelt es sich um einen einzelnen Fall, der auf Betrug beim Mandanten oder Fehlern eines Prüfers beruht? Oder liegt hier ein Systemversagen der gesamten Wirtschaftsprüfung vor? „Für Letzteres gibt es keine Anzeichen, und deswegen müssen wir nicht gleich vorschnell den ganzen Regulierungsrahmen ändern“, warnt IDW-Präsident Naumann.
Dass dennoch bereits der ganze Berufsstand der Wirtschaftsprüfer direkt in Verruf gerät, hat Gründe. Die Diskussion um die Qualität der Abschlussprüfung hat auch nach der letzten Regulierungsrunde im Anschluss an die großen Bilanzskandale Anfang des neuen Jahrtausends und der Finanzkrise 2008 nicht wirklich geendet – sie wurde nur im kleineren Rahmen geführt und greift jetzt wieder um sich.
Beim Handelsblatt etwa melden sich immer wieder Unternehmen, die sich über die Arbeit der Abschlussprüfer wundern: etwa, wenn die Prüfung im Haus von jungen, unerfahren wirkenden Assistenten erledigt wird und der verantwortliche Abschlussprüfer sich nur alle paar Tage mal telefonisch meldet.
Das sind harte Vorwürfe gegenüber Wirtschaftsprüfern, die doch in einer Art hoheitlichem Akt die Korrektheit der Firmenbilanzen bestätigen sollen, auf die sich der Kapitalmarkt und andere dann stützen. Warth-&-Klein-Chef Häger verteidigt seine Zunft und gibt sich fest davon überzeugt, dass „Prüfer ihre Arbeit gtzeskonform und gewissenhaft machen“.
Kritiker fordern, dass der gesetzliche Auftrag der Prüfer erweitert werden müsse. Die Bilanzspezialisten sind zwar per Berufsstandsregeln zu Sorgfalt und kritischer Distanz gegenüber dem Mandanten verpflichtet. Dennoch sind ihre Möglichkeiten begrenzt, und der Job ist herausfordernd. Sie müssen in der Regel binnen drei Monaten den vom Unternehmen erstellten Jahresabschluss auf Korrektheit überprüfen.
Dabei gibt es viele Normen und Regeln, die sie einhalten müssen, was wiederum von der Abschlussprüferaufsichtsstelle, kurz Apas, kontrolliert wird. Die Prüfer sind in den meisten Fällen aber auf die vom Unternehmen vorgelegten Belege und Systeme angewiesen. Im Fall Wirecard zieht das zwar nicht, denn Saldenbestätigungen muss der Prüfer bei Banken selbst einholen und die Echtheit checken.
Prüfer sehen sich nicht als Kriminalisten
Doch grundsätzlich gilt: Wirtschaftsprüfer arbeiten mit hinreichender, aber nicht absoluter Sicherheit. Sie treten gegenüber dem Mandanten nicht als Ermittler auf. „Für unseren Berufsstand ist es sehr wichtig, dass jetzt genau analysiert wird, was bei Wirecard passiert ist“, sagt Christoph Regierer, Deutschlandchef der Prüfungsgesellschaft Mazars. „Und es muss herausgestellt werden, was eigentlich unsere Aufgabe als Wirtschaftsprüfer ist.“
Die Arbeit sei hochkomplex, aber kriminalistisch zu recherchieren gehöre zum Beispiel nicht dazu, erläutert Regierer. Für die Prüfer wäre es ein Paradigmenwechsel, falls diese Anforderung an sie gestellt würde. „Wenn man die Abschlussprüfung hin zu einer forensischen Ermittlungsarbeit verändern will, würde dies bedeuten, jedem Unternehmen erst mal mit einem Verdacht gegenüberzutreten. Das kann ich nicht gutheißen“, sagt Warth-&-Klein-Chef Häger.
Die Diskussion um die Qualität der Wirtschaftsprüfung kommt immer dann auf, wenn es einen neuen Skandal gibt. Vor 14 Jahren wurde aus KPMG kurzerhand „Keiner prüft mehr genau“, weil die Gesellschaft das System der schwarzen Kassen bei Siemens nicht entdeckt hatte. EY wurde 2010 in den USA vorgeworfen, der Investmentbank Lehman Brothers bei Bilanztricks geholfen zu haben.
Immer schwingt dabei ein böser Verdacht mit: Haben die Prüfer eine zu große Nähe zum Mandanten, weil sie zugleich auch Berater sind? Kommt es deswegen zu den Skandalen, weil sich in den Prüfungsgesellschaften die Rollen als berufsständischer Prüfer und profitorientierter Managementberater vermischen?
Diese nun wieder hochkommende Diskussion hofften die großen Prüfungsgesellschaften längst hinter sich zu haben. Schon in der letzten Regulierungsrunde auf EU-Ebene nach 2010 stand die komplette organisatorische Trennung im Raum – faktisch also die Aufspaltung der Gesellschaften in rechtlich, finanziell und organisatorisch unabhängige Einheiten.
Das konnten die Lobbyisten der Branche in Brüssel verhindern. Dennoch brachte das „Grünbuch“ der EU einige Einschnitte für die Prüfer: Es wurde etwa das Rotationsprinzip eingeführt, nach dem börsennotierte Unternehmen ihren Abschlussprüfer alle zehn Jahre wechseln müssen. Finanzminister Scholz will nach dem Fall Wirecard prüfen, ob diese Frequenz reicht oder weiter verkürzt werden muss.
Auch die Trennung der Geschäfte ist gesetzlich geregelt: Wer ein Unternehmen prüft, darf es zugleich nicht beraten – zumindest nicht in Managementfragen. Erlaubt ist aber die sogenannte prüfungsnahe Beratung, also bei allen Themen rund um den Jahresabschluss. Dazu gehören etwa Risikomanagement oder Finanzplanungssysteme.
Corporate-Governance-Experte Wolff von der Uni Göttingen hält die Trennung für nicht ausreichend: „Die Übergänge sind fließend, es gibt Interessenkonflikte, und die Rollen sind grundverschieden. Als Berater gestalte ich eine Firma mit, als Prüfer muss ich ihre Systeme kritisch hinterfragen“, sagt er.
„Big Four“ bauen ihre Beratungseinheiten aus
Dieses Misstrauen haben die Wirtschaftsprüfer in den vergangenen Jahren selbst geschürt, als sie begannen, ihre Unternehmensberatungssparten massiv auszubauen, auch mit größeren Zukäufen wie etwa der Übernahme der früheren Managementberatung Booz durch PwC.
Bei den „Big Four“, zu denen neben PwC und EY auch KPMG und Deloitte zählen, zeigt sich die Strategieverschiebung am deutlichsten: Sie machen mittlerweile deutlich mehr Geschäft in der Beratung als mit klassischer Wirtschaftsprüfung.
Hansrudi Lenz, Prüfungsexperte und BWL-Professor an der Uni Würzburg, hat nachgerechnet: Im Jahr 2007 entfielen bei den „Big Four“ noch 52 Prozent des Umsatzes auf klassische Abschlussprüfung. 2018 waren es nur noch 33 Prozent. Zieht man auch die prüfungsnahen Dienstleistungen ab, so ergibt sich ein Wert von 21 Prozent. Mehr trägt das eigentlich prägende Kerngeschäft mit Testaten nicht mehr bei.
Die Frage ist, ob dies zu Qualitätsrückgängen in der Prüfung führt. Die Branche weist dies zurück: „Ich kann nicht erkennen, warum ein grundsätzliches Beratungsverbot für Prüfungsgesellschaften die Qualität der Abschlussprüfung verbessern sollte“, sagt IDW-Chef Naumann. „Die Trennung beider Geschäfte ist gesetzlich klar geregelt und wird vom Aufsichtsrat überwacht. Wir haben da bereits ein gutes Regelwerk.“
Mittelständische Anbieter wie Warth & Klein sehen dies ähnlich: „Eine Aufspaltung von Prüfungsgesellschaften würde nicht zu einer höheren Qualität führen“, sagt Häger. „Es könnte das Gegenteil der Fall sein, denn mit dem Wegfall des Beratungsgeschäfts würde auch der Know-how-Transfer aus diesem Bereich in die Prüfung entfallen.“
Tatsächlich lebt die Wirtschaftsprüfung bei vielen Anbietern auch von einer finanziellen Mischkalkulation. Die hohen Renditen in der Managementberatung tragen dazu bei, Investitionen im Prüfungsgeschäft zu finanzieren. Dort müssen die Gesellschaften viel in Digitalisierung und Künstliche Intelligenz stecken, wovon sie sich auch eine Qualitätsverbesserung versprechen.
Das Geld dafür können die Prüfungsdivisionen allein angeblich nicht erwirtschaften – zumindest nicht mit den Prüfungshonoraren, die laut IDW in den vergangenen Jahren deutlich unter Druck geraten sind. Prüfungsexperte Lenz sieht aber schleichende Folgen durch den Fokus auf Beratung. „Organisationsstruktur, Unternehmenskultur und das Beförderungs- und Entlohnungssystem von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften werden zunehmend vom Beratungsgeschäft geprägt“, sagt er. Zugleich müssten aber die rechtlichen Vorgaben zur Sicherung der Kompetenz und Unabhängigkeit der Wirtschaftsprüfung beachtet werden. „Das führt innerhalb der Gesellschaften zu Konflikten.“
Großbritannien fordert Trennung von Prüfung und Beratung
Was den großen Prüfungsgesellschaften durch den Fall Wirecard droht, kann man in Großbritannien sehen. Nach mehreren Bilanzskandalen bei britischen Firmen hat sich die Wettbewerbsbehörde CMA die „Big Four“ vorgeknöpft: Sie empfiehlt eine strikte organisatorische und möglicherweise auch rechtliche Trennung von Prüfungs- und Beratungsdivisionen.
Die britische Prüferaufsicht FRC will dies nun durchsetzen: Bis Oktober sollen die „Big Four“ Konzepte vorlegen, wie sie diese Trennung in den kommenden vier Jahren umsetzen können, ließ sie die Anbieter Anfang dieser Woche wissen.
In Großbritannien wird auch eine weitere Konsequenz aus Bilanzskandalen diskutiert: die Verpflichtung zu Joint Audits. Sie sehen vor, dass neben dem angestammten Abschlussprüfer eine weitere Prüfungsgesellschaft auf die Bilanz eines Mandanten schaut. Bisher ist so ein „Vieraugenprinzip“ nur in Frankreich an der Tagesordnung.
Der Wirtschaftsausschuss des EU-Parlaments hat sich bereits dafür ausgesprochen, Joint Audits auch in den anderen EU-Ländern verpflichtend zu machen. Ob dies die Qualität erhöht, darüber streitet die Branche. Mandanten und Prüfer fürchten den erhöhten Aufwand, den großen Abstimmungsbedarf sowie höhere Kosten.
Mazars-Deutschlandchef Regierer aber gibt sich überzeugt: „Ein Joint Audit zahlt auf Unabhängigkeit und Objektivität ein, denn die Prüfer kontrollieren gegenseitig ihre Prüfungsergebnisse. Das Resultat ist mehr Qualität und mehr Transparenz.“
Für Mazars wäre eine solche Regelung ein gutes Geschäft, das der Anbieter in Frankreich als zweiter Prüfer neben den „Big Four“ bereits erfolgreich betreibt. Ein Weg für mehr Wettbewerb und weniger Marktmacht der „großen vier“ wäre ein verpflichtendes Joint Audit aus Sicht der mittelständischen Anbieter auf jeden Fall.
Mehr: Wie PwC, EY, KPMG und Deloitte ihre Macht im Dax festigen
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